28.2.06

Rhythm n’ Jihad

Bisweilen bekommt das arg strapazierte Bild vom Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt, frische Farbe. Mohammed Kamel Mostafa (Foto, rechts) jedenfalls ist so ein Früchtchen, das gerade seine volle Blüte entfaltet und zum Sprung vom Baum ansetzt. Der 24-jährige ist der Sohn von Abu Hamza al-Masri (links), Imam der Finsbury Park Moschee im Norden Londons und kürzlich von einem Londoner Gericht wegen Anstiftung zum Rassenhass und Aufrufs zum Mord an Juden und Christen zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt.

Sein Zögling jedoch gedeiht in seinem Sinne und stellt sich beim Jihad-Marketing zudem ein bisschen geschickter an als der Vater. Wozu in den Knast wandern, wenn man mit Aufrufen zum Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen ganz legal viel Geld verdienen kann und darüber hinaus vielleicht sogar noch im Diesseits ein paar Jungfrauen abkriegt? Dazu muss man sich zwar auf die Mechanismen der verhassten westlichen Kulturindustrie einlassen, aber das ist ja alles nur zum Schein und für einen guten Zweck – der Allmächtige wird schon Gnade walten lassen, wenn der Feind nötigenfalls mit seinen eigenen Waffen geschlagen werden kann.

Also verdingt sich Mohammed Kamel Mostafa als Rapper und untermalt sein Anliegen mit mondänen Rhythmen. Letztes Jahr ließ sich das Unternehmen auch gleich recht viel versprechend an, als er das Duo Lionz Of Da Dezert mitbegründete und unter dem Bühnennamen Al-Ansary (der Löwe) beispielsweise auf dem ersten Oxford Muslim Music Festival im Juni 2005 mit „Allahu“, „There is no deity but God“ und einem dem Propheten gewidmeten Song seine Zielgruppe – „junge, im Westen aufgewachsene Muslime“ – zum Steppen brachte. Inzwischen strebt MC Hamza, wie ihn seine Fans tauften, eine Solokarriere an und zeigte sich in einem heute veröffentlichten Interview mit Undercover-Reportern der britischen Tageszeitung The Sun ausgesprochen optimistisch:
„Ich glaube, ich kann damit locker eine Million Pfund machen. Eine Million ist nichts. Ich habe mich bisher auf große Auftritte konzentriert, aber da draußen gibt es einen großen Markt, glaubt mir. 5.000 Leute kamen nach Wembley, um mich zu sehen.“
Und um Lieder zu hören, die gewiss das Zeug zum Evergreen haben. In einem etwa textet Mostafa: „Ich wurde als Soldat geboren, Kalaschnikow über meiner Schulter, Frieden der Hamas und Hisbollah, das ist Allahs Weg ... Ich verteidige meine Religion mit dem Heiligen Schwert.“ Ein anderer Song ist seinen islamischen Brüdern gewidmet, die geschworen haben, für Allah zu sterben. Gut möglich also, dass der Hassrapper Recht behält, wenn er verspricht, dass seine Musik „im ganzen Nahen Osten populär werden wird – von Ägypten bis nach Palästina“. Ausgefeilte Pläne dafür hat er auch schon:
„Ich will ein Album für den Mainsteam herausbringen – und dann eine CD mit richtig harten Texten. Mein Ziel ist es, drei verschiedene Platten aufzunehmen: eine islamische, eine nahöstliche und eine mit Hip-Hop. Ich kann drei verschieden Märkte bedienen, in Asien singen wie auch auf Türkisch, Arabisch und Englisch.“
Ein Video, das in der arabischen Welt gezeigt werden soll, ist ebenfalls in der Mache. Bis zur Million dauert es zwar vermutlich noch ein bisschen, aber der Anfang ist schon mal gemacht: Die Sun berichtet, Mostafa habe mit Werbeartikeln bereits mehrere hundert Pfund verdient und bekomme zudem monatlich etwa 200 Pfund aus steuerfinanzierten staatlichen Zuwendungen. Zudem seien ihm 150.000 Pfund aus dem Verkauf der Wohnung seines inhaftierten Vaters geblieben.

Ein guter Grundstock, um dereinst auch über die Sängerkarriere hinaus weisende Vorhaben in die Tat umzusetzen. Von den Sun-Journalisten gefragt, ob er hoffe, einmal so berühmt zu werden wie Osama bin Laden, antwortete Mostafa nämlich: „Inschallah!“ Und ergänzte:
„Hubschrauber, Panzer, Flugzeuge – ich kann sie fliegen und fahren. In mir ist eine Menge Wut. Aber ich habe keine Angst. Der Jihad ist eine klare Sache; du bekämpfst die, die dich bekämpfen – Moslem oder Nicht-Moslem.“
Auch in punkto Bombenbau scheint der junge Mann Qualitäten zu haben: „Wenn ich an einem Ort festsitze, dem ich aber unbedingt entkommen will, kann ich schon was drehen aus Zucker und anderem Zeug.“ Das wird er wohl von seinem Familienoberhaupt gelernt haben: Bei einer Razzia in der Moschee, in der Abu Hamza al-Masri seine Hetzpredigten hielt, stellte die britische Polizei bereits im Januar 2003 neben Gasmasken, Schutzanzügen vor ABC-Angriffen und Blanko-Pässen auch haufenweise Waffen sicher.

Mohammed Kamel Mostafas Vater wird wegen der Form seiner Prothese in Großbritannien Hook genannt. Sein Ältester verfährt nun nach dem Motto: Früh krümmt sich, was ein Häkchen werden will. Bleibt zu hoffen, dass ihm wenigstens die Mechanismen des Marktes einen dicken Strich durch die Rechnung machen. Auf gute Musik müssen seine Glaubensbrüder dennoch nicht verzichten. Schließlich gibt es die Muslim Rave Party Sensation – coole Grooves zu einem noch viel stylisheren Video. Boxen an!

Übersetzung der Passagen aus der Sun: Liza

27.2.06

Die Präzedenz des Perversen

Das Urteil gegen Manfred van Hove und die Folgen: Ein Kommentar

Sie wollten „ein Zeichen nach außen setzen“, und sie haben eines gesetzt. Richter Carsten Krumm und Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer befanden, das Verbreiten von Toilettenpapierrollen mit einem Koran-Stempel bedürfe der Ahndung mit einer einjährigen Freiheitsstrafe, ausgesetzt auf fünf Jahre zur Bewährung. Dieses Urteil gegen den 61-jährigen Kaufmann Manfred van Hove hat eindeutig Präzedenzcharakter und gewährt im Verbund mit seinen Begleitumständen im mehrerlei Hinsicht tiefe Einblicke in die deutsche Verfasstheit.

Um es noch einmal deutlich zu machen: Man muss van Hoves Aktion weder künstlerisch wertvoll finden noch ihren fäkalistischen Impetus begrüßen. Es gibt gewiss originellere und treffendere Formen des Spotts über den Islam. Doch in dem Prozess vor dem Amtsgericht Lüdinghausen ging es auch gar nicht darum, solche Fragen zu verhandeln, selbst wenn der Oberstaatsanwalt beiläufig bemerkte, van Hove könne sich nicht auf die Freiheit der Kunst berufen, weil es ihm nur um „Schmähkritik“ zu tun gewesen sei. Weitaus wichtiger waren die politischen Implikationen des Verfahrens: Zum einen die diplomatische Protestnote des Iran gegen die Koranrolle, zum anderen die Rahmenbedingungen des Gerichtsprozesses und dessen Zusammenfallen mit den landläufig als Karikaturenstreit nur höchst unzureichend benannten Geschehnissen nach der Veröffentlichung der Jyllands Posten-Cartoons.

Die deutsche Justiz stand nach der iranischen Eingabe ganz offensichtlich unter Handlungszwang. Was als zwar ungewöhnliche, jedoch lokal begrenzte Aktivität begonnen hatte, die vermutlich kaum größeres Aufsehen zu erregen imstande gewesen wäre, verwandelte sich unversehens in einen Angriff auf die Staatsräson des kritischen Dialogs mit islamischen Staaten und Organisationen. Man kann wohl davon ausgehen, dass die iranischen Mullahs – und nicht nur sie – Fort- und Ausgang des Verfahrens mit Argusaugen beobachtet haben und im Falle einer Nichtverurteilung van Hoves ihnen geeignet erscheinende Maßnahmen in Gang gesetzt hätten. Deren Qualität und Folgen mag man sich lieber nicht vorstellen. Das ist der eine Teil des Skandals: dass ein deutsches Gericht wie selbstverständlich nicht unabhängig von politischen Interessen und höchst kritikwürdigen internationalen Beziehungen zu einem Urteil kommt, sondern diesen im Gegenteil folgt – nicht anders ist das von Oberstaatsanwalt Schweer proklamierte „Zeichen nach außen“ jedenfalls zu verstehen – und dazu einen vorbürgerlichen Paragraphen aus dem Strafgesetzbuch reaktiviert und zu einem Element der Sharia kompatibel macht.

Der andere Teil besteht aus der Konzession an den islamischen Mob, die über das Konstrukt der Störung des öffentlichen Friedens ins Werk gesetzt wurde. „Die Bedeutung hat sich erheblich gesteigert durch die weltpolitische Lage“, ordnete Richter Krumm den Stellenwert des Prozesses ein und verwies auf die besondere Gefährlichkeit von antiislamischen Provokationen: „Wenn man an die Presse weitergibt, was man da vor sich hin stempelt, kann das ein richtiger Orkan werden.“ Weshalb es oberste Priorität hatte, dem Ganzen so weit als möglich den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Manfred van Hove war in dieser Angelegenheit nur ein Spielball übergeordneter Interessen. Gleichzeitig nutzten sowohl das Gericht und die Staatsanwaltschaft als auch die Medien Teile seiner Vita, um dem Urteil noch eine besondere Würze zu verleihen. Kaum eine Zeitung versäumte es nämlich, den Angeklagten als „mehrfach vorbestraft“ zu charakterisieren und seine Koranrollen-Aktion so als zwangsläufigen Ausdruck besonderer krimineller Energien erscheinen zu lassen, ja, mehr noch: eine solche Art künstlerischen Spotts ganz generell als eine Form des Verbrechens zu kennzeichnen, die keine rationale Grundlage haben kann. Dass van Hoves frühere Verurteilungen völlig andere Gründe hatten und zudem etliche Jahre zurück liegen, durfte dabei nicht weiter ins Gewicht fallen, weil das den unterstellten Zwangscharakter des Verurteilten und dessen angebliche, gefährliche Unzurechnungsfähigkeit in Frage gestellt hätte.

