Comeback der Chartbreaker
Das Warten hat ein Ende, und das ist, um es mit dem Berliner Bürgermeister zu sagen, auch gut so: Heute Abend startet die Fußball-Bundesliga in ihre 45. Saison. Und da die Zuständigen für den Spielplan nicht mehr wie in früheren Tagen einfach nach Schema F verfahren, sondern zum Auftakt gleich einen Knaller präsentieren sollen, lassen sie den Meister auf den Vizemeister los, also Stuttgart auf Schalke. Dass von den Bayern trotzdem deutlich mehr gesprochen und geschrieben wird als von diesem Kick, hat zwei Gründe: Erstens sind es halt die Bayern, und zweitens haben sie die für Deutschland historische Summe von siebzig Millionen Euro abgehoben, um sich zurückzuholen, was anderen gar nicht erst zusteht. Eine klare Kampfansage an die Münchner steht noch aus; fast hat man den Eindruck, als traue sich niemand so recht, das Visier hochzunehmen.
Es ist, zugegeben, derzeit nicht übermäßig unpopulär, eine Prognose abzugeben, wie die anstehende Spielzeit vonstatten gehen wird – das tut schließlich allenthalben schon ein nicht unbeträchtliches Quantum an vermeintlichen und tatsächlichen Experten. Dennoch sei an dieser Stelle ein weiterer diesbezüglicher Beitrag gestattet; das definitiv Unvorhersagbare vorherzusagen, ist zwar ein unmögliches Unterfangen, aber es bezieht seinen Reiz bekanntlich gerade daraus. Wer hernach halbwegs richtig liegt, kann sich seines Sachverstandes rühmen; wer irrt, den erinnert das Kurzzeitgedächtnis ohnehin nicht mehr daran: eine wenig riskante Angelegenheit also, die den Einsatz deshalb lohnt. Musik, bitte!
VfB Stuttgart: Alle Jubeljahre mal Meister, aber das sind nur Momentaufnahmen, denen regelmäßig der Sturz ins Jammertal folgt. Das Glück der Stuttgarter könnte es sein, dass alle vollkommen auf die Bayern fixiert sind und deshalb in Vergessenheit gerät, wer eigentlich Deutscher Meister ist. Ihr Pech: Sie wissen es selbst schon nicht mehr. Prognose: Uefa-Pokal-Platz. Pop-Hymne: Our last summer (ABBA).
Schalke 04: Man glaubt nicht ernsthaft daran, die Bayern in Gefahr bringen zu können. Und deshalb versucht man es auch gar nicht erst, Gazprom hin, Gazprom her. Mirko Slomka wird die Saison nicht überstehen, und am Ende lautet die denkwürdige Bilanz: 50 Jahre ohne Schale. Prognose: Ebenfalls Uefa-Pokal. Pop-Hymne: Hit me baby one more time (Britney Spears).
Werder Bremen: Der Start dürfte ziemlich holprig sein, aber dann wird es wieder geschmeidig laufen – wie (fast) immer. Egal, wer kommt, egal, wer geht (und sei es Klose, den in Bremen ohnehin niemand mehr wollte): Wo oben ist, ist Werder, Schaaf und Allofs sei Dank. Prognose: Vizemeister. Pop-Hymne: Praise you (Fatboy Slim).
Bayern München: Mag sein, dass Geld keine Tore schießt. Aber es erhöht die Erfolgschancen beträchtlich. Prognose: Meister. Pop-Hymne: Glory days (Bruce Springsteen).
Bayer Leverkusen: Seit Skibbe keinen Popper-Mittelscheitel mehr trägt, läuft es besser, trotz des Pokal-Aus in Pauli. Zum Vizekusen reicht es noch nicht wieder; dennoch wird Bayer die Überraschung der Saison. Daran ändern auch die peinlichen „Werkself“-Shirts nichts. Prognose: Dritter. Pop-Hymne: Don’t stop me now (Queen).
1. FC Nürnberg: Nachdem Mainz und Freiburg eine Klasse tiefer kicken, sind die Franken der neue Everybody’s Darling der Bundesliga, nicht zuletzt wegen ihres tatsächlich formidablen Trainers. Aber der sieht die Dinge nüchtern und glaubt nicht an eine Wiederholung der Vorjahreserfolge. Zu Recht. Prognose: Gesicherter Mittelfeldplatz. Pop-Hymne: Over my shoulder (Mike & The Mechanics).
Hamburger SV: Um ein Haar hätten sie im Stadion die Uhr stilllegen müssen, die die ununterbrochene Zugehörigkeit des HSV zur Eliteliga auf die Sekunde genau anzeigt. Der Schreck ist dem gesamten Klub in die Glieder gefahren und hält sich dort immer noch auf. Aber nicht mehr allzu lange. Prognose: UI-Cup-Platz. Pop-Hymne: It ain’t over till it’s over (Lenny Kravitz).
