27.2.09

Beihilfe zur Vernichtung



Als der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder kürzlich zum Tête-à-tête in Teheran weilte, ward es Teilen der deutschen Medienlandschaft etwas unbehaglich zumut’. Denn der Genosse der Bosse traf sich dort mit ausgewiesenen Holocaustleugnern, und das kommt im geläuterten, wiedergutgemachten Deutschland nicht ganz so gut. Schließlich legt man sich dort mächtig ins Zeug, um durch eine allfällige Trauer um die toten Juden die Selbstermächtigung zu salvieren, die lebenden Mores zu lehren. Und da ist so ein Smalltalk mit Ahmadinedjad, Laridjani & Co. tendenziell kontraproduktiv – selbst dann, wenn sich der deutsche Gesprächspartner klarzustellen beeilt, dass es „keinen Sinn macht“, die Shoa in Abrede zu stellen. (Ein vollkommen untaugliches, weil zweckgebundenes und damit diskutables Argument übrigens – weshalb Schröders Gastgeber die Angelegenheit denn auch gänzlich anders sahen, ohne dafür mit der Abreise ihres Besuchers auch nur rechnen zu müssen.)

Auf die Idee, Schröder dafür ins Visier zu nehmen, dass seine Iranreise vor allem praktizierter Wirtschaftslobbyismus war, der die Gefahr einer nuklearen Vernichtung des jüdischen Staates erhöht, kam hingegen kaum jemand. Verwunderlich ist das allerdings nicht, denn wer will – zumal in Zeiten der Krise – schon der deutschen Wirtschaft in die Parade fahren, deren Business mit den Mullahs durchaus prächtig gedeiht? Und so schweigt man weitgehend zur deutschen (und europäischen) Beihilfe zum Vorhaben der Mullahs, das zu vollenden, was die Nazis seinerzeit nicht mehr vollenden konnten. Wie diese Beihilfe konkret aussieht, hat Benjamin Weinthal, der Korrespondent der israelischen Tagszeitung Jerusalem Post in Deutschland, in einem Beitrag für das Wall Street Journal Europe ausgeführt. Lizas Welt dokumentiert nachfolgend, mit freundlicher Genehmigung des Autors, die von Kirsten Tenhafen ins Deutsche übersetzte und aktualisierte Fassung.


Wie europäische Unternehmen die Entwicklung der iranischen Atombombe fördern

VON BENJAMIN WEINTHAL


Während sich die Vereinigten Staaten verstärkt darum bemühen, den Iran vom Bau der Atombombe abzuhalten, profitiert die Islamische Republik von der Kooperation mit europäischen Firmen. Dabei unterstützt dieser Handel ein Regime, das entschlossen ist, sein nukleares Waffenprogramm weiterzuentwickeln, und das Terrororganisationen wie die Hamas und die Hizbollah finanziell unterstützt.

Der österreichische Ölriese OMV etwa brennt darauf, sein im April 2007 abgeschlossenes 22-Milliarden-Euro-Geschäft zu realisieren, in dessen Rahmen das South-Pars-Gasfeld im Persischen Golf entwickelt und Flüssiggas produziert werden soll. Schließlich warte man nur noch auf einen „Kurswechsel in der amerikanischen Politik“, so der Geschäftsführer der OMV, Wolfgang Ruttenstorfer, während der jährlichen Aktionärsversammlung im Mai letzten Jahres. Die Raiffeisen-Zentralbank, Österreichs drittgrößte Bank, ist ebenfalls im Iran aktiv und hat dort einem Bericht von Glenn Simpson im Wall Street Journal zufolge die Transaktionen europäischer Schlüsselbanken übernommen, nachdem diese ihre Tätigkeit im Iran eingestellt haben. Ende Januar sagte Paolo Scaroni, Vorstandschef der italienischen Energiegesellschaft Eni SpA, gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press, sein Unternehmen werde die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Iran erfüllen. Ein Druck von außen, die Beziehungen zur Islamischen Republik abzubrechen, sei nicht zu spüren.

