30.3.09

Zweierlei Wohltäter



Die Polizei und Spiegel Online bitten dringend um Mithilfe:
Fahnder sind deutschen Geldgebern der Hamas auf der Spur. Mehrere hunderttausend Euro sollen aus Deutschland an die islamistische Hamas geflossen sein. Nach Spiegel-Informationen ermittelten Fahnder Palästina und Israel als Ziel der Gelder. Die deutsche Justiz steht nun vor dem Problem, den Geldfluss durch Rechtshilfeersuchen zu klären.
Da steht man als guter Staatsbürger doch gerne mit Rat und Tat zur Seite: Erstens sind es deutscherseits nicht „nur“ „mehrere hunderttausend Euro“, sondern sogar 150 Millionen, bewilligt auf der so genannten Geberkonferenz von Sharm al-Sheikh Anfang März. Und deshalb müssen die Ermittler, zweitens, gar nicht lange nach den Verantwortlichen suchen: Sie sitzen im deutschen Außenministerium. Nichts zu danken.

Doch seltsamerweise wird nicht Frank-Walter Steinmeier (Foto, links), sondern
der Präsident der Islamischen Gemeinschaft in Deutschland, Ibrahim El-Zayat (rechts), der „Gründung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Betrug, Bankrott, Erschleichung von Fördergeldern und Untreue“ geziehen. Denn: „In Palästina und Israel soll das Geld an wohltätige Einrichtungen geflossen sein, von wo es danach offenbar weiterverteilt wurde“ – nämlich an die Hamas.

Weshalb El-Zayat dafür nicht mit der Ernennung zum Staatssekretär, sondern mit einem Strafverfahren belohnt wird, will nicht so recht einleuchten. Schließlich kommen seine Spenden auf exakt demselben (Um-) Weg bei den Gotteskriegern an wie die der Bundesregierung. Nun darf man gespannt sein, wie Wolfgang Schäuble seinen zornesroten Gesprächspartnern bei der nächsten Sitzung der Islamkonferenz den vermeintlichen Unterschied zu erklären gedenkt.

24.3.09

Der neue Benz beim Elchtest



Womöglich hat Henryk M. Broder einfach Recht mit seiner Erwägung, dass Micha Brumlik vor allem deshalb zur Verteidigung des in die Kritik geratenen Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung (ZfA) – und insbesondere von dessen Leiter, dem „renommierten Historiker Wolfgang Benz“ (Brumlik) – angetreten ist, weil er auf Benz’ in Bälde frei werdenden Posten schielt. Zumindest ist das tatsächlich die schlüssigste Erklärung für den überaus dürftigen Vortrag, den der Erziehungswissenschaftler auf der Frankfurter Tagung „Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus“ gehalten hat und der am vergangenen Samstag in der taz zu lesen war. Inhaltlich liegt das Referat jedenfalls ganz auf der Linie des ZfA, und dass Brumlik die Argumente der Zentrumskritiker nicht nur nicht entkräften kann, sondern sie im Gegenteil sogar bestätigt und sich dabei auch noch in unauflösbare Widersprüche verstrickt, rundet sein De-facto-Bewerbungsreferat erst so richtig ab. „Vergleichen heißt nicht gleichsetzen“, hat die taz das Vortragsmanuskript überschrieben, und wie zum Beweis des Gegenteils zitiert Brumlik erst einmal ausführlich seinen Benz. Der hatte im Vorwort des jüngsten Jahrbuchs für Antisemitismusforschung nämlich geschrieben (und auf der ZfA-Konferenz „Feindbild Muslim – Feindbild Jude“ im Dezember 2008 ausgeführt):*
„Die Parallelen zu Antisemitismus und Judenfeindschaft sind unverkennbar: Mit Stereotypen und Konstrukten, die als Instrumentarium des Antisemitismus geläufig sind, wird Stimmung gegen Muslime erzeugt. Dazu gehören Verschwörungsfantasien ebenso wie vermeintliche Grundsätze und Gebote der Religion, die mit mehr Eifer als Sachkenntnis behauptet werden. Die Wut der neuen Muslimfeinde gleicht dem alten Zorn der Antisemiten gegen die Juden. Die Verabredung einer Mehrheit gegen das Kollektiv der Minderheit, das ausgegrenzt wird (einst und immer noch ‚die Juden’, jetzt zusätzlich ‚die Muslime’), ist gefährlich, wie das Paradigma der Judenfeindschaft durch seine Umsetzung im Völkermord lehrt. [...] Aufgabe der Antisemitismusforschung, die sich als Vorurteilsforschung begreift und Judenfeindschaft als erkenntnisleitendes Paradigma versteht, ist es, beide Phänomene in den Blick zu nehmen: Hass gegen die Juden und den Judenstaat, wie er von Muslimen artikuliert wird, und Hass gegen die Muslime, der sich der gleichen Methoden bedient, die vom christlichen Antijudaismus wie vom rassistischen Antisemitismus entwickelt werden.
Einmal abgesehen von dem haarsträubenden Blödsinn namens „Vorurteilsforschung“ (ein Vorurteil lässt sich durch Erfahrungen durchaus korrigieren, ein Ressentiment jedoch – und um ein solches handelt es sich beim Antisemitismus – ist gänzlich aufklärungs- und faktenresistent): Benz hat hier eben nicht „nur“ die „Islamophobie“ mit dem Antisemitismus verglichen, sondern er hat sie unzweifelhaft und eindeutig gleichgesetzt. Nichts anderes hatten bereits die von Brumlik als Protagonisten einer vermeintlichen „publizistischen Kampagne“ gegen das ZfA identifizierten und attackierten Matthias Küntzel, Henryk M. Broder, Clemens Heni und Benjamin Weinthal festgestellt und beanstandet. Brumlik jedoch stärkt Benz ungeachtet der Tatsache, dass er sowohl ihn als auch sich selbst soeben durch bloßes Zitieren ungewollt überführt hat, vorbehaltlos den Rücken und äußert Verständnis dafür, dass der Leiter des Zentrums sich weigerte, mit seinen Kritikern zu diskutieren. Eine gerade für Wissenschaftler doch sehr eigenartige Haltung – die Brumlik zu einem späteren Zeitpunkt seines Vortrags denn auch nur durch die Denunziation dieser Kritiker als „fundamentalistisch“ zu salvieren vermag.

