Unforced error
Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben der israelischen Tennisspielerin Shahar Pe’er wegen „Sicherheitsbedenken“ das Einreisevisum verweigert und sie so daran gehindert, an den Tennis-Championships in Dubai teilzunehmen. Die Gewerkschaft der Tennisspielerinnen und einige prominente Wettkämpferinnen kritisierten diese Entscheidung, mochten sich aber nicht dazu durchringen, die Meisterschaften am Persischen Golf abzubrechen. Auch beim am Montag an gleicher Stelle beginnenden Turnier der Männer steht ein israelischer Tennisprofi auf der Startliste – der ebenfalls (noch) kein Visum hat.
„Wir wollen den Sport nicht politisieren, aber wir müssen sensibel sein nach den Vorgängen in der Region. Es geht auch um das Wohlbefinden der anderen Spielerinnen und der Zuschauer verschiedenster Nationalitäten.“ Mit dieser Erklärung begründeten die Turnier-Veranstalter in den Emiraten, warum Shahar Pe’er (Foto), die derzeit 45. der Tennis-Weltrangliste, keine Einreisegenehmigung in die Emirate erhalten hatte. Weiter hieß es, der Gaza-Krieg bewege „nach wie vor viele Menschen im Nahen Osten“. Es sei deshalb anzunehmen, dass die Teilnahme der 22-jährigen Israelin die Fans aufgebracht hätte. Und deshalb sorgte man nicht etwa für den Schutz der Filzballkünstlerin aus dem jüdischen Staat, sondern sperrte sie stattdessen aus – zweifellos eine antisemitisch motivierte Entscheidung. In Doha in Katar war das im vergangenen Jahr noch anders: Dort nahm Pe’er als erste(r) israelische(r) Sportler(in) überhaupt an einem Profiturnier in einem Scheichtum teil.
Zumindest was ihre Sorge um das „Wohlbefinden der anderen Spielerinnen“ betrifft, liegen die Veranstalter in Dubai nicht ganz richtig. Die Weltranglisten-Sechste Venus Williams beispielsweise machte deutlich: „Alle Spielerinnen unterstützen Shahar.“ Kritik äußerte auch die Gewerkschaft der Tennisspielerinnen, WTA: „Shahar Pe’er hat sich das Recht erarbeitet, auf der Tour mitzuspielen“, sagte WTA-Chef Larry Scott, „es ist bedauerlich, dass die VAE ihr dieses Recht verweigern“. Man werde die laufenden Wettkämpfe zwar zu Ende spielen, kündigte Scott an, aber ob sie auch künftig stattfinden können, müsse man erst noch besprechen: „Wir haben klare Regeln und eine eindeutige Politik, dass kein gastgebendes Land einem Spieler das Recht verweigern darf, an einem Turnier teilzunehmen, für das er qualifiziert ist.“ Daher würden jetzt Rechtsmittel geprüft, und wenn Shahar Pe’er die Veranstalter verklagen wolle, erhalte sie von der WTA Rechtsschutz.
Dubai hat sich in den letzten Jahren zu einer Art Eldorado des Sports entwickelt, wie Karlheinz Wagner in einem Kommentar für den Kölner Stadt-Anzeiger bilanzierte: „Die sportliche Aufrüstung sprengt jede Dimension: Stadien und Hallen in jeder Größenordnung reifen ihrer Fertigstellung entgegen wie Feigen in der Sonne; weltweit beispiellose Anlagen, Trainings- und Ausbildungscenter für Fußball, Rugby, Hockey, Tennis, Golf und Schwimmen sind in Vorbereitung oder schon fertig – es entsteht ein Sportpark, nein: ein Paradies für vier Milliarden Euro.“ Die Dubai-Tennis-Championships – die als das „Toptennis-Event des Nahen Ostens“ beworben werden – sind mit satten zwei Millionen Euro dotiert. An der diesjährigen Ausscheidung nehmen bei den Männern die ersten sechs der Weltrangliste teil, bei den Frauen sogar die gesamte Top-Ten.
Dass Spielerinnen und WTA-Boss Scott die Aussperrung Shahar Pe’ers von dieser bedeutenden Konkurrenz kritisieren, ist zwar löblich – aber auch eine schlichte Selbstverständlichkeit und außerdem aktuell vollkommen folgenlos. „Die Spielerinnen haben die Chance verpasst, ihre Solidarität höher zu bewerten als ihr Start- und Preisgeld“, monierte Karlheinz Wagner zu Recht. Und auch die Ankündigung der WTA, die Zukunft des Wettbewerbs in Dubai zu prüfen, klingt vor allem nach einem reichlich dürftigen Lippenbekenntnis – zumal Scott erst jetzt eingestand, dass bereits hinter dem Fernbleiben des israelischen Doppels Andy Ram/Jonathan Erlich im vergangenen Jahr ebenfalls eine Einreiseverweigerung gestanden hatte. Die seinerzeitigen Sieger der Australian Open waren unmittelbar vor dem Beginn der Dubai-Meisterschaften 2008 aus dem Teilnehmerfeld verschwunden – wegen der „kritischen Sicherheitslage“, wie es damals hieß. Dass die ökonomische Komponente durchaus mal zurückstehen kann, zeigten demgegenüber der amerikanische Tennis Channel und die Europa-Ausgabe des Wall Street Journal: Der TV-Sender brach nach der Weigerung, Shahar Pe’er in die VAE einreisen zu lassen, die Übertragung des Turniers einfach ab, und die Zeitung zog als erster Sponsor die finanziellen Zusagen für das Turnier zurück.
Am kommenden Montag beginnt in Dubai das Tennis-Turnier der Männer. Auch dafür hat sich ein israelischer Spieler angekündigt, nämlich Andy Ram. Sein Visumsantrag liegt den Vereinigten Arabischen Emiraten offenbar bereits vor; eine Einreisegenehmigung hat auch er jedoch bis jetzt nicht erhalten. „Schon mutmaßen Insider, dass Rams Antrag wieder bis zur letzten Minute verschleppt und dann wie im Fall Pe’er abgelehnt werde“, schrieb Jörg Allmeroth im Kölner Stadt-Anzeiger. „Das zynische Kalkül dahinter: Die Profigewerkschaft ATP werde es sich nicht leisten können, das Turnier noch so spät abzusagen, wenn bereits die meisten Spieler an Ort und Stelle seien.“ Und so wird es bei den Herren vermutlich genauso laufen wie bei den Damen – ein bisschen Empörung hier, ein erhobener Zeigefinger dort, und ansonsten: business as usual. Oder, um es in der Tennissprache zu formulieren: ein unforced error.