VfL Bochum: Gekas weg, Misimovic weg, Wosz weg. Dass die Besten gehen (oder aufhören), ist man beim VfL allerdings schon gewöhnt. Eine Fahrstuhltruppe wird er deshalb immer bleiben, aber dieses Jahr klemmt der Aufzug noch, bevor er wieder in den Keller fährt und Grönemeyer mit in die Zweite Liga nimmt. Prognose: Klassenerhalt, ganz knapp. Pop-Hymne: Forever young (Alphaville).
Borussia Dortmund: Dass sie den Schalkern die Meisterschaft versaut haben, davon zehren sie beim BVB immer noch. In Dortmund ist man halt bescheiden geworden. Die Neuzugänge sind allerdings beachtlich, und der Burschenschafter Metzelder hat zur Freude von Wörns endlich eine neue Verbindung. Prognose: Oberes Mittelfeld, einstelliger Tabellenplatz. Pop-Hymne: Shout (Tears for Fears).
Hertha BSC Berlin: Dass der neue Trainer mit dem Charme eines sozialdemokratischen Studienrats in der Hauptstadt Weltbewegendes reißt, ist unwahrscheinlich. Dieter Hoeneß wird also weiterhin zu Tobsuchtsanfällen genötigt sein. Prognose: Mittelfeld. Pop-Hymne: Dreamer (Ozzy Osbourne).
Hannover 96: 3:0 im Testspiel gegen Real Madrid – Chapeau! Immerhin sind sie an der Leine nicht wie in Köln und erwarten deshalb nicht gleich den Meistertitel. Das ist auch besser so. Prognose: Einstelliger Tabellenplatz im Mittelfeld. Pop-Hymne: Holding out for a hero (Bonnie Tyler).
Arminia Bielefeld: Die „Mitgliederoffensive“ läuft immer noch auf Hochtouren, und wer jetzt eintritt, kann alles gewinnen, was der Ostwestfale so braucht: einen Möbelgutschein, ein Wasserbett, einen Partyservice-Gutschein, sechs Monate Gratis-Strom und ein Candle-Light-Dinner im Stadion beispielsweise. Middendorps Führerschein steht aber nicht auf der Preisliste. Schade eigentlich. Prognose: Erneuter Klassenerhalt. Pop-Hymne: Liebe ohne Leiden (Udo Jürgens).
Energie Cottbus: „Im Herzschlag vereint“, lautet die Begrüßung auf der Homepage des Vereins. Allzu wörtlich sollte man das wohl besser nicht nehmen. Immerhin: Gut möglich, dass Ede Geyer im Laufe der Saison auf den Trainerstuhl zurückkehrt. Aber das ändert nichts. Prognose: Platz 16. Pop-Hymne: Millionär (Die Prinzen).
Eintracht Frankfurt: Inamoto und Mahdavikia zu verpflichten, war ohne Frage eine gute Idee. Sonst wäre es wahrscheinlich mal wieder knapp geworden. So aber wird die Eintracht irgendwo im Niemandsland der Tabelle kicken – und ansonsten auf einen erneuten Pokal-Coup setzen. Nicht zu Unrecht. Prognose: Mittelfeld. Pop-Hymne: Tage wie dieser (Juli).
VfL Wolfsburg: Eigentlich sollte ja Peter Hartz beim VfL Trainer und Manager in Personalunion werden, aber der VW-Vorstand hatte was dagegen. Deshalb kam Felix Magath, dem man nachsagt, dass selbst sein Schäferhund einen Bauch hat wie ein Brett. Das reicht zwar nicht, um Wolfsburg aus der Bedeutungslosigkeit zu befreien, aber am Ende werden sogar die Mitarbeiter der Geschäftsstelle topfit sein. Prognose: Unteres Mittelfeld. Pop-Hymne: Bruttosozialprodukt (Geier Sturzflug).
Karlsruher SC: Wenigstens ein Aufsteiger muss ja irgendwie drin bleiben, also wird es der KSC schaffen. Anschließend kehrt Oliver Kahn zurück. Und Edgar Schmitt. Und Winfried Schäfer. Prognose: Ebenfalls unteres Mittelfeld. Pop-Hymne: I will survive (Gloria Gaynor).
Hansa Rostock: Wird als Abstiegskandidat Nummer eins gehandelt und ist es tatsächlich. Wie soll man sich auch aufs Fußballspielen konzentrieren, wenn es im Klub drunter und drüber geht? In diesem Chaos geht die Kogge gleich wieder unter. Vorher springt Frank Pagelsdorf aber noch ab. Prognose: Letzter. Pop-Hymne: Goodbye (Sasha).
MSV Duisburg: Ailton wird zweifellos auch bei seinem insgesamt elften Klub Tore machen. Ansonsten klingt aber nur der Name des Physiotherapeuten Ronald Dynio, schnell ausgesprochen, nach mehr. Und das ist: zu wenig. Prognose: Vorletzter. Pop-Hymne: Don’t you forget about me (Simple Minds).