Schließlich versucht er sich dann aber doch noch an einer inhaltlichen Verteidigung des Vergleichs zwischen dem Antisemitismus und der „Islamophobie“, mit dem angeblich keine Gleichsetzung bezweckt war und ist. Doch diese Verteidigung misslingt. Gegen das allemal stichhaltige Argument beispielsweise, ein solcher Vergleich verharmlose den notwendig auf Vernichtung drängenden Judenhass, fällt Brumlik nicht mehr ein, als genervt zu fragen, „unter welchen Bedingungen es überhaupt zulässig ist, Vorurteile gegen unterschiedliche Gruppen und die mehr oder minder mörderische Bilanz dieser Vorurteile miteinander zu vergleichen“, und überdies kühn zu behaupten, die „vergleichende Genozidforschung“ habe „gerade durch diese Vergleiche ein sehr viel genaueres und trennschärferes Bild von den nationalsozialistischen Verbrechen gewonnen“. Die Frage ist dabei ziemlicher Unsinn – schließlich hat niemand irgendeinen Vergleich verboten – und umschifft außerdem eine ganz andere, wesentlich aufschlussreichere Frage, nämlich die nach der Absicht eines Vergleichs, die im Falle des ZfA, wie gezeigt, offenkundig a priori in der – falschen – Gleichsetzung bestand. Bereits vor diesem Hintergrund erübrigt sich auch das Lob für die – was für ein Begriff schon! – „vergleichende Genozidforschung“, die darüber hinaus auch noch Horrorgestalten wie beispielsweise Ernst Nolte hervorgebracht hat, dem gewiss nichts ferner lag, als den Nationalsozialismus trennscharf von anderen Verbrechen zu unterscheiden.

Auch gegen das ebenfalls nicht von der Hand zu weisende Argument, die „Islamophobie“ sei weniger eine über die Maßen verdammenswerte Form von Fremdenfeindlichkeit, sondern vor allem ein – eher neuzeitliches – Konstrukt von Kräften, die mit dem Verweis auf den angeblich besonders üblen Rassismus gegenüber Muslimen jegliche Kritik an der Herrschaftspraxis des Islam zum Verstummen bringen wollten, hat Brumlik keine sonderlich stichhaltigen Einwände. Akribisch bemüht er sich um Nachweise dafür, dass es schon im Mittelalter christliche Feindseligkeiten gegen den Islam gab und dass „militanter Hindunationalismus auch nach 1948 immer wieder zu mörderischen Pogromen an indischen Muslimen geführt hat“. Das stimmt zweifellos, so, wie es stimmt, dass auch der heutige Rassismus die Muslime nicht ausnimmt. Aber zum einen widerlegt es nicht das Urteil, dass die gegenwärtigen islamischen Führer und ihre Gefolgschaft noch die leiseste Beanstandung ihres oft genug mörderischen Treibens nachgerade notorisch mit dem Attribut „rassistisch“ versehen (und diesen vermeintlichen Rassismus auf einer Uno-Konferenz sogar in den Rang einer Menschenrechtsverletzung heben wollen). Und es rechtfertigt zum anderen nicht die vom ZfA vorgenommene Gleichsetzung, wie Brumlik letztlich sogar selbst feststellt, wenn er schreibt, es verstehe sich „von selbst“, dass die Feindschaft gegenüber Muslimen „natürlich nicht zu einem Verbrechen gleichen Ausmaßes wie dem des Holocaust geführt hat“. Wenn das aber so „natürlich“ ist, was soll dann die Parallelisierung mit dem Antisemitismus, der in der Shoa kulminierte, aber noch lange nicht am Ende ist?

Im Folgenden versucht sich Brumlik noch an der Widerlegung der Erkenntnis, dass es Judenhass im Islam schon immer gab. Ausführlich zitiert er dabei zunächst judenfeindliche Formulierungen im Koran, um danach den Kritikern des ZfA vorzuwerfen, „ohne weitere historische oder soziologische Kontextualisierungen die von Muslimen für heilig gehaltenen Schriften als wörtliche, auch noch heute ungebrochen gültige Handlungsanweisungen“ zu nehmen und sich außerdem nie „die wirklich entscheidende Frage“ gestellt zu haben, „warum und unter welchen Umständen sich erhebliche Teile der muslimischen Welt, einer sich modernisierenden muslimischen Welt, eine antisemitische Lesart von religionspolemischen Passagen aus Koran und Hadith zu eigen gemacht haben“. Wer von Brumlik nun eine Antwort auf diese „wirklich entscheidende“ Frage erwartet, wird jedoch enttäuscht, weshalb man nur spekulieren kann: Ist der islamische Antisemitismus also eine Art spätkapitalistische Krisenreaktion? Oder haben ihn die sinistren Israelis am Ende gar bei den im Grunde vollkommen arglosen Muslimen provoziert?

Zum Schluss wird es dann geradezu kurios, wenn Brumlik seine Thesen plötzlich über den Haufen wirft, indem er einräumt, „dass es zwischen Antisemitismus und Islamophobie nun doch einen wesentlichen Unterschied gibt: Während nämlich antisemitische Verschwörungsfantasien noch nie etwas anderes als Ausgeburten kranker, mit Ressentiment geladener Hirne waren, existieren Verschwörungen im Bereich einiger Gruppen des radikalen Islamismus tatsächlich“. Und mehr noch: „Es gab niemals eine ‚jüdische Kriegserklärung’ an jene Gesellschaften, in denen Juden lebten. Das ist jedoch beim radikalen Islamismus aller Spielarten sehr wohl der Fall, und man wird fragen dürfen und müssen, ob und welchen Einfluss diese totalitäre Ideologie auf einen Teil der muslimischen Immigranten hat.“ Diese Frage zu stellen, beeilt sich Brumlik zu relativieren, sei „weder islamophob noch rassistisch, sie mit einem undifferenzierten, bejahenden Generalverdacht zu beantworten sehr wohl“. Bliebe nur noch zu klären, wer diesen „bejahenden Generalverdacht“ eigentlich erhoben haben soll. Die Zentrumskritiker jedenfalls haben es nachweislich nicht getan, sondern im Gegenteil nicht zuletzt das ins Feld geführt, was auch der Frankfurter Kritiker der Zentrumskritiker am Ende seines Vortrags eingesteht.

Beim ZfA wird es vermutlich niemanden weiter stören, dass Micha Brumlik da einen ziemlich missglückten Anwalt gegeben hat; schließlich zählt vor allem der Wille, sich für das Zentrum und seinen Noch-Leiter in die Brust zu werfen. Doch diesem Elchtest zum Trotz erwägt man bei Benzens offenbar, die A-Klasse künftig Moshe Zuckermann zu überantworten, wie Henryk M. Broder berichtet: „Brumlik, so wird geraunt, habe vor Jahren die Leitung des Fritz-Bauer-Instituts in Frankfurt hingeschmissen, weil der Job mit zu viel Verwaltungsarbeit verbunden war, außerdem sei es fraglich, ob er mit 62 noch berufen werden könne. Zuckermann dagegen sei jünger und habe sich für diese Aufgabe auf vielfache Weise qualifiziert. Unter anderem damit, dass er Israel als ‚Scheindemokratie’ bezeichnet und dem Neuen Deutschland Interviews gegeben hat.“ Ob Brumlik diesen Rückstand noch aufholen kann?

* Wolfgang Benz: Vorwort, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung, Hrsg. von Wolfgang Benz, Bd. 17, Berlin 2008, Seiten 9 und 11. Hervorhebungen: Lizas Welt.