So vermittelten nahezu alle Medienberichte über den Prozess den Eindruck, hier sei ein Schwerkrimineller seiner Profession gefolgt, noch dazu einer, der nicht mehr alle Latten am Zaun habe, weil er sich vor Gericht in Widersprüche verstrickte und sich vom Richter auch noch eine „erhebliche Verblendung“ bescheinigen lassen musste. Dass van Hove angesichts der Morddrohungen gegen ihn – die etwa die WELT mit einem hämischen „So wiegen die persönlichen Folgen seiner Tat wohl mindestens ebenso schwer wie die strafrechtlichen“ abtat – seine Verteidigung nicht mit der nötigen Ruhe vorbereiten konnte, dass er deshalb und eingedenk der aufgeheizten politischen Lage um eine Verschiebung der Verhandlung gebeten hatte, dass er von dem Gewicht, das sein Prozess erhalten hatte, zudem schlicht überfordert sein musste, dass schließlich der eigenartige Deal zwischen den Parteien vor allem Folge einer Erpressung von Staats wegen war – keine Rede von all dem, genauso wenig, wie auch nur ein einziger Journalist kritisch die unabweisbare Tatsache kommentiert hätte, dass hier ein Exempel auf einer juristischen Grundlage statuiert werden sollte, die Züge einer Regelung für den Ausnahmezustand trägt und der Sharia näher ist als dem bürgerlichen Strafrecht. Als Sahnehäubchen wurde van Hove auch noch zu verstehen gegeben, an der Gefährdung seiner körperlichen Unversehrtheit selbst die Schuld zu tragen. Das verdient nur eine Bezeichnung: pervers.

Ein Jahr auf Bewährung und 300 Sozialstunden teuer war also die Koranrolle – da aber im Vorfeld des Gerichtsverfahrens eher eine Geldbuße erwartet worden war als eine Freiheitsstrafe, hätte sich eigentlich zumindest die Frage nach der Verhältnismäßigkeit stellen müssen. Doch selbst dazu waren die meisten Medien nicht fähig, und wo sich doch einmal jemand vom drastischen Strafmaß überrascht zeigte, entstand Verwirrung. Richter und Oberstaatsanwalt hatten – etwa im Spiegel, im Kölner Stadt-Anzeiger und in der WELT – nämlich deutlich gemacht, die Strafzumessung habe einen unmittelbaren Zusammenhang „mit der aktuellen politischen Diskussion um die Mohammed-Karikaturen“ und sei daher als Signal zu verstehen. Die taz jedoch zitierte Richter Krumm, „von der bei Ersttätern üblichen Geldstrafe werde nicht wegen des aktuellen Weltgeschehens abgewichen, sondern wegen der persönlichen Vorgeschichte des Angeklagten“. Ja, was denn nun?

Vermutlich ist beides richtig: Diejenigen, die eine harte Bestrafung erwartet hatten und diese nun begrüßen – sei es aus Gründen der Bewahrung einer Friedhofsruhe, sei es in Sorge um die Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland zur islamischen Welt –, dürfen in dem Urteil gegen Manfred van Hove den gewünschten politischen Fingerzeig sehen. Der Rest kann sich damit zufrieden geben, dass hier bloß ein vorgeblich pathologischer Wiederholungstäter in die Schranken gewiesen wurde. Dadurch ist der Justiz das Kunststück gelungen, den politischen Gehalt der Causa van Hove gleichzeitig zu intensivieren und ihn durch den Verweis auf die Einzeltat eines vermeintlich geistig verwirrten Kriminellen wieder abzuschwächen. Dessen Motivation jedoch – die er auch auf diesem Blog verschiedentlich dargelegt hat – weist Manfred van Hove als jemanden aus, der vernünftige, legitime und lautere Absichten verfolgt. Doch die durften nicht zur Debatte stehen, weil sie das von vornherein gewünschte Ergebnis mindestens erschwert hätten.

Abzuwarten bleibt zweierlei. Zum einen, ob van Hove Recht behält, wenn er vermutet: „Das Gericht und die Staatsanwaltschaft werden sich noch wundern, wie ihre Entscheidung in der islamischen Welt aufgenommen wird. Dort steht auf das, was ich getan habe, der Tod. Meine Bewährungsstrafe wird dort betrachtet werden wie ein Freispruch.“ Zum anderen, wie weitere Verfahren – etwa gegen die Kölner Georg-Weerth-Gesellschaft – wegen des Verstoßes gegen den § 166 StGB infolge einer polemischen Kritik des Gotteskriegertums nach diesem Urteil ausgehen. Mit ähnlich drakonischen Strafen, steht wohl zu befürchten. Und kaum eine Stimme wird laut, genau das zu skandalisieren.

Lizas Welt (V)

90 Minuten saß er nur auf der Bank beim mageren 1:1 des FC Bayern München gegen den AC Milan am vergangenen Dienstag. Sein Trainer wollte die Offensive stärken und ließ Bixente Lizarazu daher in der Champions League draußen. Dass Liza aber nicht bloß Qualitäten in der Verteidigung des eigenen Tores besitzt, demonstrierte er letzten Samstag im Bundesligaspiel gegen Eintracht Frankfurt (5:2): Den gezielten Steilpass auf den Torschützen Paolo Guerrero vor dem 1:0 hatte nämlich er geschlagen – und das brachte ihm einen Scorer-Punkt ein.

Nach 49 Minuten war die Partie für Lizarazu dennoch zu Ende – gezwungenermaßen, wegen einer Oberschenkelverletzung. Doch im Fachblatt kicker gibt er Entwarnung: „Die Verletzung ist nicht so schlimm, am Mittwoch will ich wieder trainieren.“

Liza ist mit seinen 36 Jahren halt noch immer zäh, sowohl physisch als auch psychisch. Die Frage der Fußballzeitung nach der Schwere seiner Unzufriedenheit mit seinem Reservistendasein beim Match gegen den italienischen Spitzenklub bremst er daher entschlossen aus: „Es war für alle ein wenig frustrierend, und ich war natürlich sehr enttäuscht, weil ich nicht gespielt habe. Doch das ist vorbei, gegen Frankfurt haben wir eine gute Reaktion gezeigt.“

Der Mann hat noch was vor. Und lässt sich dabei nicht so leicht aus der Bahn werfen.

Neues aus Entenhausen

Gerhard Wisnewski ist ein investigativer Mann. Vor kurzem hat er herausgefunden, dass die erste Mondlandung 1969 bloß ein Fake war, und für den Druck dieser geistigen Minigolferei hat sich sogar ein größerer deutscher Verlag hergegeben, dessen Kalkül gleichzeitig eine Bankrotterklärung ist: Zu glauben, als ansonsten nicht völlig unseriöses Publikationshaus eine uralte und miserabel recycelte Verschwörungstheorie zum Bestseller machen zu können, setzt mindestens eine wohl begründete Annahme über den zu erwartenden Konsumentenkreis voraus, wenn nicht gar eine fundierte Marktanalyse. Das ist niederschmetternd, weil die Rechnung aufgehen dürfte. Wisnewski war nach seinem WDR-Rauswurf stark angeschlagen, bis ihm Droemer-Knaur wieder auf die Beine half.

Es ist ein zentrales Merkmal manischer Allmachtsfantasten wie Wisnewski, sich selbst als Sprachrohr einer unterdrückten Minderheit zu sehen, die angeblich das nicht sagen darf, was längst schon mehr als nur geraunt wird. Dabei können die Prominentesten dieser Lautsprecher passabel von ihrer abstrusen Weltanschauung, die allenthalben sinistre Konspirationen abgrundtief bösartiger Finsterlinge entlarvt, leben: Die angeblichen Komplotte, die sie aufzudecken glauben, sind ihre eigene Existenzgrundlage, und daher wird so ziemlich jede neue Katastrophe, jede imperialistische Schweinerei geschäftsfähig gemacht. Dieser Mechanismus ist somit exakt der, den die Verschwörungstheoretiker ihren Objekten stets vorwerfen. Wenn nicht noch ganz andere Im- und Explikationen solcherlei Dummheiten weitaus gewichtiger wären – wie etwa die projektive Energie derartiger Denunziationen und Personalisierungen –, ginge diese Feststellung bereits als hinreichender Grund dafür durch, seinen Buchhändler für den Verkauf von solch antiamerikanischem und antisemitischem Schund zu schelten.

Doch das Business mit vermeintlichen oder tatsächlichen Skandalen gedeiht umso besser, je undurchschaubarer und Furcht erregender sie zu sein scheinen. Es dauerte daher nicht lange, bis Wisnewski & Co. auch die Furcht vor der Vogelgrippe noch gezielt zu befeuern wussten. Dabei gilt es – wie stets –, die Frage cui bono? dahin gehend zu beantworten, dass es für die geflügelte Pestilenz einen wahren Schuldigen geben müsse: Das Böse braucht Namen und Anschrift, damit der Volkszorn weiß, wo und an wem er sich auszuagieren hat. Zuvor müssen jedoch Nutznießer und Profiteure benannt werden, und Gerhard Wisnewski tut dies auf seiner Website auch:
„Das, was Medien und Politik in Sachen Vogelgrippe in und um Rügen herum veranstalten, darf man wohl getrost als groben Unfug bezeichnen, wenn nicht schlimmeres. Dasselbe gilt für die Bundesregierung, die Abermillionen Euro für fragwürdige Grippemedikamente hinauswirft, an denen Leute wie Donald Rumsfeld verdienen.“
Alsdann suche man sich einen mehr oder minder prominenten Mitstreiter oder doch wenigstens Kronzeugen. In Bezug auf die Tamiflu kommt der beim Wisnewski bisher allerdings bloß aus der zweiten oder gar dritten Reihe. Es handelt sich um den SPD-Gesundheitsexperten Wolfgang Wodarg, einen Hinterbänkler, der jedoch mehr als nur ahnt, in wessen Interesse das Virus ist:
„Wodarg vermutet im Hintergrund Machenschaften bei Pharma-Unternehmen, um am Verkauf patentgeschützter Mittel zu verdienen. Man müsse sehr genau Prüfen, ob hier aus wirtschaftlichen Gründen bewusst Panik geschürt werde und ob in die Vorgänge auch Politiker verstrickt seien: ‚Wenn es so ist, dass hier wirtschaftliche Interessen planmäßig dafür sorgen, dass Panik entsteht und dass hier Geld fließt, dann ist das ein Skandal sondergleichen.’ Gleichzeitig forderte der Gesundheitsexperte, den Einsatz von Forschungsgeldern künftig sehr genau zu prüfen: ‚Ich hoffe, dass nicht diejenigen, die jetzt am lautesten schreien, jetzt große Institute bekommen, die man nachher nicht braucht.’ Es müsse in Ruhe diskutiert werden, wie die Gelder eingesetzt werden und was sinnvoll sei.“
So vermeldete es das Deutschlandradio, und so sieht es auch der Promoter des Sozialdemokraten. Wisnewski ist allerdings schon einen ganzen Schritt weiter und hat inzwischen herausgefunden, wer die Seuche eingeschleppt hat:
„Die Hinweise verdichten sich, dass das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems der Ausgangspunkt der Vogelgrippe-‚Epidemie’ auf Rügen gewesen sein könnte. Weitere Hinweise deuten darauf hin, dass es sich bei der angeblichen ‚Vogelgrippe- Epidemie’ in Deutschland um eine gezielte Inszenierung handelt.“
Konspirationstheoretiker haben stets nur vorgebliche Indizien für die Stimmigkeit ihrer Weltsicht anzubieten, bloß Hinweise, die sich verdichten oder auf etwas hindeuten. Im Falle des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) – einer Einrichtung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit Hauptsitz auf der Insel Riems bei Greifswald, die unter anderem mit der Untersuchung von Vogelgrippen-Verdachtsfällen befasst ist – sucht Wisnewski seine Verdächtigungen zusätzlich durch die Berufung auf den bis dato nicht weiter aufgefallenen Zentralverband europäischer Laufentenhalter (ZEL) zu untermauern, der sich „als eigenständige Interessenvertretung für die Halter indischer Laufenten und ihrer Schützlinge“ versteht und für den sein Lieblingstier sozusagen der Arier unter den gefiederten Freunden ist: „Die steil aufrechte Körperhaltung gilt als hochvererbbares Rassemerkmal. [...] Laufenten sind gut zu Fuß und brauchen einen großen Auslauf.“

