Regime Change statt Dialog!
Von welchen Kräften wird die „Islamische Republik Iran“ getragen? Welche Gefahren gehen von ihr aus? Und wie kann sie überwunden werden? Diese und viele weitere Fragen hat der iranische Journalist Amir Taheri in einem Buch analysiert. Petra A. Fessel hat es für Lizas Welt gelesen.
VON PETRA A. FESSEL
Im Sommer dieses Jahres hat der in Paris und London lebende iranische Journalist Amir Taheri mit The Persian Night – Iran Under the Khomeinist Revolution eine gründliche Analyse der „Islamischen Republik Iran“ vorgelegt, die in Deutschland bislang jedoch hartnäckig ignoriert worden ist. Ein Grund hierfür könnte darin liegen, dass Taheri sich nicht scheut, das seit 30 Jahren in Teheran herrschende Regime das zu nennen, was es seinem Wesen nach ist: faschistisch. In 30 kurzen Essays liefert der Autor, der vor 1979 viele Jahre Chefredakteur der größten iranischen Tageszeitung Kayhan war, keine chronologische historische Abhandlung, sondern widmet sich vorwiegend der khomeinistischen Ideologie und dem auf ihr basierenden politischen System. Bereits die Staatsbezeichnung „Islamische Republik Iran“ offenbart Taheri zufolge eine dreifache Lüge: Das Regime sei weder islamisch noch demokratisch; Khomeini und seinen Anhängern sei die Geschichte und Kultur des Iran zudem nicht nur fremd, sondern sie lehnten sie ihrerseits strikt ab. Während angesichts der letzten beiden Punkte wenig Diskussionsbedarf besteht, wirft die von Taheri bestrittene Bedeutung des Islams für das in Teheran herrschende System zumindest Fragen auf.
Taheris grundlegendes Argument für seine These, die „Islamische Republik“ habe entgegen ihrer Selbstzuschreibung mit dem Islam nichts zu tun, lautet, der Khomeinismus beruhe auf einer extremen Variante der Shia, die ihrerseits wiederum nur von etwas mehr als einem Zehntel der 1,3 Milliarden Muslime auf der Welt geteilt werde. Viele Sunniten erkennten bereits Schiiten nicht als islamisch an und stünden insbesondere den Zwölfer-Schiiten – denen Khomeini und auch der amtierende iranische „Präsident“ Mahmud Ahmadinedjad angehören – äußerst ablehnend gegenüber. Diese Ablehnung beruhe auf Gegenseitigkeit: So dürften Sunniten in der „Islamischen Republik“ beispielsweise keine Moscheen an Orten bauen, an denen sie nicht die Bevölkerungsmehrheit bildeten, was dazu führe, dass es in Teheran keine einzige sunnitische Moschee gebe, obwohl dort drei Millionen Sunniten lebten. Auch höhere Staatsämter blieben Sunniten im Iran ebenso verwehrt wie Juden, Christen und anderen religiösen Minderheiten. Darüber hinaus stünden auch viele Schiiten den Khomeinismus äußerst skeptisch gegenüber, da sie den irakischen Ayatollah Sistani als religiösen Führer betrachteten und das von Khomeini geschaffene und bis zu seinem Tod selbst bekleidete Amt des Obersten Rechtsgelehrten, in dem religiöse und politische Autorität zusammenfielen und für das es keine historische Entsprechung gebe, rigoros ablehnten.
