Eine Schande namens Uno
Im Oktober dieses Jahres wählt die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur, kurz: Unesco, in Paris einen neuen Generaldirektor. Der Favorit für diesen Posten ist der ägyptische Kulturminister Faruk Hosni – ein ausgewiesener Antisemit. Und das ist kein Zufall, sondern Uno-Normalität.
Am 30. Mai, also in wenigen Tagen, endet die Frist für die Bewerbung auf das Amt des Unesco-Chefs. Derzeit gibt es vier Kandidaten – neben Hosni (Foto) sind eine Litauerin, eine Bulgarin und ein Kulturfunktionär aus Oman im Rennen –, wobei dem Ägypter die weitaus größten Chancen eingeräumt werden, die Nachfolge des Japaners Koïchiro Matsuura anzutreten. Hosnis Nominierung wurde unter anderem von Frankreich, Italien und Spanien unterstützt. Doch bereits vor einem Jahr gab es massiven Ärger um den Kandidaten, nämlich in Israel: Hosni hatte im ägyptischen Parlament auf die Behauptung eines Abgeordneten der Muslimbruderschaft, in Ägyptens Buchhandlungen und Bibliotheken stünden zu viele israelische Bücher, geantwortet: „Bring mir diese Bücher, und wenn es sie gibt, werde ich sie vor deinen Augen verbrennen.“ Auf Empfehlung des israelischen Botschafters in Kairo erhob das israelische Außenministerium daraufhin scharfen Protest bei der ägyptischen Regierung. Der Kulturminister selbst verteidigte sich und bestätigte damit die Kritik erst recht: Seine Äußerung sei lediglich metaphorisch gemeint gewesen; außerdem sei das Ganze ein Hinterhalt der Regierungen in Israel und den USA.
Die Causa Hosni wäre in Europa wohl weitgehend unbeachtet geblieben, hätten nicht der Philosoph Bernard-Henri Lévy, der Filmregisseur Claude Lanzmann und der Nobelpreisträger Elie Wiesel am vergangenen Donnerstag in der französischen Zeitung Le Monde (die deutsche Übersetzung findet sich in der gestrigen Sonntagsausgabe der FAZ) unter dem Titel „Die Schande der Unesco“ ein flammendes Plädoyer gegen den Bewerber und seine mögliche Wahl gehalten. In ihrem Aufruf machen sie deutlich, dass Hosni nicht nur die Vernichtung israelischer Bücher befürwortet hat, sondern schon mehrmals mit antisemitischen Statements aufgefallen ist:
„Wer erklärte im April 2001: ‚Israel hat nie einen Beitrag zur Zivilisation geleistet, zu keiner Epoche; es hat sich immer nur die Güter anderer angeeignet’? Und wer hat zwei Monate später nachgelegt: ‚Die israelische Kultur ist eine unmenschliche Kultur, eine aggressive, rassistische, überhebliche Kultur, die auf einem ganz einfachen Prinzip beruht: Zu stehlen, was ihr nicht gehört, um es anschließend als etwas Eigenes auszugeben’? Wer hat bereits 1997 dargelegt und später überall wiederholt, er sei der ‚erbitterte Feind’ aller Versuche seines Landes, mit Israel normale Beziehungen zu pflegen? [...] Wer hat 2001 in der Zeitung Ruz al-Yusuf behauptet, dass Israel in seinem dunklen Streben von den internationalen Medien unterstützt werde, die von ‚Juden infiltriert’ seien, die dort ‚Lügen verbreiten’?“Lévy, Lanzmann und Wiesel schlussfolgern, Faruk Hosni sei nicht würdig, das Amt des Unesco-Generaldirektors zu bekleiden. Denn er stehe „nicht für Frieden, Dialog und Kultur, sondern für das Gegenteil dessen“. Doch mit dieser Einschätzung treffen die drei „nur bedingt ins Schwarze“, wie Thomas von der Osten-Sacken zu Recht feststellt: „Denn so genau sehen dieser Tage international anerkannte Männer des Friedens, der Kultur, des Dialoges – und vor allem des Dialoges zwischen den Kulturen – nun einmal aus; schließlich leben wir in Zeiten, in denen als Kriegstreiber gilt, wer für den Sturz klerikalfaschistischer Regimes votiert, als Rassist, wer sich gegen religiöse Gebote in der Politik positioniert, und als Feind kultureller Eigenarten, wer nicht die lyrischen Ergüsse eines syrischen Verteidigungsministers für hohe Literatur hält.“ Wäre die Wahl Hosnis vor diesem Hintergrund nicht gewissermaßen die konsequente Fortführung der Groteske namens „Durban II“?
Genau hier ist der Knackpunkt zu finden. Gewiss haben Lévy, Lanzmann und Wiesel Recht, wenn sie schreiben: „Faruk Hosni ist ein gefährlicher Mann, ein Brandstifter der Herzen.“ Gewiss liegen sie richtig, wenn sie fordern: „Jeder ist aufgerufen zu verhindern, dass die Unesco in die Hände eines Mannes gerät, der, wenn er das Wort Kultur hört, mit Bücherverbrennung antwortet.“ Doch das Problem ist ein weitergehendes; das Problem sind die Vereinten Nationen höchstselbst. Denn es ist gerade kein unglücklicher Zufall, dass ein Holocaustleugner und Rassist wie Mahmud Ahmadinedjad auf ihrer Antirassismuskonferenz den Stargast geben darf. Und es ist gerade kein unglücklicher Zufall, dass ein Judenhasser, der Israel unter anderem in klassisch antisemitischer Manier den Diebstahl geistigen Eigentums vorwirft, ihr Chef für Kultur-, Wissenschafts- und Erziehungsfragen zu werden droht. All dies ist vielmehr ein getreues Spiegelbild der Struktur und Verfasstheit der Uno. Die „Schande“, von der Lévy, Lanzmann und Wiesel sprechen, ist keine der Unesco. Die Schande ist vielmehr die Normalität der „Weltorganisation“, in der die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte in ihr Gegenteil verkehrt wird. Und das nicht erst seit gestern.
Herzlichen Dank an Silke Opfer und Urs Schmidlin für wertvolle Hinweise.