17.6.10

Links, zwo, drei gegen Israel

Eigentlich, so könnte man meinen, sollte der Linkspartei angesichts ihrer obszönen Angriffe gegen Israel und ihrer jede Realität verleugnenden Verteidigung des „Free Gaza“-Unternehmens der Wind zumindest empfindlich kühl ins Gesicht blasen. Denn seit die israelische Armee vor gut zweieinhalb Wochen notgedrungen mit Gewalt verhindert hat, dass eine von Islamisten dominierte und von deren europäischen Claqueuren abgesicherte „Friedensflotte“ die maritime Blockade des Gazastreifens durchbricht, gelangen täglich neue Informationen über das wahre Ziel und den tatsächlichen Verlauf dieser „humanitären Mission“ ans Tageslicht. Selbst deutsche Medien kommen nicht umhin, einige Hintergründe der Geschehnisse auf der Mavi Marmara näher zu beleuchten, denn – so schrieb es die Betreiberin des Weblogs Die Flache Erde vermutlich nicht zu Unrecht – wenn Journalisten hierzulande „Linke noch weniger mögen als Juden, kommt ab und zu mal so etwas wie angemessene Berichterstattung heraus“.

Und dennoch taugt die Beteiligung von linken Bundestagsabgeordneten und NGO-Vertretern am gegen den jüdischen Staat gerichteten, militanten Propagandacoup nach wie vor nicht so richtig zum Skandal, wie auch selbst die offenkundigsten Ausreden und Verdrehungen der Paechs, Groths und Jochheims nach deren Rückkehr bislang ohne jede Konsequenz blieben. Schlimmer noch: Als der Deutsche Bundestag unlängst auf Verlangen der selbstredend vollkommen einsichtsfreien Linkspartei über eine „schnellstmögliche Aufklärung des Angriffs des israelischen Militärs auf einen internationalen Schiffskonvoi mit Hilfsgütern für Gaza“ diskutierte*, forderten Abgeordnete aller Parteien eine „internationale Untersuchung“ (die – wie man nicht erst seit dem Goldstone-Report weiß – zur obligatorischen tribunalartigen Verurteilung Israels mutieren würde). Zwar gab es während der Debatte hier und da ein paar zarte Worte der Kritik an den deutschen Parlamentariern, die zur Delegitimation Israels in See gestochen waren, doch insgesamt dominierte eine fraktionsübergreifende Verständnisinnigkeit die Unterredung deutlich.

Einig war man sich beispielsweise darüber, dass Israel die Blockade des Gazastreifens – die eingedenk der Tatsache, dass täglich mehr als 2.000 Tonnen Hilfsgüter auf dem Landweg dorthin geliefert werden, nur eingeschränkt als solche zu bezeichnen ist – aufzugeben hat, weil sie „für den Friedensprozess nicht hilfreich“ sei, wie etwa der CDU-Abgeordnete Andreas Schockenhoff glaubte. Auch andere machten aus ihrem Herzen keine Mördergrube: Rolf Mützenich, der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, hielt den „Einsatz des israelischen Militärs“ für „unverhältnismäßig“ und „nicht zu rechtfertigen“; der Freidemokrat Rainer Stinner war „erschreckt [sic!], mit welcher Geschwindigkeit es der gegenwärtigen israelischen Regierung gelingt, Freunde und Partner in aller Welt zu verlieren“; sein Parteikollege Werner Hoyer, Staatsminister im Auswärtigen Amt, rief aus: „Was wir [!] brauchen, ist eine fundamentale Änderung der israelischen Gazapolitik“, und Kerstin Müller von den Grünen bezeichnete die israelische Politik schlicht als „inhuman“ und „völkerrechtswidrig“.

Wenn es um Israel geht, gibt es nämlich keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche. Und deshalb hatte auch Annette Groth nichts zu befürchten, als sie im Plenarsaal vor die Mikrofone trat, um aufs Neue ihre Version der Vorfälle auf der Mavi Marmara zum Besten zu geben und sich unwidersprochen als „Zeugin“ – vulgo: als Opfer – „einer äußerst menschenunwürdigen Behandlung von Seiten der israelischen Soldaten“ zu inszenieren. Es gab noch nicht einmal einen Zwischenruf, als sie wahrheitswidrig behauptete: „Inzwischen haben auch die israelischen Streitkräfte eingeräumt, dass es sich bei den Aufnahmen eines Gesprächs, bei dem angeblich ein Aktivist die Militärs aufforderte, nach Auschwitz zurückzukehren, um eine Fälschung handelt.“ In Wirklichkeit hatte die IDF zunächst eine um die Sprechpausen gekürzte Fassung des Funkverkehrs veröffentlicht, die vollständige aber bereits kurz darauf ins Netz gestellt. Doch auf diesen Unterschied, der ein erheblicher ist, schien niemand im Hohen Hause Wert zu legen.