Nicht zuletzt aufgrund solcher und weiterer religiöser und kultureller Unterschiede zwischen der „Islamischen Republik“ und großen Teilen der muslimischen und vor allem arabischen Welt benötigte und benötigt das Regime in Teheran Taheri zufolge einen ideologischen Kitt, um sich als globale islamische Führungsmacht zu legitimieren. Dieses einigende Element stelle der Antisemitismus dar, der für Khomeini und seine Anhänger zum ideologischen Fundament gehört habe, obwohl der Judenhass im Iran bis 1979 vergleichsweise marginal gewesen sei. In Verbindung mit einem ausgeprägten Antiamerikanismus habe das Regime versucht, sich auf diese Weise die Sympathien in der islamischen Welt zu sichern und sich ungeachtet aller Differenzen als deren Fürsprecher zu etablieren. Obwohl diese Strategie bisweilen aufzugehen scheint, sind Spannungen zwischen den im Antisemitismus und Antizionismus vereinten radikalen Islamisten schiitischer und sunnitischer Prägung nicht zu übersehen. So weigern sich etwa die Führer der sunnitischen Hamas, deren Krieg gegen Israel von der „Islamischen Republik“ mit Millionen von Dollar finanziert wird, bei Besuchen in Teheran nach wie vor, gemeinsam mit ihren schiitischen Gastgebern zu beten oder gar dem Khomeini-Schrein zu huldigen.
Umfassend äußert sich Taheri zur Frage der Legitimität des Mullah-Regimes, die nicht nur außerhalb des Iran stark bezweifelt werde, sondern auch und insbesondere im Inneren des Landes. Sei die Revolution von 1979, die Khomeini an die Macht brachte und im Westen von vielen linken Intellektuellen wie etwa Michel Foucault enthusiastisch begrüßt wurde, nur durch ein breites Bündnis aus islamisch-marxistischen, bürgerlichen und religiösen Gegnern des Schahs möglich geworden, so habe sich die Unterstützung des Regimes seitens der iranischen Bevölkerung infolge der unmittelbar nach seiner Errichtung einsetzenden Repression stetig verringert. Als unterdrückte Gegner des Regimes führt Taheri dabei ebenso Arbeiter und Studenten an wie Frauen und religiöse oder ethnische Minderheiten wie die Baha’i, die Zoroastrier, die Kurden und die Belutschen. Auch dem demografischen Faktor spricht Taheri eine wichtige Rolle zu: Fast siebzig Prozent der Iraner seien unter 30 Jahre alt und hätten folglich keine Erinnerungen an den Schah, dafür aber überaus konkrete Erfahrungen mit dem totalitären khomeinistischen System.
Taheri ermöglicht seinen Lesern einen überaus kenntnisreichen Blick auf das konkrete Handeln der „Islamischen Republik Iran“ und der dem Regime zugrunde liegenden Ideologie des Khomeinismus, dessen größte Feinde die Vereinigten Staaten, Juden und Frauen seien. Eine besondere Stärke von The Persian Night liegt dabei darin, dass sich der Autor zwar auch, aber nicht ausschließlich und nicht einmal vorrangig mit dem Atomwaffenprogramm der Mullahs auseinandersetzt. Gerade die schwerpunktmäßige Bezugnahme auf die Unterdrückung verschiedenster Minder- und im Falle der Frauen auch Mehrheiten im Iran sowie die von Taheri ebenfalls dargelegte Förderung des weltweiten Terrorismus durch das Regime verdeutlichen, dass das Atomwaffenprogramm zwar zu einem schnellen und entschlossenen Handeln drängt, die Notwendigkeit, die „Islamische Republik“ zu Fall zu bringen, aber auch unabhängig von deren Streben nach Nuklearwaffen besteht. Bleiben die wiederholt und unverblümt ausgesprochenen Vernichtungsdrohungen Teherans gegenüber Israel daher für sich genommen bereits Grund genug für einen Regime Change, wäre eine iranische Bombe schon allein deswegen mit allen Mitteln zu verhindern, da sie die Standfestigkeit eines faschistischen und terroristischen Regimes auf lange Sicht festigen würde.
