Kanzler(be)dämmerung?

„Die halboffizielle Jomhouri Islami berichtete am Montag, der frühere deutsche Kanzler Helmut Kohl habe angeblich zu iranischen Geschäftsleuten in Deutschland gesagt, er pflichte Äußerungen des iranischen Präsidenten Mahmoud Ahmadinedjad bei, nach denen der Holocaust ein ‚Mythos’ gewesen sei. Die der Regierung gehörende Tageszeitung schrieb, Kohl haben bei einem Gala-Dinner mit iranischen Hotelbesitzern und Unternehmern gesagt, er stimme Ahmadinedjads Bemerkungen über den Holocaust ‚von Herzen’ zu. [...] ‚Jahrelang wollten wir das sagen, aber wir hatten nicht den Mut, es auszusprechen.’“Mag sein, dass das nur eine Presseente ist, Folge des Wunsches der Mullahs und ihrer Verlautbarungsorgane wie Jomhouri Islami nach prominenten Bündnispartnern zwecks Legitimation ihres Vernichtungswahns. Dafür spricht, dass Kohl nie ein Holocaust-Leugner war. Im Unterschied zu Rot-Grün – das die Vergangenheitsbewältigung™ zum Exportschlager und Standortvorteil gemacht und das Land offensiv für geläutert erklärt hat, um mit diesem Geschichtsverständnis eine aggressive antiamerikanische und trotz aller Treueschwüre auch antiisraelische Politik zu treiben – folgten die unionsgeführten Bundesregierungen unter dem Pfälzer zwar noch der Linie einer teilweise offenen Geschichtsrelativierung. Doch auch sie zogen nicht ernsthaft in Zweifel, dass es die Shoa gegeben hatte.

Nicht vergessen werden sollte auch, dass der kritische Dialog mit den Islamisten, insbesondere im Iran, nicht von Rot-Grün erfunden wurde, sondern von Kohls Außenminister Klaus Kinkel, was auch damals schon katastrophale Folgen zeitigte. Die Schröder/Fischer-Regierung hat den Talk mit den Juden- und Amerikahassern dann jedoch ausgebaut, und das lag ganz auf der Linie ihres Gesamtkunstwerks: In dem Maße, wie Sozialdemokraten und Grüne sich als Sachwalter des anständigen Deutschland präsentierten – die schließlich jahrelang die Holocaust-Relativierung von Schwarz-Gelb kritisiert hätten und daher einen unbefangenen Umgang mit der Shoa postulieren dürften –, pflegten sie die Beziehungen mit den Feinden Israels und der USA umso mehr, je dringender es gewesen wäre, sich an die Seite der Bedrohten und Angegriffenen zu stellen. Und der erste richtige Kriegseinsatz seit 1945 – der Angriff auf Jugoslawien – wurde mit einer Begründung geführt, die man Kohl gewiss noch um die Ohren gehauen hätte: ein zweites Auschwitz zu verhindern. Nur störte das jetzt kaum noch jemanden; die Vorarbeit des Kanzlers der Einheit wurde geschickt integriert und mit der nötigen Glaubwürdigkeit versehen – antifaschistischer Antiimperialismus hieß das schon im Gefolge von 1968, aber jetzt wurde der ganze Spaß erst so richtig staatstragend.
Helmut Kohl ist nicht nur schon lange nicht mehr im Amt, er ist mehr oder minder vollständig entmachtet und darf dabei zusehen, wie sein ehemaliger Schützling Angela Merkel zumindest einige seiner gröbsten Verfehlungen zu korrigieren bemüht ist. Möglich daher, dass er auf seine alten Tage – er wird bald 76 – noch einmal richtig die Sau raus und sich gehen lässt, jetzt, wo Rücksichtnahme von ihm nicht mehr zwingend verlangt wird und man die Gelegenheit hat, das, was Kohl tut und sagt, notfalls seiner fortschreitenden Senilität zuzuschreiben.
Außer Iran Focus News hat, wie es aussieht, bisher niemand von dem Treffen des ehemaligen Kanzlers mit den iranischen Geschäftleuten berichtet. Zu erwarten wäre im Falle einer Nachforschung, ob die übermittelten Statements auf dem Gala-Dinner wirklich so gefallen sind, mutmaßlich ein Dementi. Aber vielleicht sollte diese Recherche dennoch angestellt werden, statt die Meldung einfach zu ignorieren.
Hattip: Rolf