20.3.09

Vorschlag zur Güte



Hätten die arabischen Staaten ein Interesse daran, ließe sich die „humanitäre Katastrophe“ in den Palästinensergebieten beenden: durch die Vereinigung des Gazastreifens mit Ägypten und der Westbank mit Jordanien beispielsweise.


VON TILMAN TARACH*


Einen Vorwurf der besonderen Art äußerte unlängst Uri Avnery gegen Ariel Scharon: Der damalige Verteidigungsminister Israels habe 1981 den Plan gehabt, „die Palästinenser zu ermutigen, in Jordanien eine Revolution auszulösen und König Hussein abzusetzen“, um dann „Jordanien in einen palästinensischen Staat unter Yassir Arafat zu verwandeln und mit der palästinen­sischen Regierung in Amman über die Zukunft der Westbank zu verhandeln“. Avnery war in jenen Jahren noch Mitglied der israelischen Knesset, inzwischen ist er ein allseits beliebter Antizionist und Antikommunist, und der bitterböse Plan, in den ihn damals Scharon persönlich eingeweiht haben soll, empört ihn heute mächtig, gerade so als wäre er ein bekennender Monarchist, dem der Thron des jordanischen Königs heilig ist.

Was hätte eigentlich wirklich gegen eine „jordanische Option“ gesprochen? Und was spräche heute gegen sie? Jordanien war ursprünglich wie Restpalästina Teil der vom britischen Empire beherrschten palästinensischen Region („Mandatsgebiet Palästina“), auf deren Fläche für einen jüdischen und einen arabischen Staat reichlich Platz gewesen wäre; es umfasst 78 Prozent dieses Gebiets und wurde 1922 von den Briten als „Transjordanien“ abgetrennt. Restpalästina dagegen, das heute aus Israel plus Westjordanland plus Gaza-Streifen besteht und insgesamt nur wenig größer als Kuwait ist, verträgt kaum zwei souveräne Staaten, die sich zudem noch feindlich gesonnen sind.

Werfen wir einen nüchternen Blick auf die Hintergründe: Das jordanische Staatsgebiet ist mehr als viermal so groß wie dasjenige Israels, und seine Bevölkerungs­dichte beträgt nur ein Sechstel derjenigen Israels. Die meisten palästinensischen Flücht­linge der Kriege von 1948 und 1967 leben in Jordanien, etwa 60 Prozent aller Jordanier nennen sich „Palästinenser“, und auch der Rest unterscheidet sich von diesen, soweit es sich um Araber handelt, weder in Sprache, Religion noch Kultur. Bis 1967 war das Westjordanland jordanisch besetzt und auch förmlich annektiert, die dort lebenden palästinen­sischen Araber galten als Jordanier (und sind auch heute häufig im Besitz eines jordanischen Passes). Aber bezeich­nen­der­weise hat in jener Zeit keiner von ihnen eine Intifada gegen Jordanien ausgerufen, um im Westjordanland einen palästinensischen Staat zu schaffen, und kein palästinensischer Araber kämpfte je in Gaza gegen die Ägypter, die den Gaza-Streifen seit 1948 besetzt hatten: Der Kampf richtete sich immer nur gegen die Existenz Israels.

Als 1964 die PLO gegründet wurde, rief sie nicht zur Befreiung dieser jordanisch und ägyptisch besetzten Gebiete auf, sondern zur Zerstörung Israels; niemand innerhalb der PLO sprach damals von einem palästinen­sischen Staat, auch Ahmad Schukeiri nicht, der vormalige UN-Botschafter Saudi-Arabiens und (bis 1967) Vorsitzen­de der PLO. In Artikel 24 ihrer Charta von 1964 verzichtete die PLO sogar noch ausdrücklich auf Souveräni­täts­ansprüche auf das West­jordanland und den Gaza-Streifen. Die Strategie änderte sich erst nach 1967, als diese Gebiete nicht mehr jordanisch bzw. ägyptisch, sondern israelisch besetzt waren. Schon 1965 rühmte sich die PLO aber, 35 Juden getötet zu haben, die Zahl erhöhte sich in den Folgejahren. Auch dies zeigt die Verlogenheit des gebets­mühlenhaft vorge­tra­genen Lamen­tos, die Angriffe auf Juden seien nur eine Reaktion auf die israelische Besetzung der Westbank, die jedoch erst im Zuge des Sechstagekriegs 1967 erfolgte.

Bekanntlich bot Israel noch im selben Jahr an, im Rahmen eines Friedensvertrags über die Rückgabe der besetzten Gebiete zu verhandeln, doch die arabischen Staaten antworteten auf der Konferenz von Khartum mit dem berühmt gewordenen „dreifachen Nein“: Nein zum Frieden mit Israel, nein zur Anerkennung Israels, nein zu Verhandlungen mit Israel (nur Habib Bourguiba, der Präsident der weitgehend säkularen tunesischen Repu­blik, war schon 1965 für eine Einigung mit Israel eingetreten). Es ist die alte Position des berüchtigten Muftis von Jerusalem: No inch des heiligen musli­mischen Bodens für einen souveränen jüdischen Staat. In diesem Zusammenhang muss in Erinnerung gerufen werden, dass es Jimmy Carter war, der einen palästinensischen Staat im Westjordanland und Gaza-Streifen vor­schlug; erst darauf­hin griff die PLO diese Idee auf.

In Wahrheit ist die einzige prakti­kable Option, gegen die auch die Palästinenser keine ver­nünf­tigen Ein­wän­de vor­brin­gen können, diese: Das West­jordan­land (oder große Teile davon) vereinigt sich mit Jordanien und Gaza mit Ägypten. (Als im Februar 2008 die Palästinenser Gazas die ägyptische Grenzbefestigung zum Sinai überrannten, geschah dies schließlich unter der an die Ägypter gerichteten Parole „Wir sind ein Volk“.) Sowohl mit Ägypten als auch mit Jordanien unterhält Israel immerhin einen Friedensvertrag, anders als mit allen anderen arabischen Ländern, die an den Kriegen beteiligt waren. 30 Pro­zent der Palästinenser im Westjordanland befür­worten laut Umfragen eine derartige Lösung, die ja in gewisser Weise sogar panarabischen Charakter hätte. Doch bekämpft wird sie von der jordanischen Haschemiten-Dynastie, die um ihren Thron fürchtet und deshalb schon 1988 auf sämtliche territorialen Ansprüche auf das Westjordanland verzichtete.

Wie die Jerusalem Post berichtet, bezeichnete König Abdullah schon eine bloße Konföderation zwischen Jordanien und dem Westjordanland als eine „Verschwö­rung gegen das Königreich und gegen die Palästinenser“. Auch alle bekannteren palästinensischen Gruppen verteufeln einen solchen Plan: Die Schaffung eines zweiten palä­sti­nensischen Staates neben Jordanien war für sie stets nur ein Vorwand, der ihre antiisraelische Politik kaschieren sollte, und die Anerkennung des um die Westbank vergrößerten Jordanien als Staat der Palästinenser würde ihnen diesen Vorwand nehmen.