Ausführlich diskutiert Taheri deshalb die Frage, wie sich der Westen im Allgemeinen und die Vereinigten Staaten im Speziellen dem Regime gegenüber verhalten sollten. An zahlreichen Beispielen demonstriert er, dass sich das Appeasement gegenüber der „Islamischen Republik“ in Form einseitiger Zugeständnisse oder Vertrauensvorschüsse des Westens in der Vergangenheit stets als zwecklos erwiesen haben und von Teheran lediglich als Zeichen von Schwäche aufgefasst worden sind. In diesem Zusammenhang weist Taheri mit Nachdruck darauf hin, dass das Regime entgegen westlichen Wunschvorstellungen nicht reformierbar und ein grundlegender Wandel in der Politik Teherans daher nicht zu erwarten ist. Folglich sei eine dauerhafte Aufhebung der terroristischen und in naher Zukunft möglicherweise atomaren Bedrohung der freien Welt im Allgemeinen und Israels im Speziellen durch die „Islamische Republik“ nur durch einen Regime Change zu erreichen.
Von diesen Prämissen ausgehend, befasst sich Taheri in den letzten Abschnitten von The Persian Night folgerichtig mit den Voraussetzungen für einen solchen Systemwechsel. Der Kampf der Mullahs gegen die eigene Bevölkerung sowie eine verfehlte Wirtschaftspolitik hätten im Inneren des Landes zwar zu einer stetig zunehmenden Unzufriedenheit mit der „Islamischen Republik“ geführt; dies sei jedoch noch keine hinreichende Bedingung für einen Regime Change. Für einen von den Menschen im Iran ausgehenden und nicht von außerhalb durch Militärgewalt herbeiführten grundlegenden Wechsel müssen Taheri zufolge drei weitere Grundlagen erfüllt sein: Erstens müsse es zu einem weitaus tieferen Riss in der Führung der „Islamischen Republik“ kommen, als dies bislang der Fall sei – eine Entwicklung, die sich seit dem Sommer dieses Jahres (als Taheris Buch bereits erschienen war) erheblich beschleunigt hat. Zweitens müssten die Stützen des Regimes nicht länger gewillt sein, es gegen die Mehrheit der Bevölkerung zu verteidigen. Anzeichen hierfür habe es bereits gegeben, als sich die iranische Armee im Jahr 2006 geweigert habe, Gewerkschaftsstreiks und studentische Demonstrationen niederzuschlagen, weshalb das Regime gezwungen gewesen sei, irreguläre und teilweise aus dem Ausland kommende Kräfte einzusetzen. Vergleichbares war bekanntlich auch nach der Revolte im Anschluss an Ahmadinedjads inszenierte „Wiederwahl“ zu beobachten.
Drittens, so Taheri, bedürften die Menschen im Iran alternativer Moralvorbilder und Inspirationen. Dies sei insofern problematisch, als es zwar eine Reihe exil-iranischer Oppositionsgruppen gebe, von denen jedoch keine für sich genommen in der Lage sei, eine Mehrheit hinter sich zu versammeln. Hoffnung setzt Taheri diesbezüglich auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets, stellt der Iran doch nach den Vereinigten Staaten die zweitmeisten Blogger auf der Welt. Allerdings gilt es hierbei zu bedenken, dass die von manch einem herbeigesehnte „Twitter-Revolution“ im Sommer dieses Jahres an ihre Grenzen stieß, sodass bis auf Weiteres eher von einem ergänzenden denn von einem entscheidenden Einfluss der Technik ausgegangen werden muss.
Obwohl er davon ausgeht, dass das iranische Regime grundsätzlich zu Fall gebracht werden kann, hält Taheri dessen baldiges Ende nicht für wahrscheinlich – eine Prognose, die sich durch die zumindest oberflächliche Normalisierung nach dem wochenlangen Aufstand im Anschluss an die gefälschten „Präsidentschaftswahlen“ im Juni 2009 zu bestätigen scheint. Da die von Taheri genannten Bedingungen für einen Regime Change dabei zum Teil bereits erfüllt zu sein schienen, wäre in diesem Zusammenhang gesondert zu untersuchen, warum die Revolte letztlich nicht in einen Systemwechsel mündete. Dabei müsste ein besonderes Augenmerk auf die Reaktionen des Westens gerichtet werden, der sich nicht dazu durchringen konnte, die Aufständischen zu unterstützen, sondern unbeirrt sein business as usual weiterbetrieb.