Diese 255 Mitglieder umfassende Edelfedernlobby – deren erste Vorsitzende passender Weise auch noch auf den Namen Alexandra Vogel-Reich hört – hat nun in Wisnewski einen neuen Anhänger gefunden, weil sie ungefähr so umtriebig ist wie ihre Schutzbefohlenen, sich daher „etwas näher mit den Meeresströmungen zwischen den Inseln Riems und Rügen“ befasst und festgestellt hat, dass diese „von dem Seucheninstitut auf Riems aus südwestlich an Rügen vorbei direkt zu den Fundorten der infizierten Vögel bei Ummanz und Bug auf Rügen führen“. Das brisante und von aufwändigen Grafiken begleitete Fazit des Entenvereins lautet also:
„Es ist extrem auffällig, dass diese dokumentierten Fundorte in unmittelbarer Nähe des FLI und davon ausgehend in Nordrichtung mit der dort vorherrschenden leichten Meeresströmung an der Westküste Rügens entlang liegen.“
Nichts Genaues weiß man zwar nicht, aber man wird ja wohl noch Fragen formulieren und Vermutungen anstellen dürfen, zumal, wenn es um die Volksgesundheit geht, die von der Pharmaindustrie und einem Bundesinstitut samt exterritorialer Profiteure absichtsvoll in Gefahr gebracht werde. Von dort aus ist der Sprung dann nicht mehr weit zu jenen, von denen man schon immer wusste, dass sie professionelle Brunnenvergifter sind. Man könnte diese Panikmache mit kranken Vögeln als Hitchcock für Arme belächeln oder sie bei Micky Maus und dem Kommissar Hunter am besten aufgehoben wähnen, die die Machenschaften des stinkreichen Onkel Dagobert mal so richtig durchleuchten mögen – wenn solcherlei Wahnvorstellungen nicht einen veritablen Resonanzboden hätten. So mutiert die Unsicherheit der Wissenschaft bei der Klärung der Frage, wie das H5N1-Virus nach Deutschland gekommen ist und welche Schritte gegen es wirksam sind, zum Ausdruck eines geheimen Plans der Schönen, Reichen und Mächtigen dieser Welt, die den ungeliebten Pöbel mittels einer bewusst herbeigeführten Pandemie auszudünnen trachten. Konsequenter Weise lautet denn auch Wisnewskis Rat: „Lassen Sie sich besser mal nicht ‚gegen’ die Vogelgrippe infizieren bzw. ‚impfen’.“

Mag sein, dass Sie das tatsächlich nicht gegen die Seuche immun macht – man forscht ja auch noch nach einem geeigneten Gegenmittel. Aber ein kleiner Trost bliebe Ihnen immerhin: Wisnewski & Friends sind definitiv unheilbar. Deren Dummheit nämlich lässt sich, wie schon der Kindermund weiß, auch nicht mit Pillen aus der Welt schaffen, sondern höchstens ein- respektive ausgrenzen. Allerdings nicht durch Aufstallung, sondern – günstigstenfalls – durch Aufklärung.

26.2.06

Das ultimative Karnevalskostüm

Zugegeben, Karneval ist nicht eines jeden Menschen Sache. Wer sich jedoch – aus welchen Gründen auch immer – gerne ins närrische Treiben stürzt, wird dies mutmaßlich nicht unverkleidet tun. Angesichts der eindringlichen Warnungen selbst ernannter Faschingsautoritäten vor Späßen mit der Religion des Friedens™ (denen augenscheinlich auch noch gehorsam Folge geleistet wird) hätte es sich daher angeboten, mit dem schicken rot-weißen Prophetentchen-Shirt in Kneipen und bei Umzügen zu reüssieren oder andere kostümierte Formen des Spotts über den Islam zum Besten zu geben.

Eine weitere gute Möglichkeit, sich den Weisungen der institutionalisierten Oberjecken zu verweigern, ist übrigens auch für Kurzentschlossene noch umzusetzen und darüber hinaus ausgesprochen preiswert zu bewerkstelligen. Hier sind die Ingredienzen des Karnevals-Danebrogs:

– 1 T-Shirt, rot
– 1 Rolle Klebeband, weiß
– 1 wasserfester Edding, schwarz

Optional:
– 1 Schnürsenkel
– 1 Fünf-Kronen-Münze (die mit dem Loch in der Mitte)

Gesellen Sie sich damit möglichst zu Menschen, die ihre Frohnatur mit Bush- oder Merkel-Masken zu drapieren wissen. Oder die ihre universelle Religionskritik per Papst-, Nonnen- oder Mönchskostüm demonstrieren. Testen Sie die rheinische Toleranz! Mehr als olle Kamellen werfen Ihnen die Leute schon nicht an den Kopf. Auch nicht in der fünften Jahreszeit.

24.2.06

Provinzgericht & Weltpolitik

Seit er vor einem dreiviertel Jahr im westfälischen 14.000 Seelen-Städtchen Senden mit dem Vertrieb von Toilettenpapierrollen, deren Blätter mit einem Koran-Stempel bedruckt waren, Spenden für ein Mahnmal für die Opfer des islamistischen Terrors sammeln wollte, hat der 61-jährige Manfred van Hove keine Ruhe mehr. Er sieht sich fortwährenden Morddrohungen ausgesetzt und fand in seinem Briefkasten einmal sogar eine Pistolenpatrone, schläft schlecht und lebt in ständiger Angst um seine körperliche Unversehrtheit. Das Amtsgericht Lüdinghausen verurteilte van Howe am gestrigen Donnerstag gleichwohl zu einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und 300 Sozialstunden wegen Verstoßes gegen den § 166 StGB. Lizas Welt bat ihn per E-Mail um ein Interview, und van Hove meldete sich daraufhin telefonisch.


Lizas Welt: Ein Jahr auf Bewährung wegen der Koranrolle – haben Sie mit einer Verurteilung, gar mit einem solch drastischen Urteil gerechnet?

Van Hove: Die Entscheidung war letztlich das Ergebnis eines Deals zwischen meinem Verteidiger, dem Oberstaatsanwalt und dem Richter. Wenn ich dem nicht zugestimmt hätte, wäre ich zu einer Gefängnisstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. Das hatte der Richter bereits unmissverständlich angekündigt. Das Verfahren war ein Geschäft, nichts weiter. Man hat mir die Folterwerkzeuge gezeigt und die Bereitschaft, sie anzuwenden. Herausgekommen ist eine Lösung, mit der alle ihr Gesicht wahren können.

Das klingt eher nach Erpressung.

Ich hatte keine andere Wahl, wenn ich meine Existenz nicht ruinieren wollte. Ich hätte mit dem Kopf durch die Wand gehen, mich zu einer Haftstrafe verurteilen lassen und anschließend in die Berufung gehen können. Mindestens bis zur Berufungsverhandlung hätte ich dann allerdings hinter Gittern gesessen. Und ob das Urteil schließlich kassiert worden wäre, ist mehr als fraglich. In solchen Situationen muss man nicht den Märtyrer spielen. Ein Rohr, das sich nicht biegt, bricht.

In den Medien war der Prozess gegen Sie durchaus ein beachtetes Thema. Wie viel war denn los in Lüdinghausen?

Gestern war die große weite Welt zu Gast in der westfälischen Provinz: Jede Menge Polizei, ein riesiges Presseaufgebot, alles war abgesperrt. Das Schöffengericht ist die höchste Instanz, das es im ländlichen Westfalen überhaupt gibt. Welche Bedeutung der Verhandlung beigemessen wurde, konnte man aber auch daran erkennen, dass sie extra einen Oberstaatsanwalt aus Münster eingeflogen hatten. Das war so einer vom ganz alten Schlag, rigoros und kompromisslos. Der Richter hingegen war noch recht jung und sichtlich überfordert mit der ganzen Angelegenheit. Aber er hat das große Interesse auch sehr genossen und sich offenbar bei seiner Berufsehre gepackt gefühlt. An diesem Gericht verhandelt man ja sonst eher solche Kleinigkeiten wie Falschparken.

Im Kölner Stadt-Anzeiger wird der Oberstaatsanwalt mit den Worten zitiert, Sie hätten ein „Geständnis“ abgelegt, das nur „unter dem Druck der Beweisaufnahme“ zu Stande gekommen sei. Das hört sich nach einem regelrechten Tribunal gegen Sie an.