Als Wirtschaftsmotor Europas ist Deutschland gerade wegen seines umfangreichen Handels mit dem Iran in der einzigartigen Position, Teheran unter Druck setzen zu können. Dennoch hat die unübersehbare Gefahr einer nuklearen Bewaffnung des Iran Deutschland bisher nicht davon abgehalten, dem Regime mit einem Handelsvolumen von annähernd vier Milliarden Euro im Jahr 2008 unter die Arme zu greifen und damit der wichtigste Wirtschaftspartner des Iran zu bleiben. Im Gegenteil: Von Januar bis November 2008 stiegen die Exporte ins Land der Mullahs um 10,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum aus dem Jahr 2007. Teil dieser blühenden Handelsbeziehungen waren unter anderem 39 Verträge über die Bereitstellung von „Dual-Use-Gütern“. Diese Güter können laut Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) sowohl für zivile als auch militärische Zwecke genutzt werden.

Ein weiteres Beispiel für die desolate Iran-Politik Deutschlands ist der Energie- und Technikriese Siemens. Während der jährlichen Aktionärsversammlung in München, die ich besucht habe, räumte der Vorstand ein, dass im Jahr 2008 Geschäfte im Wert von 438 Millionen Euro mit dem Iran abgeschlossen wurden. Außerdem werden die 290 Siemens-Mitarbeiter im Iran auch weiterhin in den Bereichen Gas, Öl, Infrastruktur und Kommunikation aktiv sein.

Besorgte Aktionäre und Vertreter der Nichtregierungsorganisation Stop the Bomb – einer breiten Koalition in Deutschland und Österreich, deren Ziel die Verhinderung der iranischen Atombombe ist – konfrontierten den Vorstandschef Peter Löscher mit detaillierten Fragen zu den Handelsbeziehungen des Unternehmens mit dem Iran. Ein Sprecher von Stop the Bomb monierte die Bereitschaft zum Handel mit einem Land, das für die Verletzung von Menschenrechten bekannt ist, angefangen von der brutalen Unterdrückung der Frauen bis hin zum Mord an Homosexuellen und zur Verfolgung Oppositioneller, von Gewerkschaftern sowie religiöser und ethnischer Minderheiten. Der Sprecher bezog sich dabei auch auf die Geschichte des Unternehmens während der Nazizeit, als Häftlinge aus dem Vernichtungslager Auschwitz zur Arbeit bei Siemens gezwungen wurden. Er fragte, wie das Unternehmen auf dem Hintergrund seiner Nazivergangenheit ein „antisemitisches und terroristisches Regime“, das mit der Vernichtung Israels drohe, unterstützen könne.

Löscher antwortete den 9.500 Aktionären in der Münchner Olympiahalle: „Für Siemens haben Compliance und Ethik höchste Priorität, auch was Menschenrechtsfragen betrifft.“ Dennoch gab er nach einigen weiteren Fragen des Stop the Bomb-Sprechers zu, dass Siemens als Teilhaber eines Joint-Ventures mit Nokia im letzten Frühjahr modernste Kommunikations- und Überwachungstechnologie in den Iran geliefert hat. Experten für Informationstechnologie gehen davon aus, dass die gelieferte Leitstellentechnik zum Abhören mobiler Telefon- und Festnetzverbindungen genutzt wird und dass diese Systeme dem iranischen Geheimdienst die Verfolgung von finanziellen Transaktionen sowie von Flugzeugbewegungen ermöglichen. Darüber hinaus können diese Technologien zur Überwachung von verfolgten Minderheiten oder Regimekritikern benutzt werden.

Als größter deutscher Handelspartner des Iran ist Siemens der Motor, was die weit reichenden wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Regime in Teheran betrifft. Deutsche Unternehmen wie Mercedes Benz, das auf seiner Internetseite eine iranische Vertriebszentrale aufführt, oder die Münchener Rück bleiben angesichts der zunehmenden Rufe nach einer wirtschaftlichen Isolation des Iran indifferent. Ein Sprecher der Münchener Rück bestätigte mir, das Unternehmen versichere weiterhin in den Iran gelieferte Handelsgüter. Das war die erste öffentliche Auskunft dieser Art durch diesen Versicherungskonzern.