Darüber hinaus wäre angesichts des sich schließenden Zeitfensters bezüglich des iranischen Atomwaffenprogramms zu fragen, wie ein Regime Change von außen zumindest begünstigt, wenn nicht gar herbeiführt werden kann. Sich für einen solchen Wechsel auszusprechen und einzusetzen, hält Taheri im Gegensatz zur amtierenden US-Regierung für moralisch geboten und zweckmäßig. Er plädiert für eine Reihe von ökonomischen, diplomatischen und politischen Alternativen, um die erwähnten Voraussetzungen für einen Systemwechsel zu schaffen. Dabei betont Taheri, es sei ebenso möglich wie notwendig, sich zwischen den beiden Polen der in Europa und von der gegenwärtigen US-Regierung bevorzugten Beschwichtigung einerseits und des in den Vereinigten Staaten zumindest von prominenten Außenseitern wie dem ehemaligen UN-Botschafter John Bolton vorgeschlagenen militärischen Vorgehens andererseits zu bewegen.
Zunächst sei diesbezüglich die moralische und politische Klarheit des Westens gefordert, sich unmissverständlich für einen Regime Change auszusprechen, befindet Taheri. Eine Voraussetzung hierfür wiederum sei es, sich über das Wesen des khomeinistischen Regimes und die von ihm ausgehenden Gefahren bewusst zu werden. Es gelte zu erkennen, dass weder in Afghanistan noch im arabisch-israelischen Konflikt bedeutsame Fortschritte erzielt werden könnten, solange die klerikalfaschistische „Islamische Republik“ dies mit allem Nachdruck zu verhindern versuche. Eine eindeutige Position des Westens und vor allem der Vereinigten Staaten würden überdies sowohl die Opposition innerhalb des Iran stärken als auch dessen Nachbarländer ermutigen, sich Teherans Streben nach hegemonialer Dominanz zu widersetzen.
Zum Ende des Buches hebt Taheri hervor, wie eine auf den Sturz des faschistischen Regimes in Teheran gerichtete US-Politik konkret auszusehen habe: „Den Iranern muss, erstens, unmissverständlich klar gemacht werden, dass die Vereinigten Staaten das gegenwärtige despotische Regime niemals unterstützen oder legitimieren werden. Es muss dabei geholfen werden, die repressive Politik, die Menschenrechtsverletzungen, die zügellose Korruption und die schamlose Unterstützung einiger der schlimmsten Terrororganisationen auf der Welt zu enthüllen. Wichtiger und letztlich wohl auch effektiver ist es, zweitens, dass die Vereinigten Staaten ihre gewaltige Bühne nutzen, um den iranischen Kampf für die Freiheit bekannt zu machen.“
Es ist überaus bemerkenswert, dass die tatsächliche Politik der Obama-Regierung, die Taheri zum Zeitpunkt der Fertigstellung seines Buches noch nicht in Gänze vorausahnen konnte, diese beiden Handlungsempfehlungen nicht nur nicht befolgt, sondern in ihr Gegenteil verkehrt: Präsident Obama hat die Legitimität der „Islamischen Republik Iran“ in seiner Ansprache zum persischen Neujahr explizit anerkannt; seine Regierung hat sich zudem deutlich gegen eine auf einen Systemwechsel im Iran hinarbeitende Politik ausgesprochen und die Finanzierung des Iran Human Rights Documentation Center auslaufen lassen. Mit dem letzten Satz von The Persian Night bleibt daher die – gewiss nicht nur, aber auch und vor allem – an den Friedensnobelpreisträger des Jahres 2009 gerichtete Frage zu stellen: „Seit dem Sturz der Sowjetunion und des Apartheidregimes in Südafrika ist die Freiheit die Hauptsache auf der internationalen Bühne gewesen. Warum also nicht auch im Iran, und warum nicht jetzt?“
Amir Taheri: The Persian Night. Iran under the Khomeinist Revolution. Encounter Books, New York/London 2009. – Ebenfalls lesenswert ist Taheris Buch Morden für Allah. Terrorismus im Auftrag der Mullahs. Droemer/Knaur, München 2000.