Die so genannte Beweisaufnahme war ein Witz. Der Richter meinte, eigentlich hätte er alle Imame und Vorsitzenden der Moscheen und Kulturvereine als Zeugen laden müssen, an die ich ein Blatt mit dem Stempel geschickt hatte. Aber was meinen Sie, was dann los gewesen wäre? Die wären ja nicht alleine gekommen, sondern hätten noch einen ganzen Schwarm Beleidigter mitgebracht. Und dann hätte hier alles Kopf gestanden und außerdem das Amtsgericht für mehrere Monate komplett lahm gelegt. Auch meinen Vorschlag, Experten zum Thema Islam zu befragen, wies das Gericht zurück. Aber auch so war das Ganze noch mehrere Nummern zu groß für so ein Amtsgericht in der Provinz.

Hinzu kommt der Zeitpunkt der Verhandlung...

Ich hatte noch letzte Woche beantragt, den Prozess um drei Monate zu verschieben, weil aus meiner Sicht ein rechtsstaatliches Verfahren derzeit einfach nicht möglich ist, weil wir auf einem Pulverfass sitzen. Denn das Ganze ist im Moment noch mehr ein Politikum als ohnehin schon, und es steht auch viel mehr im Mittelpunkt des Interesses als in ruhigeren Zeiten. Der Iran hatte meine Aktion ja schon seinerzeit ganz offiziell mit einer diplomatischen Note an das Auswärtige Amt verurteilt und Maßnahmen gefordert, und das hatte natürlich einen maßgeblichen Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens, weil man den kritischen Dialog auf keinen Fall gefährden wollte. Seit Ahmadinedschad Präsident ist, steht der Iran außerdem noch mehr im Mittelpunkt des Interesses, und er droht mit einem Atomkrieg. Hinzu kommen die Ausschreitungen nach dem Bekanntwerden der Karikaturen in Jyllands Posten und die Abwiegelei und Verständnisheischerei in Europa. In einer solchen Situation konnte ich keinen fairen Prozess erwarten. Es war abzusehen, wie das Gericht entscheiden würde. Davon abgesehen war ich aufgrund der ständigen Morddrohungen und der damit verbundenen Angst einfach nicht in der Lage, mit meinem Anwalt eine vernünftige Verteidigungsstrategie vorzubereiten. Die Verhandlung hätte also unbedingt verlegt werden müssen.

Der Richter sagte nach der Urteilsverkündung: „Die Bedeutung hat sich erheblich gesteigert durch die weltpolitische Lage.“ Und der Oberstaatsanwalt meinte, es sei ein „deutliches Zeichen nach außen gesetzt worden“. Da hat ein Provinzgericht Weltpolitik gespielt, oder?

Wie schon gesagt: Sie haben es sichtlich genossen, im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen. Die Öffentlichkeit hat vom Gericht eine Verurteilung erwartet, und dieser Erwartung ist es nachgekommen. An mir sollte ein Exempel statuiert werden; ich war sozusagen ein Präzedenzfall, an dem sich weitere Strafverfahren orientieren werden. Ein ähnliches Urteil hat es in der deutschen Nachkriegsgeschichte noch nicht gegeben. Ich habe noch während des Verfahrens versucht, dem Richter deutlich zu machen, dass für den Islam das Gleiche gelten muss wie für das Christentum auch: dass man ihn nämlich verspotten darf, ohne sich dafür gleich vor Gericht rechtfertigen zu müssen und verurteilt zu werden. Um das zu untermauern, habe ich ihm einen Bericht über ein Theaterstück vorgelegt, in dem Jesus als Begründer der Sado-Maso-Szene dargestellt wird. Die Aufführung wurde mit 50.000 Euro aus öffentlichen Mitteln gefördert...

Wird das Urteil über die Grenzen Deutschlands hinaus Auswirkungen haben?

Das Gericht und die Staatsanwaltschaft werden sich noch wundern, wie ihre Entscheidung in der islamischen Welt aufgenommen wird. Dort steht auf das, was ich getan habe, der Tod. Meine Bewährungsstrafe wird dort betrachtet werden wie ein Freispruch, obwohl es überhaupt keiner war. Wenn schon ein paar Karikaturen in einer kleinen dänischen Zeitung solche Unruhen auslösen, kann man wohl auch nicht ausschließen, dass die Leute dort Sturm dagegen laufen, dass ich jetzt nicht wenigstens sitzen muss. Und dies umso mehr, als der Richter das Anschreiben zu dem Versand des Toilettenpapiers mit dem Stempelaufdruck gar nicht beanstandet hat: „Der Koran, das Kochbuch für Terroristen“ sei eine rechtlich zulässige Religionskritik. Hätte ich das Ganze auf eine Leinwand gepinselt, statt es auf Klopapier zu stempeln, wäre ich vermutlich ohne Strafe davon gekommen.

War der Prozess gegen Sie also ein politischer?

Eindeutig ja. Ich bin mir sicher, dass vor allem der Staatsanwalt Direktiven „von oben“ bekommen hat, wie er sich verhalten soll. Hier ging es um die Staatsräson, um die Beziehungen zur islamischen Welt, insbesondere zum Iran – das zeigte ja schon dessen diplomatische Eingabe. Ein Freispruch stand überhaupt nicht zur Debatte, zumal man mit Sicherheit befürchtete, dass die Randale dann von neuem losgehen und sich gegen deutsche Einrichtungen in arabischen Ländern richten würde. Ich habe lange genug dort gelebt, um zu wissen, was der Islam ganz real verursacht. Und hierzulande hat die Gesellschaft noch keinen adäquaten Umgang mit diesem Problem gefunden. Man sieht das ganz aktuell auch beispielsweise an den unsicheren Reaktionen auf den Film Das Tal der Wölfe. Abgesehen davon liegt der Koranvers, den der Mörder Theo van Goghs an seinem Opfer befestigt hatte, immer noch in jeder Moschee aus. In der Allgemeinheit scheint sich die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass wir in Bezug auf das Verhältnis zum Islam an einem kritischen Punkt angekommen sind. Die Frage, wie das Problem zu handhaben ist, hat einen innerlichen Riss in der Gesellschaft verursacht. Auf der einen Seite steht das Lager derer, die meinen, man könne die Moslems durch Zugeständnisse und einen deutlich gezeigten Kulturrelativismus soweit ruhig stellen, dass sie zumindest nicht gewalttätig werden. Auf der anderen Seite steht das Lager derer, die erwarten, dass sich die Moslems zumindest in Europa auf uns zu bewegen, und die sich durch die latente Gewaltbereitschaft nicht erpressen lassen wollen. Ich bin in diesem Verfahren zwischen diese beiden Fronten geraten und hatte das Pech, in die Fänge der falschen Seite geraten zu sein. Mit Feinden der eigenen politischen Linie ist man noch nie zimperlich umgegangen, wenn man sie als hilfloses Opfer vor die Flinte bekommt.

Und was wird aus dem geplanten Mahnmal für die Opfer des Islamismus, für das Sie mit den Koranrollen Spenden sammeln wollten?

Das wird gebaut. Juristisch nach allen Seiten abgesichert, versteht sich.

Verkehrsschilder zu Danebrogs!

Wenn es darum geht, sich zu verteidigungswürdigen Einstellungen, Haltungen, ja Werten zu bekennen, wird gerne ein Imperativ bemüht, der an die Symbolkraft und Demonstrativität eines Stückes Stoff anknüpft: Flagge zeigen! Zumeist ist das nicht unbedingt wörtlich, sondern eher appellativ gemeint; manchmal jedoch tut man gut daran, den Aufruf im Wortsinne umzusetzen.

Angesichts der militant antidänischen Manifestationen fand das auch Aram Ockert, wohnhaft im Hamburger Stadtteil Altona. Also orderte er Anfang Februar dieses Jahres zehn Mal den Danebrog – die dänische Fahne –, zog einen bei sich zu Hause auf und fand für die verbleibenden neun in seinen Nachbarn begeisterte Abnehmer. Doch eine solche Aktion bedarf einer größeren, den privaten Bereich überschreitenden Öffentlichkeit, wenn sie eine Wirkung zeigen soll, die ihren Namen auch verdient. Daher richtete Ockert schriftlich einen Vorschlag an den Altonaer Bezirksbürgermeister Hinnerk Fock (FDP):
„Wenn der Danebrog in einigen islamischen Ländern brennt und als Fußabtreter benutzt wird, so muss man kein Freund der Dänen sein und auch kein Christ, der das Symbol seiner Religion geschändet sieht, um auf die Idee zu verfallen, symbolisch der dänischen Flagge die Ehre zu erweisen, indem man sie auf Altonas öffentlichsten Gebäude, dem Rathaus, hisst. Altona ist nicht nur eine alte dänische Stadt, die erst im 133. Jahr wieder deutsch ist, sie ist auch traditionell eine liberale Stadt, der Toleranz und der Freiheit verpflichtet. Das sollte ausreichen, um mit den angegriffenen Dänen solidarisch zu sein.“
Doch wie wenig das eigentlich Selbstverständliche tatsächlich unhintergehbar ist, machte die Antwort des Amtsvorstehers rasch deutlich. Fock (Foto rechts) wies das Ansinnen nämlich zurück. Er wolle „nicht noch weiteres Öl ins Feuer gießen“, beschied er Aram Ockert telefonisch, und mehr noch: Beim Lesen von dessen Schreiben sei ihm, Fock, der Gedanke gekommen, „dass so Kriege beginnen“. Ergo: „Eskalation ist für mich in der derzeitigen Situation ein falscher Weg.“ So spricht ein gewählter Bezirksbürgermeister, der sich selbst gewiss in der Tradition von Liberalität und Aufklärung verorten würde, dem diese Errungenschaften jedoch in einer Situation, in der ihre kompromisslose Verteidigung besonders bedeutsam wäre, allen Ernstes zu einem Mittel werden, das eine „Eskalation“ heraufbeschwöre. Ockert gab sich mit solcherlei Unfug denn auch nicht zufrieden und ließ Hinnerk Fock ein weiteres Schreiben zukommen, mit dem er seinen Bürgermeister zudem dezent darauf hinwies, dass dessen Verweigerungshaltung einem reichlich merkwürdigen Menschenbild folgt:
„Wer von uns beiden [hegt] eigentlich die schlimmeren Befürchtungen im Hinblick auf die bei uns beheimateten Muslime: Ich, der ich von meinem Bezirk erwarte, dass er den Bekenntnissen zur besonderen Beziehung mit Dänemark in Zeiten der Stürmung dänischer diplomatischer Vertretungen, dem Verbrennen dänischer Flaggen und der Ankündigung wild gewordener Muslime, wonach jeder Däne ist ein Anschlagsziel sei, Taten der Solidarität folgen lässt und sich damit negativ auf brutalisiertes und unzivilisiertes Treiben fanatisierter Muslime bezieht, oder sind es Sie, der mit der These vom Öl-ins-Feuer-Gießen ja unterstellt, unsere Altonaer Muslime fühlten sich durch den islamischen Mob eher repräsentiert als abgestoßen und würden daher die Solidarität mit Dänemark in der Tendenz als Angriff auf sich selbst empfinden?“
Auch zu der abstrusen Vorstellung Focks, das Hissen des Danebrogs könne einen Krieg heraufbeschwören, hatte Ockert Hellsichtiges auszuführen:
„Wenn Sie so wollen, ist dies der Wunsch, Krieg zu führen: Krieg gegen eine Vorstellung von Pluralität, die für das Nebeneinander von Unvereinbarem eintritt. Entweder aus Angst vor dem Konflikt, der romantischen Verklärung des Anderen oder aus apartheidsähnlichen Vorstellungen heraus. Krieg für die Idee einer Gesellschaft von prinzipiell Gleichen, ausgestattet mit unveräußerlichen Rechten, die der tragende Gedanke für das Gemeinwesen sind und eben nicht Religion oder Ethnie. Dieser Krieg wird aber nicht mit Gewehren, sondern mit der Einnahme einer republikanischen Haltung geführt, verbunden mit der Einladung, dieser Haltung beizutreten. Die Kehrseite ist, dass dem Angebot zur Integration auch die Drohung mit Ausgrenzung innewohnt. Das aber ist offenbar heute nicht mehr selbstverständlich, dass formuliert wird, was geht und was nicht, jedenfalls nicht von Seiten des Bürgertums. Der Citoyen als das Gemeinwesen gestaltender Bürger scheint einer aussterbenden Art anzugehören bzw. akzeptiert er es, dass immer größer werdende Teile des Gemeinwesens der demokratischen Penetrierung entzogen sind.“
Es nützte nichts; Fock blieb bei seiner Ablehnung. Erstaunlich eigentlich angesichts der Tatsache, dass noch im Sommer vergangenen Jahres das Altonale Sommerfest in Zusammenarbeit mit dem dänischen Generalkonsulat und eben dem Altonaer Bezirksbürgeramt über die Bühne gegangen war – und den Länderschwerpunkt Dänemark hatte. Ein knappes dreiviertel Jahr später wollte der Bürgermeister davon jedoch offenkundig nichts mehr wissen.