Und es stehen weitere Geschäfte an. So berichtete beispielsweise die Hannoversche Allgemeine Zeitung Ende Januar, dass die Aerzener Maschinenfabrik mit einer Stahlfabrik im iranischen Isfahan einen mit 21 Millionen Euro dotierten Vertrag zur Bereitstellung von Prozessgasgebläsen und Schraubenkompressoren abgeschlossen hat. Das alles findet statt, während der Iran mit einer bemerkenswerten Geschwindigkeit hochangereichertes Uran für seine Atombombe gewinnt. Der Start eines im Inland produzierten Satelliten veranlasste einen alarmierten Eric Chevallier, Sprecher des französischen Außenministeriums, den Zusammenhang von Irans militärisch-nuklearem Potenzial und der Satellitentechnik zu unterstreichen.

Handels- und Sicherheitsexperten haben deutlich gemacht, dass der Iran deutsche Spitzentechnologie nicht einfach durch Konkurrenzprodukte, beispielsweise aus China oder Russland, ersetzen kann. Appelle der Bundeskanzlerin Angela Merkel an die Wirtschaft blieben gleichwohl wirkungslos. Sie verfolgt eine Politik des moralischen Drucks, um die Unternehmen davon zu überzeugen, beim Abschluss neuer Geschäfte mit Teheran „sensibel“ zu sein. Das hielt ihre eigene Administration allerdings nicht davon ab, im vergangenen Jahr 2.800 Geschäfte mit dem Iran zu bewilligen.

Transparenz ist in diesem Bereich eine dringende Notwendigkeit. Das Bafa lehnt eine Offenlegung über die Art der genehmigten Verträge jedoch ab. Das Bundeswirtschaftsministerium, zu dessen Aufsichtsbereich das Bafa gehört und das ein Befürworter von Geschäften mit dem Iran ist, sollte die Namen der Unternehmen nennen, die Handel mit einem Staat betreiben, der als Sponsor für Terrororganisationen wie Hamas und Hizbollah auftritt. Die deutschen Unternehmen verbergen sich nämlich hinter einer Mauer der Geheimhaltung, um im US-Handel nicht auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden.

Die Bundesregierung subventioniert Investitionen im Iran großzügig, indem sie deutsche Unternehmen mit Kreditgarantien von 250 Millionen Euro unterstützt. Einen Tag vor dem Internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar schrieb das Handelsblatt, Berlin habe vor, die Vergabe von Hermes-Exportbürgschaften einzustellen. Nachdem darüber in allen großen Medien berichtet wurde, dementierte ein Sprecher von Frau Merkel diskret die Rücknahme der Kreditzusagen. Insgesamt wurde durch diesen Vorgang der Eindruck erweckt, dass Berlin die Geschichte in der zynischen Absicht durchsickern ließ, sein internationales Image aufzupolieren und die angespannten Beziehungen zu Israel – dem Land, dessen Sicherheit Merkel als für Deutschland „nicht verhandelbar“ erachtet – wiederherzustellen.

Darüber hinaus gibt es weitere Signale dafür, dass die politischen Eliten in Deutschland den Iran als einen gewöhnlichen Handelspartner betrachten. Der frühere Kanzler Gerhard Schröder reiste Ende Februar in den Iran, nur zehn Tage, nachdem das Land den dreißigsten Jahrestag der Islamischen Revolution feierte und den Revolutionsführer Ayatollah Khomeini ehrte. Schröder, der dort an der Gründung einer Stiftung zur Förderung wissenschaftlicher Forschung teilnahm und Sanktionen gegen das iranische Regime ablehnt, ergriff wie erwartet nicht die Möglichkeit, die blühenden deutschen Handelsbeziehungen mit der Islamischen Republik zu kritisieren.

Kurz gesagt: Während Berlin verkündet, dass es den Iran vom Bau der Atombombe abhalten will, hat es tatsächlich bislang nur wenig dafür getan, die Entwicklung dieser Bombe zu verhindern. Eine deutsche Gesetzgebung, die den Handel mit dem Iran ausdrücklich untersagt und die sämtliche Export-Kreditgarantien sofort einstellt, würde einen entscheidenden Rückschlag für das iranische Regime zur Folge haben, wenn nicht sogar zur Beendigung des Atomprogramms führen. Dies hätte eine außerordentlich wichtige Vorbildfunktion für die Übernahme einer solchen Gesetzgebung durch andere EU-Staaten.