Ihr eigentliches Ziel war stets die Zerstörung Israels, und dieses Ziel würden sie in ihrem unheiligen Zorn über die „zionistische Anmaßung“ auch dann noch verfolgen, wenn sich die Juden Israels mit ihrem Staat auf die Festung Masada im Judäischen Gebirge oder auf die Strandpromenade von Tel Aviv zurückziehen würden.

* Tilman Tarach hat soeben das Buch Der ewige Sündenbock. Heiliger Krieg, die „Protokolle der Weisen von Zion“ und die Verlogenheit der sogenannten Linken im Nahostkonflikt veröffentlicht (Edition Telok). Der Text „Vorschlag zur Güte“ erschien zuerst in KONKRET 2/2009. Der Nachdruck auf Lizas Welt erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Zeitschrift.

Zum Foto: Ein Hamas-Terrorist versucht, Bewohner des Gazastreifens vom Sturm auf die Grenze zu Ägypten abzuhalten, die von ägyptischen Polizisten (im Bildhintergrund) gesichert wird. Rafah, Januar 2008.

18.3.09

Boykott oder Hintertür?



Die Schlagzeilen klingen eindeutig: „Merkel gegen ‚Durban II’“ (Süddeutsche Zeitung), „Steinmeier gegen Durban-II-Konferenz“ (taz), „Bundesregierung will UN-Konferenz boykottieren“ (Die Welt) oder gar „Deutschland bleibt ‚Durban II’ fern“ (FAZ). Folgt man ihnen, dann distanziert sich das verantwortliche politische Personal dieser Republik in räumlicher wie inhaltlicher Hinsicht umfänglich von dem Ende April stattfindenden Tribunal des Uno-Menschenrechtsrats gegen Israel und alle anderen, deren politische Kritik an der Herrschaftspraxis des Islam von einer Mehrheit des Rats rundweg als „Islamophobie“ gegeißelt wird. Doch die Überschriften sind irreführend, denn die Bundesregierung hat sich erkennbar eine Hintertür offen gelassen, indem sie ein lautes „Wenn“ aussprach und eine Frist setzte: Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ließ ausrichten, man werde „Durban II“ verlassen, wenn nach der für diese Woche geplanten Befassung der EU-Außenminister mit der Konferenz in Genf keine „signifikanten Verbesserungen“ erkennbar seien. Und Außenminister Steinmeier sagte, fast gleichlautend: „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt plädiere ich dafür, dass wir die Teilnahme bei der anstehenden Konferenz absagen, wenn es in den nächsten Stunden, in den nächsten Tagen zu keiner wirklich substanziellen Änderung der Dokumente kommt.“

Mit „Dokumente“ ist der über 60 Seiten umfassende Entwurf für die Abschlusserklärung gemeint, die bei der Zusammenkunft in der Schweiz verabschiedet werden soll. In ihr finden sich diverse Verurteilungen Israels, das im Übrigen als einziges Land explizit erwähnt wird. Dem jüdischen Staat werden unter anderem die „rassistische Diskriminierung des palästinensischen Volkes“, „Folter“, „Apartheid“ und „Verbrechen gegen die Menschheit“ vorgeworfen. Darüber hinaus richtet das Papier seinen Fokus auf das nach Ansicht des Menschenrechtsrats schlimmste rassistische Übel der Neuzeit: die „Islamophobie“. Das verwundert nicht angesichts der Tatsache, dass im Rat selbst eine Erörterung von Zwangsverheiratungen, Steinigungen und Genitalverstümmelungen verunmöglicht wird – mit der bemerkenswerten Begründung, derlei verletze die religiösen Gefühle der Muslime. Kanada und Israel hatten aus diesen Gründen bereits vor längerer Zeit angekündigt, „Durban II“ zu boykottieren; die USA und Italien schlossen sich unlängst an. Die Europäische Union hatte im September vergangenen Jahres zwar mitgeteilt, ihre „roten Linien“ würden überschritten, wenn an der Erklärung nicht grundsätzliche Korrekturen vorgenommen würden. Doch obwohl das Dokument sogar noch verschärft wurde, mochte sie bislang keine Konsequenzen ziehen.

Die Bundesregierung wiederum äußerte sich lange Zeit gar nicht zu dem Thema, was gleichbedeutend damit war, dass sie als Mitglied des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen an der Durban-Folgekonferenz teilzunehmen gedachte. Womöglich waren es ein Boykottaufruf von Journalisten, Publizisten, Wissenschaftlern und Künstlern sowie das schlagartig gewachsene Interesse der Medien, die ihr Beine machten. Nach einigem Zögern zieht sie nun offenbar in Erwägung, der Veranstaltung fern zu bleiben. Jetzt darf man gespannt sein, ob es wirklich dazu kommt. Einstweilen sind daran noch Zweifel angebracht, denn die Forderung nach „signifikanten Verbesserungen“ respektive einer „substanziellen Änderung“ des Entwurfs für die „Durban II“-Abschlusserklärung lässt, weil sie nicht konkretisiert wurde, einigen Spielraum. Es ist zwar nicht sonderlich wahrscheinlich, aber auch nicht auszuschließen, dass sich das Vorbereitungskomitee, in dem Libyen und der Iran federführend sind, auf geringfügige Modifikationen bei einigen Formulierungen einlässt und dadurch so etwas wie interpretatorischen Platz gewährt, mit dem die islamischen Staaten genauso leben könnten wie die Bundesregierung. Von signifikanten Verbesserungen oder substanziellen Veränderungen könnte dann zwar gewiss keine Rede sein, aber sie würden in diesem Fall fraglos als solche verkauft.

Und „selbst wenn es zu keiner gravierenden Veränderung kommt, ist zweifelhaft, dass Deutschland sich für einen Boykott entscheidet – insbesondere dann, wenn nicht die gesamte EU mitzieht“, befand Ansgar Graw kürzlich in der Welt. „Denn Deutschland will im Jahr 2011 in den UN-Sicherheitsrat und konkurriert um einen der zehn nicht ständigen Sitze vor allem mit Portugal. Da allein die Afrikaner 50 Stimmen in die Waagschale bringen, könnte ein Boykott insbesondere im Alleingang zu einer Abstimmungsniederlage führen.“ Das kann allerdings kein Grund für eine Teilnahme an der UN-Tagung sein, wie Graw deutlich macht: „Auch Kanada bewirbt sich im Herbst kommenden Jahres für einen der Sitze im UN-Sicherheitsrat. Dennoch will Ottawa die bevorstehende Genfer Konferenz boykottieren.“ Ein weiterer Anlass für die Bundesregierung, der grotesk-schauerlichen Versammlung in der Schweiz aller Kritik zum Trotz beizuwohnen, könnten die bekanntermaßen überaus guten ökonomischen Beziehungen Deutschlands zu den arabisch-muslimischen Staaten und zum Iran sein, die sich durch einen deutschen Boykott womöglich verschlechtern würden.