So blieb Aram Ockert nur die Intensivierung seiner begrüßenswerten Eigeninitiative: Ein Aufkleber mit dem Danebrog und der Aufschrift „Flagge zeigen“ ziert inzwischen hundertfach einige Hamburger Straßen; hinzu kam ein Flyer, der in einer Auflage von 3.000 Stück produziert wurde und zur Solidarität mit Dänemark aufruft:
„Ob es einem nun passt oder nicht, die Pressefreiheit und mit ihr die Meinungs- und Bekenntnisfreiheit trägt zurzeit rotweiß. Der Danebrog steht im jetzigen Moment für Toleranz und Aufgeklärtheit. Nicht, weil dies die beste Beschreibung der innenpolitischen Realität von Dänemark wäre, sondern weil die, die für das Gegenteil stehen, die dänische Flagge verbrennen.“
Die Altonaer Lokalpresse, immerhin, nahm sich des Themas an, und die meisten der immer noch eintrudelnden, inzwischen zahlreichen Leserbriefe, etwa an das Altonaer Wochenblatt, haben die Tendenz: Fock ist ein Feigling. Exemplarisch dafür steht die Zuschrift einer Bahrenfelder Bürgerin vom 22. Februar 2006, die befand: „Mit gespitzten Lippen bekennt sich der Bezirksamtsleiter Fock zur Meinungsfreiheit, um dann kein garstig Lied zu pfeifen.“

Wie man mit weiteren, wenig aufwändigen Mitteln und auf eine recht originelle Weise seinem Stadtteilvorsteher (und nicht nur dem) deutlich macht, was derzeit geboten ist, zeigen die hier versammelten Fotos: Manchmal benötigt ein Plädoyer für Aufklärung und Vernunft bloß einen weißen Klebestreifen. Dafür hat Altona den ersten Preis im Wettbewerb „Unsere Stadt soll schöner werden“ verdient – auch wenn sich Hinnerk Fock bei dessen Entgegennahme ziemlich unwohl fühlen dürfte.

Aram Ockert wiederum gebührt der Danebrog am Bande, erster Klasse.

23.2.06

Sharia in Westfalen

Es stand zu befürchten, dass das Amtsgericht Lüdinghausen der Anklage gegen Manfred van Hove folgen und ihn im heutigen Prozess wegen der Verbreitung der Koranrolle verurteilen würde. Der Spiegel etwa erwartete die Verhängung einer Geldstrafe. Doch das Urteil fiel noch drastischer aus: Ein Jahr auf Bewährung, ausgesetzt auf fünf Jahre, und zusätzlich noch 300 Sozialstunden.

Diese Entscheidung als Skandal zu bewerten, wäre noch eine schamlose Untertreibung. Und nicht genug damit, dass die Anklageerhebung wesentlich aufgrund einer diplomatischen Note der Islamischen Republik Iran erfolgte – auch das Gericht machte unmissverständlich klar, dass sein Urteil Präzedenzcharakter hat, wie der Spiegel berichtet:
„Das Strafmaß sei auch im Zusammenhang mit der aktuellen politischen Diskussion um die Mohammed-Karikaturen zu betrachten, sagte Richter Carsten Krumm. [...] ‚Die Bedeutung hat sich erheblich gesteigert durch die weltpolitische Lage.’ [...] Richter Krumm sprach von einer ‚erheblichen Verblendung’ bei dem 61-Jährigen. [...] Auch der Oberstaatsanwalt betonte, mit der Strafzumessung sei ein ‚deutliches Zeichen nach außen gesetzt worden’.“
Wer es im Vorfeld übertrieben fand, von einer drohenden Sharifizierung des Strafrechts zu sprechen, dürfte spätestens heute eines Schlechteren belehrt worden sein: Wenn sich ein Richter bei der Urteilsfindung und -begründung explizit auf die „weltpolitische Lage“ beruft, dem Angeklagten „Verblendung“ (!) vorwirft und ein Oberstaatsanwalt zufrieden befindet, mit der Bewährungsstrafe sei ein „deutliches Zeichen gesetzt worden“, folgt die Rechtsprechung der gesellschaftlich hegemonialen Islamophilie, reaktiviert einen vorbürgerlichen Paragraphen und unterbindet so rigoros die dringend notwendige Kritik des Gotteskriegertums. Ob diese mit einer Aktion wie dem Verteilen von Koran-Toilettenpapier künstlerisch hinreichend geschmackvoll umgesetzt worden ist, spielt dabei, wie van Hove selbst sagt, keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass die – auch polemische – Auseinandersetzung mit dem Islam justiziabel geworden ist. Und das ist nicht nur für den Angeklagten eine ausgesprochen schlechte Nachricht.

Ergänzende Links:
Interview mit Manfred van Hove
Kommentar zum Prozessausgang und seinen Folgen

Brothers in Crime

Es gibt Zeiten, da werden die Kräfte der Vernunft einer ziemlich harten Belastungsprobe unterzogen – mehr als ohnehin schon. Im Moment ist es wieder mal so weit. Statt jede Diskussion über Cartoons, die nichts weiter getan haben, als ein Fabelwesen zu verbildlichen, höflich, aber bestimmt zurückzuweisen und das Selbstverständliche unter keinen Umständen in Zweifel ziehen zu lassen, sorgt man sich in nicht wenigen europäischen Ländern um den öffentlichen Frieden und dreht an der Schraube der Regression. Ob hier – was schon schlimm genug wäre – bloß falsche, aber widerrufbare Konzessionen gemacht werden oder nicht doch eine mehr als bedenklich stimmende Islamversteherei aus schierer Überzeugung betrieben wird, die weit schwieriger zu korrigieren wäre, ist noch nicht endgültig ausgemacht – auch wenn der Trend eher in die Richtung des Letztgenannten geht.

Diejenigen, die in der Öffentlichkeit auch nur zaghaft das Recht verteidigen, sich zum Islam so blasphemisch verhalten zu dürfen wie anderen Religionen gegenüber auch, stehen jedenfalls unter einem absurden Rechtfertigungsdruck. Verständnis ist angesagt – einer nicht eben geringen Zahl an Menschen gegenüber, denen ihre aufklärungsfeindliche Begeisterung für eine zutiefst reaktionäre Angelegenheit Zurichtung und Selbstzurichtung zugleich ist. Diese eigenartige Spielart von Toleranz & Respekt hält jedoch gleichzeitig an Zuschreibungen fest, die nicht zuletzt deshalb so gefährlich sind, weil sie einem regressiven Bedürfnis nach Ursprünglichkeit und Vermittlungslosigkeit entspringen, das nicht mehr vernunftbestimmt ist. Darüber hinaus rubriziert man dadurch zwangsläufig auch diejenigen unter die Kategorie Muslim respektive Muslima, die das gar nicht wollen, sondern sowohl dem Islam als auch ihrer Ethnifizierung gerade zu entfliehen versuchen.

Was auch immer den italienischen Reformminister Roberto Calderoli bemüßigt haben mag, in einer TV-Sendung unter seinem Hemd ein T-Shirt hervorgucken zu lassen, auf dem eine der Jyllands Posten-Karikaturen abgebildet war: Der Schritt an sich ist nicht kritikabel. Die Cartoons stellen keine rassistische Invektive dar und sind auch nicht als solche zu missbrauchen. Dass Calderoli zurücktreten musste, weil er sich– kurios genug – als Minister ganz offensichtlich gegen die Staatsräson gestellt hatte, ist schlicht nicht einzusehen.

