12.5.09

Breathtaking Break



Schöpferische Pausen machen sich in Übersee ganz besonders gut. Nachfolgend ein paar Eindrücke aus den vergangenen zweieinhalb Wochen in den USA und Kanada. Und damit sei die Pause beendet.



Detroit ist Motown (der Name ist eine Kurzform für „Motor Town“ und spielt auf die Rolle Detroits als Autostadt an), und Motown ist Detroit. Vor 50 Jahren gründete der Profiboxer Berry Gordy das Plattenlabel Motown Records mit einem geliehenen Startkapital von 800 Dollar – es war der Beginn einer unvergleichlichen Erfolgsstory, die mit Namen wie Stevie Wonder, Marvin Gaye und Diana Ross sowie mit Bands wie den Temptations, den Supremes und den Jackson Five verbunden ist. Und nicht zuletzt mit den Funk Brothers, jenen lange Zeit völlig zu Unrecht kaum bekannten Sessionmusikern, die bis 1972 die weitaus meisten Motown-Hits überhaupt erst ermöglichten. Im Hitsville U.S.A. genannten Hauptquartier, einem ehemaligen Fotolabor, wurden jahrelang die Motown-Songs produziert; noch heute kann in dem zum Museum umgestalteten Haus das Studio betrachtet werden. Berry Gordys Spuren sind dort im Wortsinne sichtbar: Der Fußboden ist an jener Stelle, die der Motown-Chef mit seinen Füßen zum Takt der Musik traktierte, bis auf das Fundament abgewetzt.


Keine Arbeiterromantik in der Autostadt Detroit, sondern die unwiderstehliche Faust des in dieser Stadt aufgewachsenen Joe Louis – einer der besten Boxer aller Zeiten, wie Max Schmeling 1938 spätestens nach zwei Minuten und vier Sekunden erkannt haben dürfte, als er gegen den Amerikaner k.o. ging. Louis nahm damit Revanche für seine Niederlage gegen die NS-Ikone zwei Jahre zuvor und blamierte so die von den Nazis angekündigte Demonstration der angeblichen Überlegenheit der „weißen Rasse“ gründlich. Später unterstützte Joe Louis die US-Army auf vielfältige Art und Weise in ihrem Krieg gegen Deutschland. Darüber hinaus wurde er zu einem Symbol für die Emanzipation der afro-amerikanischen Bevölkerung in den USA.


Ronald Reagans Dienstwagen, ausgestellt im Henry-Ford-Museum im Detroiter Vorort Dearborn. Gemeinsam mit der sagenhaften Greenfield Village – die man wahlweise zu Fuß oder mit Nachbauten des Modells Ford T durchqueren kann – bildet der riesige Ausstellungskomplex das größte Indoor-Outdoor-Museum der USA. Dass Henry Ford nicht nur ein erfolgreicher Unternehmer war, sondern auch ein glühender Antisemit, der aus Überzeugung mit den Nationalsozialisten kooperierte, wird allerdings rundweg unterschlagen.


Blick vom achten Weltwunder, der Brooklyn Bridge in New York, auf Manhattan. Der Architekt der Brücke, der deutsche Einwanderer Johann August Röbling, erlebte die Fertigstellung seines Meisterwerks nicht mehr mit. Rainer Nolden schildert auf Spiegel Online den Grund dafür: „Im Sommer 1869, wenige Wochen nach Beginn der Bauarbeiten in Brooklyn [...], fand die traumhafte Karriere ein jähes Ende. Es war der 28. Juni, als Röbling an der Landungsbrücke der Fultonfähre stand und eine Fähre ihm den rechten Fuß zerquetschte. Und nun beging der so geniale Konstrukteur einen fatalen Fehler. Weil er Ärzte verachtete und immer allein auf die Kräfte der Naturheilung setzte, begnügte Röbling sich damit, die Wunde auszuwaschen. Am 22. Juli 1869 starb er am Wundstarrkrampf – einen Monat nach seinem 63. Geburtstag.“


Manhattan, vom Empire State Building aus gesehen. 20 Dollar kostet die Fahrt mit dem Aufzug nach oben, und sie ist jeden Cent wert, vor allem bei einem solchen Traumwetter. Nur das nach den Terrorangriffen vom 11. September 2001 höchste Gebäude New Yorks kann man nicht sehen – logisch, denn dort befindet man sich schließlich.


Ground Zero. Die Dimension von Nine-Eleven ist nicht einmal ansatzweise zu erfassen. Auch nicht aus der Nähe.


Downtown Manhattan, auf dem Broadway. Atemberaubend.


Inside Katz’s Deli(catessen), Lower East Side Manhattan. Wer davon noch nicht gehört hat, hat aber vielleicht den Film When Harry met Sally (deutsch: Harry und Sally) gesehen und damit auch diesen grandiosen Laden. Schlappe 14,95 Dollar muss man für ein Pastrami-Sandwich hinblättern, weitere fünf Dollar für ein Stück New Yorker Cheesecake. Egal: Es ist ein Genuss ohne jede Reue. Womöglich war Sallys Höhepunkt gar nicht gefaket.


Das Weiße Haus in Washington D.C., in dem Barack Obama nicht nur nach Ansicht von Norman Podhoretz, John Rosenthal und Jeffrey Herf gerade zeigt, warum John McCain vermutlich die bessere Wahl gewesen wäre.


Das Lincoln Memorial in der Washingtoner National Mall. Ein Tipp für diejenigen, die in die amerikanische Hauptstadt reisen: Die Mall erkundet man am besten mit dem Fahrrad, und ein solches Gefährt leiht man sich am besten bei Rollin’ Cycle in der zentral gelegenen 14th Street Nr. 1320. Das kostet zwar 38 Dollar pro Tag, aber dafür bekommt man einen leistungsstarken Drahtesel, auf dem es sich sitzt wie auf einem Chopper. Und wenn mal der Schlüssel für das Schloss verloren geht, hebt der Chef des Verleihs nur kurz die Schultern, sagt „it happens“ und händigt einen Ersatzschlüssel aus.


Das Capitol, der Sitz des Kongresses, also der amerikanischen Legislative. Um das Gebäude herum entstand die Stadt. Sein Name leitet sich vom wichtigsten der sieben Hügel Roms ab, dem Kapitolinischen Hügel. Apropos Hügel: Mit den Fahrrädern von Rollin’ Cycle ist Capitol Hill ein Klacks, selbst für Raucher.


Der Crystal genannte Erweiterungsbau des Royal Ontario Museum in Toronto, Kanada. Wenn man das Bild um 45 Grad im Uhrzeigersinn dreht, wird der Komplex auch nicht weniger schräg. Eine architektonische Sensation.


Unterwegs auf der Yonge Street in Toronto, der längsten Straße der Welt, die am Ufer des Lake Ontario beginnt und nach mehr als 2.000 Kilometern an der Grenze des US-Bundesstaates Minnesota endet. „Toronto“ heißt übrigens so viel wie „Ort der Zusammenkünfte“ oder einfach „Treffpunkt“. Kein Wunder: Kanada hat rund 33 Millionen Einwohner; fast ein Viertel davon lebt in dieser wunderbaren Stadt.


Die Niagarafälle, von der kanadischen Seite aus gesehen. Muss man nicht hin? Muss man wohl hin!