Honsowitz des Tages
Es steht zu vermuten, dass der Verteidigungsattaché der deutschen Botschaft in Teheran von der Ansprache Mahmud Ahmadinedjads vor der UN-Vollversammlung derart beeindruckt war, dass er den Mann anschließend dringend einmal live sehen und hören musste. Anders ist die folgende Meldung der Nachrichtenagentur AFP nämlich kaum zu erklären:
Der deutsche Botschafter im Iran ist ins Auswärtige Amt einbestellt worden. Herbert Honsowitz sei „zu Konsultationen zurück nach Berlin gerufen“ worden, teilte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin mit. Wie aus Regierungskreisen verlautete, steht die Einbestellung in Zusammenhang mit einem Vorfall in Teheran, über den der „Spiegel“ am Wochenende berichtet hatte. Demnach war der Verteidigungsattaché der Botschaft zu einer Militärparade in der iranischen Hauptstadt gegangen, obwohl die EU-Botschafter sich darauf verständigt hatten, der Veranstaltung fernzubleiben. Bei der Parade, auf der Irans Präsident Mahmud Ahmadinedjad eine Rede hielt, wurden den Zuschauern neben Waffen auch Banner mit dem Aufruf zur Vernichtung Israels präsentiert. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) ist dem Bericht des „Spiegel“ zufolge „sehr verärgert“ über den Vorfall. Er wolle mit Honsowitz, der als iranfreundlich gelte, am Montag klären, ob der Botschafter seinem Verteidigungsattaché keine ausreichend klaren Anweisungen erteilt habe.Man darf gespannt sein, welche Ergebnisse diese Unterredung zutage fördert. Möglicherweise war die Anweisung des „iranfreundlichen“ Botschafters ja durchaus hinreichend eindeutig und lautete, sich die Banner auf der Parade ganz genau anzusehen, um im absehbaren Falle böswilliger Übersetzungsfehler seitens der zionistischen Kampfpresse gewappnet zu sein. Dann dürfte Steinmeier beruhigt sein, wenn ihm Honsowitz mitteilt, dass beim Aufmarsch in Teheran gar nicht zur Vernichtung Israels aufgerufen wurde, sondern nur dazu, das „Besatzungsregime von den Seiten der Geschichte zu tilgen“. So wie Ahmadinedjad bekanntlich auch vor den Vereinten Nationen bloß vor der jüdischen Weltverschwörung warnen, also ein bisschen Israelkritik betreiben wollte. Vielleicht hatte der Verteidigungsattaché – also der offizielle Vertreter des deutschen Verteidigungsministeriums im Iran – aber auch lediglich vor, die Möglichkeiten einer militärischen Kooperation mit den Mullahs auszuloten oder mit ihnen darüber zu plaudern, wie man eigentlich an Atomwaffen kommt.
Nennenswerte Konsequenzen wird Steinmeier aller Voraussicht nach jedenfalls nicht folgen lassen. Denn man kennt das Spielchen inzwischen: Für die Öffentlichkeit wird ein bisschen der Zeigefinger gehoben, aber viel mehr kommt nicht dabei heraus. Allenfalls muss sich der Herr Attaché halt künftig in irgendeinem anderen Schurkenstaat die Militärparaden anschauen. Der ach so verärgerte Außenminister selbst geht schließlich mit schlechtem Beispiel voran: Nach Ahmadinedjads UN-Rede sprach er zwar von „blankem Antisemitismus“, doch dann beließ er es – Überraschung! – dabei, „unsere gemeinsame Verurteilung“ einzufordern und vom Iran „ein klares Zeichen des Einlenkens und der Vertrauensbildung“ zu verlangen. Weitergehende Maßnahmen muss das Mullah-Regime selbstverständlich nicht fürchten. Wäre ja auch noch schöner, wenn die gut gehenden deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen Schaden nähmen, nur weil der Präsident der „Islamischen Republik“ redet wie der Führer persönlich.