Derweil werfen sich die italienischen Linken in Pose und nutzen die Gunst der Stunde. Mauro Bertini ist einer von ihnen. Denn er ist kommunistischer Bürgermeister der knapp 60.000 Einwohner zählenden Stadt Marano bei Neapel. Nicht so schrecklich bedeutsam vielleicht, aber Bertini weiß sich in Szene zu setzen: Die Nachrichtenagentur APA berichtete gestern, er habe „sich bei einer pro-palästinensischen Kundgebung am Wochenende in Rom kritisch über Israel geäußert“. Was Israel-kritisch meint, wenn ein deutscher oder, wie in diesem Fall, österreichischer Meldedienst davon schreibt, davon kündet das folgende Zitat von Bertini: „Der Staat Israel ist wie eine Faust in den Magen der Menschheit. Man könnte darauf gern verzichten.“

Dass sich diese Sätze nicht nur anhören wie „Die Juden sind unser Unglück“, sondern diesen 1879 getätigten Ausruf des Berliner Geschichtsprofessors Heinrich von Treitschke geradezu paraphrasieren, liegt an dem antizionistisch camouflierten Antisemitismus, der aus den Worten des linksradikalen Kleinstadtbürgermeisters spricht und der ein Bindeglied zwischen Linken und Islamisten ist. Nach Bertinis Rücktritt rief hier allerdings niemand. Der Präsident der jüdischen Gemeinschaft in Italien, Amos Luzzatto, forderte lediglich eine Entschuldigung und dürfte dabei geahnt haben, was er auslösen würde, wenn er die Demission des Stadtoberhauptes verlangt hätte – was die Sache noch übler macht. Der Präsident der italienischen Abgeordnetenkammer, Pier Ferdinando Casini, mochte ebenfalls keine unmittelbaren Konsequenzen einklagen, stellte aber klar: „Die Worte Bertinis sind skandalös. Ich entschuldige mich bei Israel für diese Aussagen.“

Doch Bertini ist nicht der einzige Linke, der kurz vor den italienischen Parlamentswahlen am 9. April 2006 zu denjenigen gehört, die in den Medien, immerhin, als Skandalkandidaten gehandelt werden, nachdem Kammerpräsident Casini die Parteien aufgefordert hatte, ihre Listen um besonders unangenehm Auffällige zu dezimieren. Rifondazione-Kandidat Marco Ferrando etwa hatte den Anschlag auf das italienische Hauptquartier im irakischen Nassiriya, bei dem im November 2003 siebzehn italienische Soldaten und zwei Zivilisten ums Leben gekommen waren, als legitime „Widerstandsaktion“ klassifiziert. Sein Parteigenosse Francesco Caruso sekundierte: „Ich verurteile die Selbstmordattentäter im Irak nicht.“ Auch sie seien „Widerstandskämpfer gegen die amerikanische Besatzung im Irak“.

Die politische Großwetterlage auf der Halbinsel stellt sich also finster genug dar – und zu allem Überfluss kommt hinzu, dass in italienischen Fußballstadien seit Jahren besonders widerwärtige Manifestationen zu beklagen sind. Zu nennen wären hier ist erster Linie die beiden römischen Erstligisten Lazio und AS respektive deren Anhängerschaft. Vor allem die Lazio-Ultras schaffen es immer wieder mit übelsten antisemitischen Aktionen in die Schlagzeilen. Bereits 1999 hatten sie beim Stadtderby ein riesiges Transparent auf der Tribüne platziert, auf dem geschrieben stand: „Auschwitz la vostra patria, i forni le vostre case!“ („Auschwitz ist eure Heimat, die Öfen sind euer Zuhause!“) Ihr Held ist der Spieler Paolo di Canio, der nach Toren oder Auswechslungen gerne mal den Hitlergruß entbietet und zudem entsprechende Gesinnungstatoos auf seinen Oberarmen trägt. Doch die Fans des Lokalrivalen AS Rom holen kräftig auf: Beim Spiel ihres Teams gegen den linken Vorzeigeverein Livorno entrollten sie kürzlich ein Spruchband mit der Aufschrift: „Lazio – Livorno, stessa iniziale, stesso forno“ („Dieselben Initialen, dieselben Öfen“). Hinzu kamen zahllose Hakenkreuzfahnen und allerlei andere faschistische und nationalsozialistische Devotionalien sowie heftige Ausschreitungen beim Spiel. Dem AS Rom brachte das zwar eine Platzsperre ein, aber das Problem besteht dessen ungeachtet natürlich fort.

Als lobendes Gegenbeispiel wird in diesem Zusammenhang nicht nur bei den Linken der bereits erwähnte Underdog aus Livorno gesehen. Dessen Fans schwenken im Stadion rote und Che Guevara-Fahnen, verehren Hammer & Sichel und sprühen Stalin-Parolen an Wände und Mauern. Zudem haben sie mit Cristiano Lucarelli sozusagen einen der ihren in der Mannschaft: Er läuft mit der Rückennummer 99 auf – die an das Gründungsdatum der inzwischen verbotenen Ultra-Vereinigung Brigate Autonome Livornese erinnern soll –, er widersteht den Verlockungen des großen Geldes und verlautbart kämpferische Parolen. Die Anhänger des Teams fühlen sich als Unterdrückte, als Außenseiter, aber sie kultivieren diese Rolle und wähnen sich als letzte Aufrechte im Kampf gegen unbarmherziges Business und Nazis im Stadion.

Dabei ist so manche mit den Rechten geschlagene Schlacht mehr eine Abrechnung unter Schurken denn Ausdruck eines elementaren Widerspruchs. Denn Juden und Amerikaner mögen weder die einen noch die anderen. Und so ekelhaft die antisemitischen Transparente römischer Fans sind, so abstoßend fällt die Antwort der Livorneser Ultras aus. Als sie bei einem Heimspiel ihrer Mannschaft gegen Lazio die gereckten Arme der Römer sahen, packten sie ein Banner aus. Die obszöne Aufschrift: „Ricordare l’Olocausto per condannare Israele! Palestina libera!” („Den Holocaust erinnern, um Israel zu verurteilen! Freiheit für Palästina!“) Und was war zwischen diesen beiden Forderungen aufgemalt? Ein Hakenkreuz, in einem weißen Kreis auf rotem Grund.

Brothers in crime. Gegensätze sehen anders aus.

22.2.06

Cartoonists strike back!

Es gab mal eine Zeit, in der so ziemlich jeder, der sich einigermaßen fortschrittlich dünkte, Plädoyers für die Multikulti-Gesellschaft zu halten sich berufen fühlte. Meist war solcherlei Bekunden Ausdruck einer oppositionell daherkommenden Geisteshaltung, die sich gegen eine rigide Ausländer- und Migrationspolitik unionsgeführter Bundesregierungen richtete und mit dem mahnenden Einfordern von Toleranz, Respekt, Verständnis für das Andere und weiteren Sehnsüchten nach Urwüchsigkeit und Authentizität einher ging. Dieser rasch zur Gesinnung geronnene Wunsch nach Vielvölkerstaat und bunter Welt hatte mit aufgeklärtem Universalismus nicht viel am Hut, umso mehr dafür jedoch mit der nicht bloß heimlichen Bewunderung der edlen Wilden zu tun, als die man sich Immigranten und Exilanten vorzugsweise zurechtlegte.

Wer nicht gerade die eingewanderten Kämpfer der Peripherie als Außenposten der antiimperialistischen Front und somit als das neue revolutionäre Subjekt verklärte, wurde in Friedensgrüppchen, Kirchenkreisen oder Bürgerinitiativen hemdsärmelig und fand bald seine parlamentarische Vertretung bei den Grünen. Das, was heute unter gründliche Zivilisierung der postnazistischen Gesellschaft firmiert, ist maßgeblich deren Werk und damit das eines nicht unwesentlichen Teils der Achtundsechziger. In ihrem Kampf nicht bloß gegen den inzwischen mindestens klinisch toten Stahlhelmflügel der CDU haben sie es geschafft, einen jämmerlichen Kulturrelativismus hegemonial werden zu lassen, der Nichtdeutsche weiterhin als Objekt begreift, als sanguinale Angehörige von ethnischen Kollektiven, aber nicht als Individuen. Als guter Deutscher ist man heute einfach kein Nazi mehr und hat dafür die allzu anrüchige Kategorie Rasse durch die der Kultur ersetzt, die gleichwohl nicht minder stigmatisierend und homogenisierend ist.

Auf dieser Grundlage gedeiht – bei aller Furcht vor dem Fremden – das Verständnis für autochthone Veranstaltungen wie den Islam, zumal man durchaus ideologische Kongruenzen mit ihm sieht. Zwar stellen sich etwa der Iran oder ein prospektiver palästinensischer Staat nicht unbedingt als makellose Vorbilder dar, aber man hat in Israel und den USA, nun ja, zumindest gemeinsame Feinde und projiziert zudem gerne den Traum von einer interessenübergreifenden, krisen- und konfliktfreien Gemeinschaft auf das, was man für in der Umma zusammengeschlossene, kämpfende Völker hält. Ayaan Hirsi Ali, Necla Kelek und Seyran Ates verwahren sich seit langem gegen diese Zumutungen und das daraus erwachsende Verständnis noch für die verbrecherischsten Züge des Islam.

Sie sind die vielleicht Prominentesten, aber nicht die einzigen, die sowohl gegen diese falsch verstandene Akzeptanz angehen als auch dagegen, bloß als Exemplare der Gattung Muslim oder Muslima wahrgenommen zu werden. Die Publizistin, Philologin, Orientalistin, Literatur- und Filmwissenschaftlerin Nasrin Amirsedghi etwa, die 1980 im Alter von 24 Jahren Persien, „das Land meiner Kindheit, bei Nacht und Nebel auf abenteuerliche Weise verlassen“ musste, „um Leib und Leben meiner Tochter zu retten“, und seitdem in Deutschland lebt, hat ebenfalls so ihre Erfahrungen mit den hiesigen Eingeborenen gemacht. Sie wundert sich beispielsweise über die eigenartigen Fragen, die ihr von Deutschen immer wieder gestellt werden:

„Zum Beispiel: Wie lässt sich der Verkehr auf den Teheraner Straßen mit Kamelen vereinbaren? Wie ist es möglich, als Frau auch Filmwissenschaft studiert zu haben? Sie trinken doch sicher nur Tee und essen kein Schweinefleisch? Sie feiern ja keine Weihnachten; weil der Iran ein islamisches Land ist und kein christliches, und trotzdem wünschen Sie mir frohe Weihnachen? Sprechen Sie iranisch oder persisch? Sie kennen ja nicht die deutsche Hausordnung?“

Der Wilde ist eben nicht nur edel, sondern auch und gerade auf seinen Kulturkreis festgelegt. Amirsedghi beschloss daher, ihren deutschen Mitbürgern Nachhilfe zu geben: Sie erklärte ihnen den Unterschied zwischen Iran und Persien und führte geduldig aus, warum es nicht sie ist, die sich für Ahmadinedjad zu rechtfertigen hat:

„Wenn jemand sich hier schämen muss, dann sind es Ajatollah Joschka Fischer und seine Kumpane (Iran- und Islamexperten wie u.a. Bahman Nirumand, Navid Kermani oder Katajun Amirpur), die seit geraumer Zeit mit der Flagge der ‚rotgrünen Hoffnung’ groteskerweise das Gesäß der Mullahs im Iran mit Honig schmieren...“