Gar noch dreister als Groth trieb es Christine Buchholz, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand der Linkspartei und eine derjenigen, die demonstrativ sitzen geblieben waren, als der israelische Präsident Shimon Peres seine Rede vor dem deutschen Parlament zum diesjährigen Shoa-Gedenktag beendet hatte. Auf ihrer Website legte die 39-Jährige kürzlich ihre „Argumente für die Free-Gaza-Bewegung“ dar und reihte dabei Unwahrheit an Verharmlosung und Leugnung an Verdrehung: Die todessehnsüchtigen islamistischen Schläger auf dem Deck der Mavi Marmara sind ihr „unbewaffnete ZivilistInnen“, die mit „Kinderspielzeug“ zur „Selbstverteidigung“ gegen den israelischen „Akt der Piraterie“ angetreten seien; die Kritik an der islamistischen Kadergruppe IHH – deren Vorsitzender Bülent Yildirim den Angriff auf die israelischen Soldaten persönlich befehligte – stellt sie unter den Verdacht der „Islamfeindlichkeit“ und des „antimuslimischen Rassismus“; das Ziel der Hamas ist Buchholz zufolge nicht etwa die Vernichtung des jüdischen Staates, sondern die Beendigung der „Besatzung durch Israel“ (die es bekanntlich schon seit 2005 nicht mehr gibt); gewählt worden sei diese Truppe, weil sie „für die Fortführung des Kampfes nach Selbstbestimmung argumentiert“ habe (das heißt ausweislich ihrer Charta: für die „Befreiung ganz Palästinas“ von den Juden). Und so geht es weiter, Wort für Wort, Zeile für Zeile und Seite für Seite.

Dass diese Positionen in der Linkspartei keineswegs randständig sind, machte Sören Pünjer für die Zeitschrift Bahamas in einem Redebeitrag auf einer pro-israelischen Kundgebung am vergangenen Samstag in Berlin überzeugend deutlich, indem er sich Gregor Gysis Rede zum 60. Jahrestag der israelischen Staatsgründung vornahm. Jene programmatische Rede also, die, so resümierte Pünjer, keine Absage an den Antizionismus gewesen sei, sondern vielmehr eine neue Strategie vorgegeben habe, nach der künftig der Antizionismus aus Machtgründen „israelsolidarisch ummantelt daherkommen“ müsse, „um im Falle einer Regierungsbeteiligung die Kritik an Israel so weit forcieren zu können, wie es die Regierungsmacht nicht gefährden würde“. Wer sich die Ansprache des Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag noch einmal genauer betrachtet, wird kaum zu einem anderen Ergebnis kommen: Gysis Bedauern darüber, dass in Bezug auf das Verhältnis zu Israel die „moralische Komponente, die aus der deutschen Geschichte erwächst“, so stark sei, „dass sich absehbar nichts ändern wird“, ist förmlich greifbar; seine Forderung, der jüdische Staat dürfe „nicht weiter versuchen, kulturell Europa im Nahen Osten zu sein“, beinhaltet nicht weniger als den Wunsch, Israel möge sich, wie Pünjer es treffend formulierte, „den autoritären und barbarisierenden Zuständen um es herum angleichen“ und „seine Verfasstheit als westlich orientierter demokratischer Staat um des lieben Friedens willen aufgeben“.

Kann also in der Linkspartei sein, wer es mit Israel hält? Natürlich nicht. Und deshalb unterbreitete die Hallenser Gruppe No Tears for Krauts den die Berliner Kundgebung unterstützenden Linksjugend-Genossen des Landesarbeitskreises Shalom aus Hamburg das Angebot, für jedes Parteibuch, das per sofort zurückgegeben wird, „eine Flasche Yarden-Wein aus dem hoffentlich für alle Ewigkeit israelischen Golan zu spendieren“. Denn das sei „weit mehr, als es das Heftchen wert ist“. Nach allem, was man weiß, ging übrigens niemand auf die Offerte ein. Bezeichnend.

* Das vollständige Protokoll der Sitzung findet sich hier; der die Anfrage betreffende, besser lesbare Auszug aus dem Protokoll findet sich hier.

Das Foto (© Dissi) entstand während der Kundgebung „Gegen das Bündnis der Kriegstreiber von Linkspartei und Hamas! Solidarität mit Israel!“ am 12. Juni 2010 in Berlin vor der Zentrale der Linkspartei, dem Karl-Liebknecht-Haus. Das Plakat ist an einen Titel von Peter Licht angelehnt und spielt auf die Geschlechtersegregation auf der Mavi Marmara an, der sich die beiden Bundestagsabgeordneten der Linkspartei widerspruchslos unterwarfen.