Falls die deutsche Regierung aber tatsächlich aus „Durban II“ aussteigen sollte, müsste sie konsequenterweise den nächsten Schritt gehen und insbesondere die wirtschaftliche Kooperation mit dem Iran von sich aus beenden. Alles andere würde keinen Sinn ergeben, denn man kann schlecht eine Konferenz ächten, auf der Israel verdammt wird, und gleichzeitig seine Zusammenarbeit mit dessen Feinden fortsetzen. Allerdings hat die Bundesregierung dieser Widerspruch zwischen Solidaritätsbekundungen gegenüber dem jüdischen Staat und einer Packelei mit denen, die ihn vernichten wollen, noch nie sonderlich gestört.

Das Foto entstammt einer Kundgebung gegen einen antisemitischen Aufmarsch in Köln am 10. Januar 2009. © Lizas Welt

16.3.09

Krisenfester Exportschlager



Finanzkrise? Bankenpleiten? Konjunktureinbruch? Pah! Wie der Exportweltmeister seinen Titel souverän gegen die Chinesen verteidigen und dabei auch noch historisches Bewusstsein geltend machen kann, legt Malte S. Sembten im folgenden Gastbeitrag für Lizas Welt anschaulich dar.


There’s no business like Shoa business. Ein zukunftsweisendes Geschäftsmodell für den (noch) amtierenden Exportweltmeister

VON MALTE S. SEMBTEN


Deutschland leidet derzeit sehr, unter anderem an einer veritablen Exportmisere. Wir mögen uns damit abgefunden haben, dass nach Hollywood exportierte deutsche Schauspieler häufig remittiert werden. Ebenso damit, dass nach Pakistan ausgeführte deutsche Islam-Terroristen regelmäßig als Retoure wieder bei uns aufschlagen. Aber ist es nicht der globale Exporterfolg von weltweit renommiertem Ingenieurshandwerk made in Germany, der uns stattdessen nationale Identität und wirtschaftlichen Status verleiht? Und nun das: Ausgerechnet der Export des deutschen Maschinenbaus ist um bedenkliche 2,7 Prozent geschrumpft, der deutscher Autos und Autoteile gar um verheerende 20 Prozent!

Noch sind wir angeblich amtierender Exportweltmeister. Noch sind wir Papst (das ist allerdings immer häufiger auch peinlich, aber jedenfalls besser, als wenn wir Bischof Williamson wären). Und fest gedrückte deutsche Daumen halfen bislang gegen Sanktionen der Uno und Druck aus den USA, sodass die deutschen Ausfuhren in die Islamische Republik Iran im vergangenen Jahr sogar um ermutigende zehn Prozent wachsen konnten. Dazu passt die wunderbare Nachricht, dass eine Umfrage der BBC uns zur beliebtesten Nation der Welt kürte. Daher wird Deutschland es vermutlich überstehen, sollte es als Weltmeister des Exports abgelöst werden. Wir wissen nämlich aus Erfahrung, dass man als Weltmeister der Herzen über eine herbe Niederlage im globalen Wettbewerb leichter hinwegkommt.

Und doch, und doch: Keine Nation, deren heimatliche Scholle weder Öl birgt noch Gas, lebt von der Liebe der Völker allein. Aus diesem Grunde möchte ich auf eine bisherige ökonomische Nische hinweisen, die gerade in unserer gegenwärtigen geopolitischen Situation laut danach schreit, zu einem lukrativen globalen Markt ausgebaut zu werden – wobei keine Nation eine bessere Qualifikation hierfür mitbringt als Deutschland. Worauf ich anspiele, ist Deutschlands Holocaust-Kompetenz – ein einmaliger Know-how-Vorsprung, der wirtschaftlich bisher noch nicht genügend nutzbar gemacht wurde. Warum sollte nicht der Erfinder des Holocaust – wie einst der Erfinder des Automobils – sich seiner Meriten besinnen, um die Weltmarkt-Führerschaft auf seinem gottgegebenen Gebiet zu beanspruchen? Vom Holocaust-Weltmeister zum Holocaust-Exportweltmeister!

Das ist kein Grund zur Bange. Ich meine ja nicht den Export von Holocaust-Anwendertechnologie, obwohl wir natürlich auch auf diesem Sektor über eine konkurrenzlose Erfahrung und hervorragendes Expertenwissen verfügen. Sicher: Erst kürzlich führte ein maßgeblicher deutscher Gas-Lobbyist in Teheran ein vertrauliches Gespräch mit unserem derzeit chancenreichsten Verfolger im Rennen um den Holocaust-Weltmeistertitel. Doch Mahmud Ahmadinedjad ist bei dieser spannenden Aufholjagd nicht an veralteter Holocaust-Anwendertechnologie interessiert. Schließlich bastelt er – übrigens längst mit Hilfe der deutschen Konkurrenz – mit Hochdruck an der modernen, weil atomaren Vernichtung der Juden.

Nein, vielmehr geht es mir um den mittelfristig uneinholbaren deutschen Vorsprung auf dem Gebiet des Holocaustgedenkens, einmalig manifestiert im Größten Holocaustmahnmal der Welt (GröHoMadeWe). Dieses Holocaustmahnmal im Zentrum unserer Hauptstadt war eine äußerst kostspielige Investition. Sein Grundstück hat einen Wert von 40 Millionen Euro, die Baukosten betrugen fast 15 Millionen Euro allein für das Stelenfeld, von den Unterhaltskosten in Millionenhöhe ganz zu schweigen. Dennoch haben die Aufwendungen sich in mehr als nur einer erhofften Hinsicht amortisiert; man könnte glatt sagen, dass das Mahnmal Stele für Stele ein Reibach ist. Der weltoberste Friedhofswärter der sechs Millionen mustergültigen Juden findet durch das GröHoMadeWe nämlich schon mal Nachsicht, wenn er den Totengräbern aller noch übrigen aufmüpfigen Juden beiläufig Handlangerdienste leistet: Unser GröHoMadeWe legitimiert uns schließlich, besten Gewissens Bomben-Geschäfte mit dem Iran zu tätigen, und es gibt Deutschland Rückendeckung, wenn es keine Lust darauf hat, die zu Führers Geburtstag anberaumte Durban-II-Party zu verpassen.

Der Islam ist global auf dem Vormarsch; islamische Staaten bestimmen immer mehr den Ton in der Welt. Gerade aber in muslimischen Ländern genießen sowohl Industrieprodukte mit dem Herkunftssiegel „Made in Germany“ als auch der industrielle Holocaust made in Germany einen exzellenten Ruf. Was läge also näher, als das Erfolgsmodell Holocaustdenkmal zu exportieren? Sind die hässlichen Haarrisse in den Stelen und andere Kinderkrankheiten des Berliner Prototyps erst einmal kuriert, könnten Qualitätsholocaustmahnmale aus deutschen Landen zum Exportschlager werden. Unser Alt- oder vielmehr Ex-Kanzler Gerhard Schröder hat bereits ein ansprechendes Testimonial zum Holocaust-Mahnmal geprägt („Ein Ort, an den man gerne geht“), das sich aufgrund seiner leichten Übersetzbarkeit in arabische und andere Sprachen und wegen der hohen Popularitätswerte Schröders außerhalb Deutschlands hervorragend als Claim für ein internationales PR-Konzept eignet.