Nasrin Amirsedghi hatte den erwähnten Nirumand schon im Jahr 2000 als Moderator der von ihr organisierten Veranstaltung Das Literarische Quintett in Mainz ausgeladen und die Moderation einem anderen übertragen: Der Vorzeigeiraner der deutschen Linken hatte sich ein dreiviertel Jahr zuvor in einem ZDF-Interview auf die Seite des vermeintlichen Reformers Khatami geschlagen und diese Position anschließend auch auf der Berliner Iran-Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung verteidigt. Dort musste er sich von nicht eingeladenen Exil-Iranern – die von Grünen-Politikern anschließend als Saboteure des Dialogs verunglimpft wurden – zu Recht vehement kritisieren lassen. Auch heute macht Amirsedghi deutlich, was sie vom Mullah-Regime und dem europäischen Appeasement ihm gegenüber hält:

„Liebe Europäer, lieber Ajatollah Fischer, für Khatami ist es zu spät, aber wenigstens Ahmadinedschad müßt ihr den Friedensnobelpreis 2006 geben und damit das Gewissen der Welt für die nächsten 200 Jahre beruhigen... Und hört auf, euch über die Lachfigur Ahmadinedschad oder die Mullahs im Iran zu empören. Sie machen doch nur das, was seit 25 Jahren von euch unterstützt wird.“

Amirsedghi bezieht vehement Position für die Aufklärung und kämpft gegen ihre wenigstens partielle Rücknahme infolge einer faktischen Sharifizierung sich säkular wähnender Gesellschaften. Sie kritisiert neben falschen politischen Schritten auch die Selbstzensur in Kunst und Publizistik, die sich etwa in der Entfernung vermeintlich anstößiger Bilder aus Museen und Galerien äußert oder eben in der Entschuldigung für Cartoons, die ein Appell an die Vernunft sind und jedenfalls keine wie auch immer geartete rassistische Beleidigung. Etliche Karikaturisten setzen sich inzwischen gegen eine Einschränkung der Freiheit von Wort und Kunst zur Wehr und veröffentlichen Zeichnungen zu den Entwicklungen seit den militanten Eskalationen in der islamischen Welt. Nasrin Amirsedghi unterstützt sie und hilft, zwölf besonders treffende Bilder von ihnen zu verbreiten – die auch hier gezeigt werden sollen.

21.2.06

Jagd nach Lidl, dreilagig

Am kommenden Donnerstag wird vor dem Amtsgericht Lüdinghausen der Prozess gegen Manfred van Hove stattfinden, dem vorgeworfen wird, durch die Verbreitung von Toilettenpapier mit dem Stempel „KORAN, DER HEILGE QUR-ÄN“ gegen den § 166 StGB verstoßen und den Islam verunglimpft zu haben (siehe den Beitrag Koranrolle vorwärts in diesem Blog). Lizas Welt hat den Angeklagten per E-Mail erreicht und ihn gebeten, ein paar Zeilen zu seiner Aktion sowie zu der anstehenden Gerichtsverhandlung zu verlieren. Die Veröffentlichung erfolgt mit seiner ausdrücklichen Zustimmung.

Ende dieser Woche wird an dieser Stelle ein Bericht zum Ausgang des Prozesses und voraussichtlich auch ein Interview mit van Hove zu lesen sein.

Hallo Lizas Welt,

wegen massiver Morddrohungen lebe ich zur Zeit auf Anraten der Sicherheitsbehörden wie mein eigener Schatten, mein Leben befindet sich derzeit dadurch in einem ungeregelten Chaos. In meinem Briefkasten fand sich unter anderen eine Pistolenpatrone. Leider haben wir in Teilen der Gesellschaft bereits bürgerkriegsähnliche Verhältnisse, und man ist nicht einmal mehr im eigenen Land sicher, wenn man seine Grundrechte ausübt. Erst die angebliche oder tatsächliche Beleidigung des Islam scheint die Behörden in Bewegung zu setzen.

Hätte dieser Stempel „Die Bibel“ gelautet, es hätte sicher niemanden interessiert. Eigentlich ist das Ganze ein Stück Realsatire: Der Staatsschutz geht mit großer Mannschaft auf die Jagd nach Lidl, 3-lagig, und eben dieses Stück Papier löst eine diplomatische Note aus – es wäre der Stoff für eine Satire durch Kishon.

Die Aktion mag man mehr oder weniger geschmackvoll finden. Um sie letztlich beurteilen zu könne, muss man den Gesamtzusammenhang kennen. Dazu ganz kurz eine Bemerkung: Am Dolch, mit dem van Gogh ermordet wurde, hing ein Zettel mit einem Koranvers, Sure 5, Vers 33: „Der Lohn derer, die Krieg führen gegen Allah und seine Gesandten und Unordnung im Land zu erregen trachten, wäre der, dass sie getötet oder gekreuzigt werden sollten oder dass ihnen Hände und Füße abgeschlagen werden sollten für den Ungehorsam oder dass sie aus dem Land vertrieben würden. Das würde eine Schmach für sie sein in dieser Welt; und im Jenseits wird ihnen schwere Strafe.“

Der Umstand, dass der Koran mit genau diesem Vers in jeder Buchhandlung frei verkäuflich ist und auch in den deutschen Moscheen ausliegt, war der Auslöser. Es ist geradezu eine Einladung für jeden Moslem, diesem Vorbild zu folgen.

Ich erwarte von dieser Gesellschaft, dass sie für jeden Bürger den Freiraum schafft, auch den Islam wie jede gesellschaftliche Gruppe auch so zu kritisieren und zu karikieren, wie es mit der katholischen Kirche seit Jahren geschieht, ohne dass man um sein eigenes Leben fürchten muss. Dies ist derzeit nicht gegeben. Ich war selbst aus beruflichen Gründen 15 Jahre im Nahen Osten stationiert, davon 6 Jahre im Irak, und kenne diese Ecke der Welt besser als die meisten Mitbürger. Dabei habe ich oft schmerzhaft erlebt, was diese Religion real verursacht.

Viele Grüße
Manfred van Hove
Noch mehr zur rheinisch-westfälischen Sharifizierung findet sich bei typoskript.net.

Grippegen

Wissen Sie, wer schuld ist an der üblen Seuche, die sich von unserer Lieblingspärchenurlaubsinsel Rügen aus heimtückisch und unkontrollierbar über unser ganzes schönes Land ausbreiten wird? Die Juden! Denn die haben – das ahnten Sie sicher schon – die Vogelgrippe erfunden. Das fand jedenfalls die syrische Regierungszeitung Al-Thawra heraus, wie der österreichische Standard berichtet. Demnach entwickle Israel eine Bombe, die Araber, aber keine Juden töten werde. Al-Thawra beruft sich dabei auf einen Bericht, der vor acht Jahren in der Sunday Times erschienen und in dem behauptet worden sein soll, israelische Wissenschaftler versuchten, die „für Araber charakteristischen Gene zu identifizieren, um diese dann mit einem spezifischen Virus anzugreifen“.

Das syrische Blatt, dessen Name mit Revolution zu übersetzen ist, fragt sich, „ob es sich bei dem von den Zionisten für ihre ‚ethnische Bombe’ gewählten Virus um die Vogelgrippe handelt“ – und gibt auch gleich die Antwort: Im Westjordanland seien 85.000 infizierte Vögel begraben worden, was zur Ansteckung eines Palästinensers aus Jerusalem mit dem Virus H5N1 geführt haben könnte. Und damit ist die Rassenkundelektion des in Damaskus erscheinenden Organs noch nicht zu Ende: „Auch wenn das Virus so modifiziert sein sollte, dass es nur die Gene der Araber spezifisch angreift, wird es sich über die arabische Welt hinaus verbreiten und zu einer unkontrollierbaren Pandemie werden.“

Und nun raten Sie mal, wer für die abgrundtief hinterfotzigen Zionisten das Versuchskaninchen in punkto Bazillenattacke abgegeben hat. Na? Richtig: Yassir Arafat. Der sei nämlich, so Al-Thawar, „mit Hilfe künstlicher Viren getötet“ worden, und „nur die Zionisten verfügen über derartige Mittel“.

Wenn also die Fußball-Weltmeisterschaft im Sommer nicht stattfinden kann, wissen Sie, bei wem Sie sich zu beschweren haben. Folgt man dem Spiegel, ist das übrigens gar nicht mal so unwahrscheinlich. Denn wie sie halt so sind, die Juden, haben sie da ein Biest kreiert, dass auch noch heimlich vor sich hin mutiert. Also werden wir hier wohl keine Fußball-Epidemie haben, sondern – wie die arabische Welt – eine Grippe-Pandemie. Das gibt nicht nur Al-Thawar dann vermutlich Stoff für neue antisemitische Verschwörungstheorien. Israel hat sich schließlich nicht für die WM qualifiziert.

Guns n’ Roses

Die ach so rechte Jyllands Posten hat im September vergangenen Jahres einen Job übernommen, dem sich andere – weit größere und sich liberaler dünkende – Blätter stets beharrlich verweigerten: Sie hat für eine wohl verstandene Religionsfreiheit gestritten – und die meint nicht die Freiheit für den Aberglauben, sondern im Gegenteil die Emanzipation von ihm. Die Reaktionen sind sattsam bekannt und niederschmetternd: Während die Gefolgschaft des Propheten – fast immer im Bunde mit ihrem gottgegebenen Staatsapparat – allerorten und ausdauernd ihre bewaffnete Ikonophobie walten lässt und mit antisemitischen Schmierereien einen Hohnchoral auf jedwede Form von Liberalität anstimmt, warnt man im Westen davor, weiteres Öl ins Feuer zu gießen und religiöse Gefühle zu verletzen, statt das befreiende Gelächter über das Allerheiligste zur conditio sine qua non des öffentlichen Raums zu erheben.

