11.4.06

Special Guest: Mohammed

Sicher kennen Sie South Park, oder? Genau, diese amerikanische Zeichentrickserie mit den anatomisch unförmigen, kulleräugigen Mondgesichtkindern Stan, Kyle, Eric und Kenny; zweidimensional, spartanisch animiert und in ihrer schlichten Schönheit, ja doch: genial. Sie läuft in den USA seit 1997 auf dem Kabelsender Comedy Central; ihre Väter sind Trey Parker und Matt Stone. Denen ist Political Correctness ein Graus, und so ist in den Episoden wirklich nichts und niemand heilig – was sie umso sehenswerter macht. Eine Gruppe und ein damit zusammenhängendes Thema blieben bislang jedoch verschont, wohl weniger aus Sympathie für sie denn aus Furcht. Aber jetzt – zugegeben schon eine ganze Weile nach der Gewaltwelle, die sich die Mohammed-Cartoons zum Vorwand nahm – geht es auch in South Park um den Islam, die Muslime und den Propheten.* Zwei Folgen sind dazu angekündigt; die eine lief bereits letzte Woche, die andere soll am kommenden Mittwoch ausgestrahlt werden. Und ein Blick auf den ersten Teil** ist ausgesprochen lohnenswert.

Sein Plot dreht sich um die Propheten-Karikaturen; er beginnt mit einer Szene, in der Stan, eine der Hauptfiguren, von seinem hysterischen Vater aus dem Bett gejagt wird. Die Familie schließt sich einer kreischenden Menschenmenge an, die verzweifelt Schutz sucht. Der Grund für die Panik: In der South Park-Episode plant Fox, der Sender der Sitcom The Family Guy, die Ausstrahlung einer Folge, in der Mohammed mitwirken soll. Die Bewohner verbarrikadieren sich in einer Art Dorfgemeinschaftshaus, weil sie erneute Ausschreitungen von Muslimen befürchten. Erst am nächsten Morgen verlassen sie ihre provisorische Festung, nachdem sich Fox in letzter Minute entschieden hat, die Sequenzen mit Mohammed zu zensieren. Doch der Sender kündigt an, den Propheten im zweiten Teil eine Woche später auf jeden Fall ungefiltert zeigen zu wollen. Die South Park-Folge endet schließlich damit, dass die amerikanische Bevölkerung ihre Köpfe im Sand vergräbt und eine Stimme aus dem Off fragt: „Wird das amerikanische Volk sicher sein? Wird ‚Fox’ die ‚Family Guy’ senden? Werden sie Mohammed unzensiert zeigen? Sehen Sie nächste Woche, ob ‚Comedy Central’ sich traut.“

Die im besten Sinne komische Episode ist schon wegen ihres metaphorischen Aufbaus großartig. The Family Guy bei Fox ist darin nichts anderes als South Park bei Comedy Central, und wie erschiene Mohammed zwangsläufig in einer Sitcom, die sich in einem Zeichentrickfilm abspielt? Natürlich als Cartoon. Darüber hinaus weist die Ankündigung von Fox, in der nächsten Woche das Allerheiligste der Muslime auflaufen zu lassen, ebenfalls über die Binnengeschichte hinaus und sorgt für Spannung in Bezug auf die Frage, was in der nächsten South Park-Folge tatsächlich vorkommen wird – und ob Comedy Central sie überhaupt sendet.

Eine entsprechende Aufforderung an die TV-Anstalt ergeht nicht nur durch diesen dramaturgischen Kniff, sondern auch durch Handlung und Aussage des ersten South Park-Teils. Verschieden Protagonisten machen zu unterschiedlichen Gelegenheiten deutlich, dass Free Speech nicht nur schöner Schein sein darf, sondern eben auch verteidigt werden muss. Ein South Park-Bürger beispielsweise stellt klar:
„Die freie Rede steht hier auf dem Spiel, merkt ihr das nicht? Wir sollten alle Cartoons von Mohammed zeichnen und den Terroristen und Extremisten zeigen, dass wir vereint sind in dem Glauben, dass jeder Mensch das Recht hat, zu sagen, was er will. Schaut mal, Leute, es war zuletzt immer wirklich einfach für uns, für das freie Wort einzustehen. In den vergangenen Jahrzehnten mussten wir nichts riskieren, um es zu verteidigen. Aber jetzt ist die Zeit dafür gekommen. Und wenn wir nicht willens sind, das zu riskieren, was wir jetzt haben, dann glauben wir nur an die freie Rede, aber wir verteidigen sie nicht.“
Eric wiederum erklärt Kyle, was das Problem an der (Selbst-) Zensur darstellt:
„Die Sache ist ganz einfach, Kyle: Um eine Show für immer zu töten, muss man nur eine Episode absetzen. Wenn wir jetzt der Muslime wegen eine Folge nicht zeigen, können die Katholiken auch verlangen, dass etwas nicht gesendet wird, wenn es ihnen nicht passt. Das Recht haben dann auch die Behinderten und so weiter und so fort, bis es ‚The Family Guy’ nicht mehr gibt.“
Man darf gespannt sein, was am Mittwoch in und mit South Park passiert. Der Auftakt ist auf jeden Fall höchst viel versprechend. All diejenigen, die nicht über die Möglichkeit verfügen, sich die letzte Folge aus dem Internet herunterzuladen**, seien mit einem anderen zeichnerischen Beitrag getröstet, den es bei Zipperfish gibt – und der an Deutlichkeit ebenfalls nichts zu wünschen übrig lässt, schon alleine sprachlich nicht.

* Leser Max Schwing weist allerdings zu Recht darauf hin, dass sich Parker und Stone in ihrem grandiosen Film Team America schon deutlich früher und an exponierter Stelle dazu positioniert haben.
** Für einen Download benötigt man das Programm Bittorent; die Folge ist dann hier erhältlich (etwa 180 MB).
Übersetzung: Liza, Hattip: Jonny