Das beste Sprungbrett zu den avisierten Absatzmärkten wäre wohl unser bewährter Handelspartner Iran, wo, wenn nicht alles täuscht, in absehbarer Zeit Interesse an einem eigenen Holocaustmahnmal bestehen dürfte. Der erwartungsgemäße „Me too“-Effekt in zahlreichen geistesverwandten Weltgegenden würde die Nachfrage steil ansteigen lassen. Ein internationaler Siegeszug deutscher Holocaustmahnmale aller Größen- und Preisklassen wäre nicht mehr aufzuhalten. Vielleicht spricht dann ein zukünftiger deutscher Wirtschaftsminister an einem künftigen 27. Januar zum Holocaust-Gedenktag im Bundestag die folgenden stolzen Worte: „Und somit begehen wir heute nicht nur jenen Tag, an dem wir aus Solidarität mit den toten Juden Europas laut vernehmlich bekennen: ‚Heute sind wir alle Holocaust-Opfer!’, sondern wir feiern zugleich den Export des 25. Holocaustmahnmals und prall gefüllte Auftragsbücher der blühenden deutschen Holocaustmahnmal-Industrie!“

Foto: Lizas Welt

9.3.09

Rache ist Blutwurst



Sie hatten es angekündigt, und sie haben es wirklich getan:
Dutzende antiisraelische Aktivisten lieferten sich am Samstag Straßenschlachten mit der Polizei beim Versuch, die verschlossene Halle zu stürmen, in der das Tennis-Daviscup-Spiel Schweden gegen Israel stattfand. Die Demonstranten warfen Steine und Feuerwerkskörper auf Polizeiwagen, als sie die Absperrungen durchbrechen wollten, durch die sie von der Halle fern gehalten werden sollten. Hunderte Bereitschaftspolizisten drängten die Aktivisten mit Hilfe von Schlagstöcken zurück. Berichten zufolge gab es keine Verletzten; fünf Personen seien jedoch festgenommen worden, sagte Polizeisprecher Lars Hakan Lindholm. Die Ausschreitungen brachen im Anschluss an eine Demonstration aus, die im Stadtzentrum von Malmö stattgefunden hatte. 7.000 Menschen hatten sich dort versammelt, um Reden zu hören, in denen Israels Vorgehen im Gazastreifen verurteilt und die Unterstützung der Palästinenser gefordert wurde.

Die Organisatoren des Protests unter dem Motto „Stoppt das Match“ hatten eine friedliche Demonstration angekündigt, doch linksextreme Aktivisten schworen, das Tennisspiel, das in Malmö vor leeren Rängen ausgetragen wurde, zu sprengen. Der Vorsitzende der schwedischen Linkspartei, Lars Ohly, sagte auf der Demonstration, die Europäische Union und der Rest der Welt sollten „das rassistische Regime in Israel boykottieren“. Einige Demonstrationsteilnehmer marschierten schließlich auf die Halle zu und griffen dort die Polizei mit Eiern, Steinen und Feuerwerkskörpern an. Das Tennis-Doppel zwischen Schweden und Israel begann dennoch wie geplant vor rund 300 ausgewählten Gästen, die von den beiden Tennisverbänden eingeladen worden waren.
Dazu muss man noch wissen, dass der Stadtrat von Malmö eine Doppelfunktion ausgeübt hat: Zum einen war er als Vermieter der Halle unmittelbar in die Organisation des Daviscup-Spiels eingebunden, zum anderen gehört seiner linken Mehrheit eine Reihe von Parteien an, die die „Stoppt das Match“-Aktivitäten getragen haben. Das heißt: Als antiisraelische Demonstranten hätten die linken Stadträte die Partie am liebsten ganz verhindert, als linke Stadträte haben die antiisraelischen Demonstranten dann zumindest durchgesetzt, dass die Begegnung ohne Zuschauer über die Bühne gehen muss – mit der Begründung, die Sicherheit der israelischen Spieler könne nicht gewährleistet werden. (Dass das eine faule Ausrede war, hat die Polizei übrigens sofort deutlich gemacht.) Oder noch kürzer: Der antisemitische Mob hat in Malmö ein internationales Wettbewerbsspiel mit israelischer Beteiligung nachhaltig gestört.

Aus der Parlamentsfraktion dieses Mobs hatte der sozialdemokratische Malmöer Stadtratsvorsitzende Ilmar Reepalu bereits zuvor immer wieder kund getan, es gehe ihm nicht nur um die anstehenden Tennis-Matches: „Meine Meinung nach sollte man generell überhaupt nicht gegen Israel spielen“, hatte er beispielsweise gegenüber der Tageszeitung Sydsvenskan erklärt und die israelische Intervention in Gaza als Grund geltend gemacht. Israel sei der Aggressor gewesen und habe mehr als vierhundert palästinensische Kinder umgebracht, sagte Reepalu. Die Daviscup-Begegnung sei eine Provokation für die in Malmö lebenden Araber und daher „kein gewöhnliches Match“, sondern „ein Match gegen den Staat Israel“. Dem Mann muss irgendwann mal ein Volley-Return direkt durch die Synapsen diffundiert sein.

Der schwedische Tennisverband sowie Politiker der konservativen und liberalen Parteien kritisierten das Vorhaben, vor leeren Tribünen zu spielen, und die Tiraden gegen Israel als „völlig überzogen“. Die Vorsitzende des schwedischen Sportverbands, Karin Mattsson Weijber, sprach von einem „inakzeptablen Beschluss“. Das von einer konservativen Mehrheit regierte Stockholm erklärte seine grundsätzliche Bereitschaft, das Spiel in der Hauptstadt stattfinden zu lassen, sagte aber schließlich doch wieder ab: Die Vorbereitungszeit sei zu knapp. Unterdessen hatten schwedische Neonazis angekündigt, an der antiisraelischen Demonstration der Linken teilzunehmen. So wuchs schließlich zusammen, was zusammen gehört.

