29.4.06

Schleierei

Da kündigt der Mahmud Ahmadinedjad an, ab sofort bei Männerspielen auch Frauen ins Stadion zu lassen und ihnen gar „die besten Plätze“ in einem eigenen Block zu reservieren, damit es im Land der Mullahs wieder gesitteter zugeht – und, Schwupps, wird die Arena plötzlich gar zur männerfreien Zone: Sechshundert ausschließlich weibliche Fans sahen sich gestern eine Premiere an. Zum ersten Mal durfte das iranische Frauen-Nationalteam zu Hause spielen, und zwar anlässlich eines, ja doch, Freundschaftsspiels gegen eine Auswahl aus Deutschland, genauer gesagt aus – na? – richtig: Kreuzberg. Die Partie sollte ursprünglich bereits im vergangenen November über die Bühne gehen, doch das Ganze verschob sich noch um ein halbes Jahr.

Männlichen Zuschauern war der Zutritt zu dem Spiel verboten, obwohl beide Teams mit Schleier und im Trainingsanzug antraten. Schiedlich-friedlich 2:2 unentschieden endete der Kick im Teheraner Ararat-Stadion, und der Tagesspiegel mutmaßt, die Gäste hätten mit anderer Spielkleidung wohl gewonnen:
„Die Berliner Mannschaft hatte beim Spiel Probleme mit den ungewohnten Schleiern. Besonders bei hohen Bällen kam es öfters zu unplatzierten Kopfbällen. Proteste gegen die ungewohnte Spielkluft wurden aber nicht eingelegt.“
Im Gegenteil – das tut frau doch gerne für die Völkerverständigung:
„Die Deutschen spielen an diesem Samstag im selben Stadion auch noch gegen die iranische U21-Frauennationalelf.“
Bis dahin haben die islamischen Tugendterroristen im iranischen Staatsapparat allerdings noch einiges zu tun, damit sich nicht wiederholt, was sich bei der ersten Begegnung zutrug:
„In der Halbzeitpause kam es zu einem Zwischenfall, als viele Fans zur Pop- und Technomusik aus den Stadionlautsprechern tanzen wollten. Iranische Funktionärinnen stoppten die Musik und forderten die Zuschauerinnen auf, umgehend mit dem Tanzen aufzuhören.“
Was die Kreuzbergerinnen jedoch nicht davon abhielt, das Spiel fortzusetzen und auch die zweite Hälfte zu bestreiten; vermutlich hatte man so etwas ohnehin schon geahnt. Aber derlei geht halt als Multikulti durch, als Folklore gewissermaßen, die nun mal hinnehmen müsse, wem es um Respekt vor anderen Kulturen und Toleranz zu tun sei. Bei so viel anrührendem Miteinander wird selbst der Tagesspiegel schwach, der seinen Beitrag über das Gastspiel der Deutschen bei Freundinnen (Foto) durchaus affirmativ als „historisches Fußballspiel“ apostrophiert und am Ende gar allen Ernstes befindet, Ahmadinedjads eingangs erwähnte Anordnung könne „für frischen Wind“ sorgen.

Unterdessen quittierte der so Gelobte die Anerkennung, die ihm in den deutschen Medien für seine vermeintlich frauenfördernde Maßnahme entgegengebracht wird, mit einem Statement, das hierzulande gewiss ausgesprochen gerne gehört wird:
„Der iranische Staatschef Mahmud Ahmadinedjad hat den Deutschen ein falsch verstandenes Schuldbewusstsein bescheinigt. Der Krieg sei seit mehr als 60 Jahren zu Ende, aber wenn man nach Deutschland komme, sehe man deutlich, dass sich ‚dieses zivilisierte Volk’ immer noch für die Verbrechen der Nazis im Zweiten Weltkrieg schuldig fühle, sagte der Präsident am Donnerstag in einer Rede, die live im Fernsehen übertragen wurde.“
An der Bonner Bertolt-Brecht-Gesamtschule hat man sich von so viel Schmeichelei jedoch nicht beeindrucken lassen und zwei Schülerinnen für zwei Wochen vom Unterricht suspendiert, die in einer Burka – also einer Ganzkörperverhüllung mit Sehgitter oder -schlitz – aufgelaufen waren. Schulleiter Ulrich Stahnke befand: „Hier wurde eine Grenze überschritten.“ Ob durch die Verschleierung nun wirklich der „Schulfrieden“ gestört wird, wie er meinte, oder ob es nicht in erster Linie darum zu gehen hätte, einen Verstoß gegen Universalismus und Aufklärung zu ahnden, sei an dieser Stelle nur deshalb vernachlässigt, weil der Schritt der Schule in jedem Falle richtig bleibt:
„Ob die Burka etwas mit Religion zu tun habe, sei hier nicht das Thema. ‚Im Unterricht müssen die Lehrer offen mit ihren Schülern kommunizieren können.’ Dies sei bei einer Burka nicht mehr der Fall.“
Die durchaus pragmatische Begründung des Rektors für den vorläufigen Schulverweis stellte also die Bildung der Schulpflichtigen über so etwas wie religiöse Gefühle, und das ist unbedingt zu begrüßen. Zudem kommt das plötzliche Burka-Tragen offenbar doch nicht ganz überraschend:
„Die Familie einer der beiden Frauen sei bei den deutschen Sicherheitsbehörden bekannt, hieß es in Bonn. Es gebe auch Kontakte zur früher ins Visier der Sicherheitsbehörden geratenen König-Fahd-Akademie in Bonn, die als Schule von Saudi-Arabien betrieben wird. Eine gezielte Provokation könne nicht ausgeschlossen werden.“
„Lehrer haben vormittags Recht und nachmittags frei“, geht eine Schülerparole. Der vierzehntägige Verweis – der aufgehoben wird, wenn die Schülerinnen wieder unverschleiert zur Schule kommen – wurde dann wohl an einem Morgen beschlossen.

Hattips: Doro & Clemens