Flemming Rose (Foto unten), inzwischen geschasster Feuilletonchef der zu unerwarteter Prominenz gelangten dänischen Regionalzeitung, hat diesen Schritt offensiv übernommen und gestern in der Washington Post noch einmal Stellung zu der Frage bezogen, warum er die Veröffentlichung der Karikaturen für eine schiere Notwendigkeit hielt:
„Unser Ziel war es ganz einfach, die selbst auferlegten Beschränkungen zurückzudrängen, die uns immer fester in den Griff zu bekommen schienen. Ende September [2005] sagte ein dänischer Standup Comedian in einem Interview mit Jyllands-Posten, er habe kein Problem, vor dem Kamera auf die Bibel zu pinkeln, aber er wage es nicht, das Gleiche mit dem Koran zu tun.“
Dieses Statement sei der Kulminationspunkt einer Reihe von Fällen der Selbstzensur infolge der Angst vor der Konfrontation mit dem Islam gewesen, und so erging schließlich – da dies allemal eine legitime Story war – die Bitte an 25 Karikaturisten, „Mohammed so zu zeichnen, wie sie ihn sehen“. Weniger als die Hälfte von ihnen meldete sich zurück. Die Ergebnisse sind künstlerisch zwar nicht besonders wertvoll, aber darum geht es auch gar nicht; Rose verstand die Aktion als Angebot zur Eingliederung der Muslime in die dänische Gesellschaft – und die ist zum Glück nun mal vergleichsweise säkular:
„Es gibt bei uns eine Tradition von Satire über die königliche Familie und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, und die spiegelte sich in den Cartoons wider. Die Karikaturisten behandelten den Islam auf die gleiche Art und Weise wie das Christentum, den Buddhismus, den Hinduismus und andere Religionen. Und indem sie die Muslime in Dänemark als Gleiche behandelten, machten sie klar: Wir integrieren euch in die dänische Tradition von Satire, weil ihr Teil unserer Gesellschaft seid, keine Fremden. Die Cartoons schließen Muslime mehr ein als aus.“
Nun soll gewiss nicht behauptet werden, in Dänemark sei alles in Butter, die Eingemeindung mithin ein Akt purer Nächstenliebe. Dennoch spricht aus Roses Sätzen und aus den Bildern der Karikaturisten ein begrüßenswertes Plädoyer für Aufklärung und Vernunft, die unabdingbar für eine im Wortsinne wirkliche Freiheit sind. Darüber hinaus ermöglicht es die Offerte denen, die es wollen, aus der Zumutung namens autochthone Kultur auszubrechen. Und dazu gehört ganz selbstverständlich, dass Religion dem privaten Raum überantwortet werden muss:
„Wenn ein gläubiger Mensch verlangt, dass ich, ein Nichtgläubiger, in der Öffentlichkeit seine Tabus befolge, ist es ihm nicht um meinen Respekt zu tun, sondern um meine Unterwerfung. Und das ist mit einer säkularen Demokratie nicht vereinbar.“
Das sind klare und unhintergehbare Worte. Rose hat einen schweren Fehler gemacht, als er öffentlich ankündigte, auch antichristliche und selbst die erwartbar antisemitischen Strichzeichnungen zur Shoa aus einer Teheraner Zeitung abzudrucken, um ja nicht den Verdacht aufkommen zu lassen, antiislamisch zu sein. Diesen groben Unfug – der sich die Frage der Legitimität gar nicht mehr stellte – hat er mit seiner Beurlaubung bezahlt, und Chefredakteur Carsten Juste machte danach sofort klar, dass in seiner Zeitung keine Holocaust-Karikaturen abgedruckt würden. Doch auch in seinem Washington Post-Beitrag gibt Rose sich alle Mühe, den Islam vor seinen militanten Anbetern in Schutz zu nehmen. Sein Fazit allerdings – ob vorläufiges oder schließliches, bleibt unklar – aus dem hierzulande dreist verharmlosend Karikaturen-Streit Genannten lautet:
„Es wird klar, dass dies nicht eine Debatte zwischen ‚ihnen’ und ‚uns’ ist, sondern zwischen denen, die sich auf die Demokratie festgelegt haben, und jenen, die das nicht tun. Diese Art von Debatte hoffte Jyllands-Posten in Gang zu bringen, als sie sich entschloss, die Grenzen der Selbstzensur auszuloten, indem sie Karikaturisten bat, ein muslimisches Tabu herauszufordern. Haben wir unser Ziel erreicht? Ja und nein. Einige der geistvollsten Verteidigungen unserer Freiheit des Wortes sind beseelt worden. Aber tragische Demonstrationen im ganzen Nahen und Mittleren Osten und in Asien waren nicht das, was wir vorausgeahnt oder sogar gewollt hatten. Mehr noch: Die Zeitung hat 104 aktenkundige Drohungen erhalten, zehn Menschen sind verhaftet worden, Cartoonisten wurden zum Verstecken gezwungen, weil sie Morddrohungen erhalten hatten, und der Hauptsitz von Jyllands-Posten musste wegen Bombendrohungen mehrmals evakuiert werden. Das ist kaum ein Klima, um die Selbstzensur zu lindern.“
Es ist eine verdienstvolle Angelegenheit, mittels einer Provokation, die niemals eine sein dürfte, den gesellschaftlichen Stand der Dinge sichtbar werden zu lassen. Natürlich wollte niemand die – nicht nur – antidänische Brandschatzerei. Aber angesichts einer Häufung von Scheren im Kopf war es allemal angesagt, zum Klartext überzugehen und zu signalisieren, dass man Tugendterror und falsch verstandene Toleranz nicht hinzunehmen bereit ist.

Roses Aufsatz merkt man eine veritable Erschütterung über die – ganz offenkundig zumindest nicht in dieser Intensität erwarteten – Ereignisse an. Umso respektabler ist es, dass er – wenn auch häufig von zweifelhaften Beschwichtigungsversuchen unterbrochen – in wesentlichen Punkten immer noch klar Stellung bezieht und die Veröffentlichung der Prophetenbildchen verteidigt. Es ist in diesem Sinne die eingangs angesprochene conditio sine qua non, die hier einer harten Prüfung unterzogen wird. Rose will für ihr Bestehen sorgen, daran kann es keinen Zweifel geben.

Wie wichtig das ist, hat ganz aktuell eine Äußerung des Generalsekretärs der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC), Ekmeleddin Ihsanoglu, gezeigt. Der gab bei einem Treffen mit dem EU-Außenbeauftragten Javier Solana zu Protokoll, die „satirischen Zeichnungen“ seien quasi der 11. September der islamischen Welt, weshalb die Europäische Union schärfere Gesetze gegen „Islamophobie“ auf den Weg geben möge. All(ah)mächt’!

Übersetzung der Passagen aus der Washington Post: Liza, Hattip: Jonny

Spaghetti Milanese



Kommt doch, Rossoneri!

19.2.06

Jauch des Tages

Das nebenstehende Foto zeigt Frauen beim Demonstrieren in der pakistanischen Hauptstadt mit dem treffenden Namen Islamabad. Der Nachrichtensender n-tv kennt zwar den Anlass des Aufmarsches („gegen die Mohammed-Karikaturen“), aber eine Frage bereitete dem zuständigen Redakteur dennoch Kopfzerbrechen:
„Was genau sie mit dem Plakat sagen wollen, bleibt unklar.“
Jauch, alter Gutmensch, übernehmen Sie! Machen Sie mal wieder einen Menschen zum Millionär! Hier sind die Antwortvorschläge:

A) Gott segne Hitler.
B) Wir geben die fundamentalistische Antwort auf eine fundamentalistische Aktion des Westens.
C) Wir mögen nur Karikaturen über den Holocaust.
D) Allahu akbar!

Ihr Kandidat wird darob ins Schwitzen geraten und einen Joker in Anspruch nehmen. Raten Sie ihm dringend davon ab, das Publikum zu befragen, denn das antwortet zu 95% mit „B“. Der 50/50-Joker lässt die Antworten A und D stehen und macht es dadurch auch nicht leichter. Lassen Sie den Spieler daher jemanden anrufen, der es wissen könnte. Den Ludwig Watzal zum Beispiel.

18.2.06

Karnekrawall

Was ist der Unterschied zwischen Italien und Indien? Na gut, es gibt viele. Ich meine diesen: In Italien läuft Reformminister Roberto Calderoli bei einer Fernsehsendung mit einem T-Shirt auf, das eine der Jyllands Posten-Karikaturen zeigt – und muss wenige Tage später zurücktreten. In Indien setzt Haji Yakub Quereshi, Minister im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar, mehr als 11 Millionen US-Dollar auf die Ermordung eines Zeichners der dänischen Cartoons aus – und darf im Amt bleiben. Seine Begründung für das Ausloben des Kopfgeldes:
„Die Person, die den Propheten beleidigt hat, verdient es nicht zu leben, und jeder – ungeachtet welcher Nationalität –, der den Karikaturisten eliminiert, wird mit Geld belohnt und mit Gold aufgewogen.“
Der dänische Cartoonist Kurt Westergaard, prospektives Opfer dieser steckbrieflichen Suche, bleibt gleichwohl standhaft. Die Frage der schottischen Zeitung The Herald, ob er seine Zeichnungen respektive deren Veröffentlichung inzwischen bedauere, verneinte er. Die „geistige Munition“ für den Terrorismus komme „aus dem Islam“, unterstrich Westergaard, der sich nach einer Reihe von Morddrohungen derzeit unter dem Schutz des dänischen Geheimdienstes an einem geheim gehaltenen Ort aufhalten muss und hofft, bald wieder in seine Wohnung zurückkehren und ein normales Leben führen zu können: „Die Welt ist immer ein gefährlicher Ort. Aber welche Alternativen haben wir?“ Hoffentlich haben die dänischen Fußballer das Interview auch gelesen.

Im vorkarnevalistischen Rheinland warnt man derweil davor, an den närrischen Tagen seinen Schabernack mit dem Propheten zu treiben. Peter König, Präsident des Comitees Düsseldorfer Carneval, dekretierte: „Wir wollen eine Persiflage auf die Obrigkeiten in unserem Land.” Von „fremden Kulturen“ solle man „die Finger lassen“. Gar zum Tabu erklären will Volker Wagner, Präsident des Bundes Deutscher Karneval, möglichen Spott auf den Islam: „Es kann nicht sein, dass wir die Gefühle von Anhängern einer Religion mit Füßen treten.” Man möge den Menschen ihren „kleinen intimen Raum lassen“. Was dort passiert, haben nicht nur Ayaan Hirsi Ali, Necla Kelek und Seyran Ates mit Nachdruck deutlich gemacht.

Ein Tipp an die Jecken in Köln, Düsseldorf und Mainz: Vergesst eure karnevalistischen Autoritäten. Und falls ihr um eure körperliche Unversehrtheit fürchtet, wenn ihr euch mal als Prophet statt wie jedes Jahr als Nonne, Indianer oder George W. Bush verkleidet, hat Lizas Welt eine Lösung: Das rot-weiße Prophetentchen-Shirt – schön dezent, dennoch nicht zu übersehen und sogar langärmlig. Allah, pardon: Alaaf und Helau!