Doch die ganze Angelegenheit endete mit einer echten Genugtuung, denn die israelischen Tennisprofis gaben die passende Antwort auf dem Court: Sie gewannen das Match mit 3:2 und brachten ihre Farben erstmals seit 1987 wieder ins Daviscup-Viertelfinale. Der israelische Tennisspieler Harel Levy bemerkte anschließend trocken: „Womöglich haben die Schweden dieses Spiel verloren, weil ihnen die Unterstützung der Zuschauer fehlte. Die Umstände haben sie stärker beeinträchtigt als uns. Hoffentlich passiert so etwas nicht noch einmal.“

Übersetzungen: Lizas Welt

3.3.09

Kapitalvernichtung in Krisenzeiten



Die Hamas war zwar nicht zur „Geberkonferenz“ ins ägyptische Sharm al-Sheikh eingeladen worden, aber man kann getrost davon ausgehen, dass ihre Führer vor Freude über die Ergebnisse dieser Zusammenkunft das eine oder andere Tränchen verdrückt und ein Dabke-Tänzchen hingelegt haben. Mit über vier Milliarden Euro – und damit gleich doppelt so viel wie von der wenig bescheidenen Palästinensischen Autonomiebehörde gefordert – wollen die „Geberländer“ nun in den nächsten zwei Jahren den „Wiederaufbau“ des Gazastreifens alimentieren. Natürlich versprachen sie pflichtschuldigst, die Gotteskrieger sähen davon keinen Heller – allein: Es blieb offen, wie das in einem von der Hamas vollständig kontrollierten Gebiet eigentlich bewerkstelligt werden soll, will man keine monströse Kapitalvernichtung betreiben. Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton sagte lediglich, Washington werde „dafür sorgen, dass die Extremisten nichts von diesem Geld erhalten“. Da kamen den Hamas-Granden erneut die Tränen, diesmal jedoch nicht vor Rührung, sondern vor Lachen.

Freude herrschte aber auch bei den spendablen Teilnehmern der Konferenz – Freude und trotzige Entschlossenheit. „Die Welt kann es sich nicht länger leisten, den Weltfrieden von der Laune und den Interessen der Extremisten auf beiden Seiten der Konfliktparteien abhängig zu machen“, formulierte Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy nachgerade prototypisch die europäische Äquidistanz aus, mit der de facto das israelische Recht auf Selbstverteidigung verneint wird. Hillary Clinton wiederum forderte „die Zwei-Staaten-Lösung, und zwar schnell“ – schneller womöglich noch, als Kassam-Raketen fliegen können. Und ein anderer amerikanischer Diplomat wird von Spiegel Online mit den Worten zitiert: „Die Tage sind vorbei, als sich israelische Ministerpräsidenten einfach mit Washington verbinden ließen, um politische Anweisungen zu erteilen.“ Da bedankte sich Syriens Außenminister Walid al-Muallim aufs Herzlichste bei Clinton, und der Vizegeneralsekretär der Arabischen Liga, Muhammad Sobeih, stieß spitze Schreie der Verzückung aus.

Dies gewiss umso mehr, als die prallen Zuwendungen an keinerlei Bedingungen geknüpft sind, die ihren Namen verdienten. Die Palästinenser sollten sich untereinander halt wieder vertragen, wurde gemurmelt. Dass die Hamas darauf kaum erpicht ist und schon gar kein Interesse an einem Ende der Raketenangriffe auf Israel hat – den Waffenstillstand hält sie wie selbstverständlich nicht ein –, ignorierte man dabei so geflissentlich wie absichtsvoll. Dafür wurde der jüdische Staat schroff auf die „Grenzen von 1967“ verwiesen – eine Forderung übrigens, die die meisten Israelis gerne erfüllen würden, wenn sie dafür nur von Raketenterror und Selbstmordanschlägen verschont blieben. Es ist schon bizarr: Die Hamas wird für den jahrelangen Raketenbeschuss geradezu fürstlich belohnt, während man Israel de facto auffordert, Selbstmord zu begehen, indem man von ihm verlangt, sein Selbstverteidigungsrecht nach den Vorstellungen der „Geberländer“ auszuüben – also am besten gar nicht.

Und dass der Bevölkerung des Gazastreifens ein Gefallen getan wird, wenn man Alimente ausschüttet, die sich die Hamas unter den Nagel reißt, darf man zumindest bezweifeln. Die britische Schriftstellerin Yvonne Green hat soeben in einem äußerst lesenswerten Reisebericht für die Jerusalem Post beschrieben, wie es in und um Gaza aussieht. Was sie wahrnahm, hatte mit den – fast ausnahmslos auf palästinensische Quellen gestützten – deutschen und europäischen Lageberichten nichts gemein: „Der Gazastreifen, den ich sah, war gesellschaftlich intakt. Es gab keine Obdachlosen, verletzt umher Irrende, hungrige oder notdürftig bekleidete Menschen. Die Straßen waren belebt. Die Läden waren mit bestickten Kleidern und riesigen Kochtöpfen behängt, die Märkte voll frischem Fleisch und wunderschönem Gemüse [...]. Mütter, begleitet von dreizehnjährigen Buben, erzählten mir, dass sie es satt hätten, außer Haus zu sein, den ganzen Tag auf Trümmern herumzusitzen und der Presse zu erzählen, wie sie überlebt hätten. [...] Niemand pries die Regierung, während sie mir die Tunnel zeigten, in die Kämpfer verschwanden. Niemand erklärte Hamas zum Sieger dafür, dass sie eine zivile Front geschaffen hatten, während sie mir die Reste von verminten Häusern und Schulen zeigten.“

Green begab sich auch an Orte vorgeblicher israelischer Kriegsverbrechen – und fand dort vor allem Belege für palästinensische Inszenierungen und Mythenbildungen, angefangen bei der Zahl der Toten und Verletzten und noch längst nicht beendet bei der angeblich durch die israelische Armee beschossenen UN-Schule: „Beim Anblick von Al-Fakhora ist es unmöglich nachzuvollziehen, wie UN und Presse je behaupten konnten, die Schule sei von israelischen Panzergranaten getroffen worden. Die Schule, wie der Großteil von Gaza-Stadt, war offensichtlich intakt. Mir wurde der Punkt gezeigt, von wo die Hamas aus der Umgebung der Schule gefeuert hatte, und die Anzeichen der israelischen Geschosse auf der Straße außerhalb der Schule waren unverkennbar. Ich traf Mona al-Ashkor, eine der 40 Verletzten, die auf Al-Fahora zurannten – und sich nicht darin aufhielten, wie weithin und wiederholt berichtet wurde. Ich erfuhr, dass Israel die Leute gewarnt hatte, nicht in die Schule zu fliehen, weil die Hamas in der Umgebung operierte. Einige Menschen hatten die Warnung ignoriert, weil die UNRWA ihnen sagte, dass sie in der Schule sicher seien. Presseberichten, wonach 40 Menschen getötet wurden, wurden bestritten.“ Greens Einschätzung wird inzwischen übrigens nicht einmal mehr von der Uno selbst bestritten.

Unterdessen freut sich die Hamas schon auf die nächste Konferenz – die just heute in Teheran beginnt und sich um „israelische Kriegsverbrechen“ dreht. „Nähere Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt gegeben“, meldete die Deutsche Presse-Agentur, die gleichwohl ohne weiteres Risiko zu der Einschätzung gelangen konnte, dass die Veranstaltung eine „Unterstützung für die radikal-islamische Hamas im Gazastreifen“ ist. De iure war das die „Geberkonferenz“ in Sharm al-Sheikh zwar vielleicht nicht, de facto aber sehr wohl – das ist bezeichnend genug. Und so kann sich die Gotteskriegertruppe in Bälde güldene Abschussrampen leisten – sowie Raketen, die mit Allahs Wille und iranischer Hilfe noch ein bisschen weiter fliegen als bisher. Wenn Israel dann die Antwort erneut nicht schuldig bleibt, sind wieder ein paar Milliarden fällig. Und damit die nächsten Freudentränen und Dabke-Tänzchen bei der Hamas.

