Des Gärtners Böcke
Jetzt, wo alle Welt über den Iran spricht, steht man natürlich auch in der Alpenrepublik nicht an, Position zu beziehen – zumal angesichts ihrer noch bis Juni dauernden EU-Präsidentschaft. Was liegt also näher, als einmal beim Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) nachzuhorchen, wie man dort die Dinge sieht – handelt es sich bei dieser Einrichtung doch um die „erste wissenschaftliche Institution in Österreich, die sich mit der Internationalisierung und Globalisierung der Außenbeziehungen sowie mit der europäischen Integrationspolitik befasst“ und die, mehr noch, in ihren
„Forschungs- und Veranstaltungsprogramm nicht nur zukünftige Veränderungen prognostiziert, diesbezügliche Studien durchgeführt und Konferenzen abgehalten, sondern bereits 1997 [...] früh künftige Entwicklungen vorweggenommen [hat], die sich erst Jahre später durch die Ereignisse im Kosovo, die terroristischen Anschläge in New York, Bali, Madrid, Istanbul und im Jahr 2005 in London realisiert haben.“Also frug Der Standard einmal beim Heinz Gärtner nach, Politikprofessor und Forscher an jener Anstalt mit offenbar nachgerade hellseherischen Qualitäten. Und der musste bei der Frage, wie es „nach dem El Baradei-Bericht“ weitergehe, auch nicht lange nachdenken:
„Der Iran wird mit seiner Anreicherung fortfahren. Die USA werden versuchen, eine Resolution nach Kapitel VII der UN-Charta zumindest vorzuschlagen, in der Sanktionen vorgesehen sind, vorerst wahrscheinlich in allgemein gehaltener Form. Das heißt noch lange nicht, dass dies das Ende der Diplomatie ist.“Man könnte versucht sein einzuwenden, dass der Vorschlag einer UN-Resolution gemeinhin ja durchaus ein Mittel diplomatischer Bemühungen ist und gerade nicht deren Ende. Aber den Standard drängt es mehr, zu erfahren, wie groß denn die Chancen eines solchen Beschlusses seien. Und auch da bleibt der Herr Experte die Antwort nicht schuldig:
„Ich schließe nicht aus, dass Russland und China an Bord kommen – mit etwas Geduld und einer etwas sanfteren Sprache, durch die sich nicht sofort ein Militärschlag herauslesen lässt. Russland und China werden ganz sicherlich versuchen, auf den Iran einzuwirken.“Russland, das dem Iran schon mehrfach die Urananreicherung angeboten hat, ist gemeinsam mit China also das friedliche, „sanfte“ Gegengewicht zur kriegslüsternen USA und wird „auf den Iran einwirken“ – Chapeau! Da werden die Mullahs aber subito zu Kreuze kriechen, um es mal salopp zu formulieren. Oder doch nicht?
„Der Iran hat schon sehr viele Möglichkeiten gehabt: Wirtschaftliche Anreize, die Urananreicherung außerhalb des Landes. Mir ist eigentlich nicht ganz einsichtig, warum der Iran sie – wenn es ihm tatsächlich nur um Energie geht – nicht angenommen hat. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Aus nationalem Stolz heraus oder er will wirklich ein Waffenprogramm entwickeln.“Die Sprache der Diplomatie ist halt manchmal nur schwer zu verstehen, aber ein österreichischer Politikwissenschaftler hilft da gerne weiter. Nun weiß man auch, was Mahmud Ahmadinedjad will, wenn er die Shoa als „Mythos“ bezeichnet, Israel mit der Vernichtung droht und von einer „Welt ohne Zionismus“ spricht: den Energiebedarf seines Landes decken und zu diesem Behufe ganz harmlos ein bisschen Uran anreichern. Man muss ja nicht immer gleich an das Schlimmste denken, auch dann nicht, wenn es „eigentlich nicht ganz einsichtig“ ist, warum er etwa die nett gemeinten „wirtschaftlichen Anreize“ der EU bisher nicht in Anspruch genommen hat. Aber ganz gleich, ob „aus nationalem Stolz heraus“ oder, Allah bewahre!, weil er „wirklich ein Waffenprogramm entwickeln“ will – es gibt weit Übleres:
„Wenn man sich nicht einigt, handeln die USA alleine, mit ein paar Europäern. Also: entweder Resolution oder Alleingang. Die Resolution kann auf sich warten lassen. Wenn aber Russland und China aus dem Spiel wären, dann wären militärische Sanktionen wahrscheinlich nicht weit. Dann könnte es sehr schnell gehen.“Das hat nicht Stalin gesagt und auch nicht Mao Zedong; das sagt ein österreichischer Politologe, dem die ganze Welt, außer natürlich den USA und „ein paar Europäern“, eine einzige Friedensbewegung und eine antiisraelische Auslöschungsdrohung verglichen mit einem „Alleingang“ der USA – das heißt der Verhinderung der Umsetzung dieses massenmörderischen Plans – günstigstenfalls ein vernachlässigenswerter Nebenkriegsschauplatz ist. Und außerdem bestehe überhaupt kein Grund zur Eile:
„Wobei das gar nicht notwendig ist, dass man einen Militärschlag führt. Den kann man immer noch führen, wenn der Iran androht, die Bombe einzusetzen. Aber es sind ja noch einige Jahre hin, bis er wirklich waffenfähiges Nuklearmaterial hat. Insofern: Geduld zahlt sich da schon aus.“Sie haben völlig richtig gelesen: Kein Grund zur Sorge. Der Irre von Teheran wird schon rechtzeitig Laut geben, bevor er den jüdischen Staat, wie angekündigt, von der Landkarte tilgt. Fair geht schließlich vor, das weiß auch und gerade der Fußballfan Ahmadinedjad. Außerdem dauert es bis dahin eh’ noch ein bisschen, nicht wahr? Und mal ganz abgesehen davon:
„Selbst wenn der Iran die Bombe hat, ist er keine wirkliche Gefahr.“Nicht? Nein! Warum nicht? Darum nicht:
„Weil der Iran auch überleben will. Sollte er die Bombe einsetzen, etwa gegen Israel, dann muss er mit der Selbstvernichtung rechnen. Und gerade Regime wie der Iran wollen nicht vernichtet werden. Die Abschreckung funktioniert ja.“Die gegen den Westen gerichtete Parole der Islamisten lautet: „Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod.“ Gärtner ist nicht der erste, der genau das einfach nicht wahrhaben will. Auch andere vor ihm haben schon zu argumentieren versucht, ein Atomschlag gegen Israel töte schließlich auch Millionen von Moslems. Nicht wenige davon wären wohl bereit, diesen Preis zu zahlen, wenn es nur endlich keinen Judenstaat mehr in der (arabischen) Welt gäbe. Die Abschreckung durch Aufrüstung mag funktionieren, wenn sich zwei Kontrahenten gegenüberstehen, die bei allen Differenzen zumindest eines gemein haben: den Wunsch, zu überleben. Das war im Kalten Krieg gewiss der Fall, beim Iran jedoch genauso gewiss nicht. Auch dann nicht, wenn diese so unsinnige wie lebensgefährliche These von einem geäußert wird, der einem Institut angehört, das damit prahlt, „zukünftige Veränderungen“ zu „prognostizieren“ und „künftige Entwicklungen vorwegzunehmen“.
Hattip: Doro