Herzlichen Dank an Mona Rieboldt und Claudio Casula für wertvolle Hinweise. – Das Foto zeigt (von links) die Hamas-Führer Ismail Hanija und Khaled Meshaal nebst Palästinenserpräsident Mahmud Abbas von der Fatah.

1.3.09

Keine Reise ins Verdurban



Wie schrieb es Caroline Glick kürzlich noch in ihrem Beitrag zum Beschluss der amerikanischen Regierung, die Antirassismuskonferenz der Uno Ende April – besser bekannt als Durban II – nicht zu boykottieren, sondern den Vorbereitungstreffen zu dieser Veranstaltung in Genf beizuwohnen? „Wenn die Obama-Regierung nun an der Durban-II-Kampagne partizipiert, wird sie möglicherweise zwar einige der schädlichsten Passagen im Entwurf der Konferenzerklärung abmildern. Aber das gleicht den Schaden nicht aus, den ihre Teilnahme gegenüber Israel anrichtet. Denn durch diese Teilnahme an der Konferenz unterstützen die USA letztlich de facto den Krieg gegen den jüdischen Staat.“ Jetzt hat die Regierung der Vereinigten Staaten diesen Fehler korrigiert und doch noch ihren Boykott bekannt gegeben.

Das State Department begründete den Rückzug damit, man habe durch die kürzlich erfolgten Verhandlungen in Genf die Erkenntnis gewonnen, dass das Schlüsseldokument – die Grundlage der Abschlusserklärung – für Durban II ein „nicht mehr zu rettendes“ Papier ist. Daher nähmen die USA an keinen weiteren Planungsmeetings teil – und auch nicht an der Konferenz selbst. Dieser Beschluss könne sich nur noch einmal ändern, wenn drei Bedingungen erfüllt würden: 1. Es dürfe im Dokument kein Staat besonders ins Visier genommen werden; 2. die Passagen, in denen „Religionsverunglimpfung“ als rassistische Menschenrechtsverletzung qualifiziert wird, müssten gestrichen werden, weil sie einen Angriff auf die Freiheit der Rede darstellten; 3. Forderungen nach Reparationszahlungen für den Kolonialismus dürften nicht Gegenstand der Agenda sein. Außerdem fordert die amerikanische Regierung, das Abschlussdokument dürfe keine Bestätigung seines Vorgängers aus dem Jahr 2001 werden.

Man kann getrost davon ausgehen, dass sich das Vorbereitungskomitee, im dem Libyen und der Iran die Feder führen, auf diese Bedingungen nicht einlassen wird. Denn Punkt 1 würde bedeuten, auf eine Verurteilung Israels zu verzichten, Punkt 2 hieße, Kritik am Islam ertragen zu müssen, und spätestens mit Punkt 3 wird der Forderungskatalog auch für die afrikanischen Konferenzteilnehmer unannehmbar, von denen sich nicht wenige auf die Seite der islamischen Staaten geschlagen haben. Der bonus track mit dem Abschlussdokument, das nicht an das vor acht Jahren anknüpfen soll, streicht dann noch einmal ein zentrales Ziel der dominierenden Kräfte von Durban II dick durch.

Die Rückzugsentscheidung der Regierung Barack Obamas hatte einige Erleichterung zur Folge. Die israelische Außenministerin Tzipi Livni beispielsweise sagte, auf der Konferenz werde der Kampf gegen den Rassismus als Deckmantel für antisemitische und antiisraelische Ressentiments benutzt, weshalb sie froh über den Boykottbeschluss der USA sei. Auch amerikanische jüdische Gruppierungen begrüßten den Schritt. Und selbst aus Europa kommt – wenn auch zaghaft und zögerlich – das Versprechen, über eine Nichtteilnahme zumindest nachzudenken. In Frankreich, Großbritannien, Tschechien und den Niederlanden gab es diesbezügliche Initiativen bereits vor dem Ausstieg der USA aus Durban II. Die Bundesregierung hingegen zieht es bislang vor, sich in Schweigen zu hüllen und Boykottaufrufen mit Ignoranz zu begegnen.

Was bleibt, ist die Frage, was eigentlich die Kehrtwende der US-Regierung – jenseits ihrer eigenen Bekundung – herbeigeführt hat. Der ehemalige Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, John Bolton, vermutet dahinter vor allem Profilierungssüchte bei Barack Obama und seinen Beratern. Deren Durban-II-Strategie sei letztlich ein „multilaterales Durcheinander“, so Bolton, zumal es keiner Teilnahme an einer Vorbereitungskonferenz bedurft hätte, um die indiskutablen Ziele von Durban II zu erkennen, die man durch die Beteiligung am Planungstreffen trotz des schließlichen Boykotts diskutabel gemacht habe. Und Jennifer Rubin mosert auf Contentions, dem Weblog des angesehenen Commentary Magazine, die Obama’sche „Wir haben alles versucht“-Attitüde, wie sie in Bezug auf die Antirassismuskonferenz der Uno zum Ausdruck komme, sei ein Beispiel für die „moralinsaure und unaufrichtige“ Politik der neuen US-Regierung. In der Praxis sei diese zwar oft gar nicht weit von der Vorgängerregierung George W. Bushs entfernt; doch um das nicht zugeben zu müssen, veranstalte sie allerlei Trara und ergehe sich in selbstdienlicher Rhetorik.

Yaacov Lozowick nimmt auf seinem Weblog einen anderen Standpunkt ein. Er kann am Vorgehen der USA nichts Negatives entdecken: „Letztlich sind es die Obama-Amerikaner, die die Konferenz boykottieren, nicht die Bush-Amerikaner. Alles in allem scheint das Prozedere vernünftig zu sein. Die neue Regierungstruppe hatte eine eher ungewöhnliche Position geerbt – Amerika ruft nicht oft zum Boykott von etwas auf –, also machte sie sich an deren Prüfung. Dabei erfuhren sie aus erster Hand, dass die Position ihrer Vorgängerin korrekt war, und übernahmen sie. Mir scheint, das hätte man nicht besser machen können.“

Gleichwie: Der Beschluss der amerikanischen Regierung, wie Israel und Kanada dem antisemitischen Tribunal namens Durban II fern zu bleiben, ist eine gute Nachricht. Und dies umso mehr, als in und mit der Boykotterklärung nicht nur der jüdische Staat geschützt, sondern auch Position gegen den Versuch bezogen wird, jedwede Kritik am Islam als „rassistisch“ zu brandmarken. Die Entscheidung erhöht außerdem den Druck auf die europäischen Teilnehmer. Man darf nun gespannt sein, ob es tatsächlich Nachzügler gibt – oder ob sich der deutsche und europäische Multilateralizismus einmal mehr höchstselbst zur Kenntlichkeit entstellt.

Herzlichen Dank an Benjamin Weinthal für wertvolle Hinweise.