5.5.06

Welcome to Germany!

Die Taktik, die die Bundesregierung beim Umgang mit einem nicht unwahrscheinlichen Besuch des Irren von Teheran bei der Fußball-Weltmeisterschaft gewählt hat, ist – so viel kann man jetzt schon sagen – wirklich bemerkenswert. Sie spiegelt eine Doppelstrategie wider und ist gewissermaßen Teil eines „Good cop, bad cop-Spiels“ (Henryk M. Broder): Auf der einen Seite dealt das Bundesinnenministerium mit den Mullahs einen harmlos klingenden Informationsaustausch, der bei Lichte betrachtet ein Abkommen darstellt, wie etwaige Proteste gegen das islamistische Regime am effektivsten und geräuschärmsten abgeräumt werden können. Auf der anderen Seite windet sich der bayerische Innenminister Günther Beckstein (Foto) ein „Für mich ist der iranische Präsident kein erwünschter Gast. Er hat mehrfach den Holocaust geleugnet. Das ist in Deutschland eine Straftat“ heraus, um anschließend jedoch nicht etwa ein Einreiseverbot für Mahmud Ahmadinedjad zu fordern, sondern vielmehr anzukündigen: „Falls der Iraner einreist, muss er geschützt werden, damit ihm nichts passiert. Ich gehe davon aus, dass es dann zu Demonstrationen kommt.“

Eine bizarre Logik: Wenn der Holocaustleugner im Präsidentenamt einschwebt, runzelt man ein bisschen die Stirn – denn eigentlich müsste der Mann ja mindestens wegen Verstoßes gegen den § 130 StGB festgenommen werden – und bringt ihn dann vor denen in Sicherheit, die mit allem Recht der Welt ihren Unmut über diesen im Wortsinn Wahnsinnigen äußern wollen. So geht Appeasement, so geht der Kritische Dialog mit Islamisten; der immanente Widerspruch ist nur ein vermeintlicher, schließlich funktioniert die Arbeitsteilung schon länger bestens: „Deutsche Firmen rüsten den Irak auf, die Bundesregierung liefert Gasmasken nach Israel“, beschreibt Henryk M. Broder in der Weltwoche ihr Prinzip. Und auch die ausgezeichneten ökonomischen Beziehungen zum Iran sollen selbstverständlich nicht gefährdet werden – weshalb kürzlich Außenminister Steinmeier die USA erneut aufforderte, mit dem Iran über dessen nukleare Ambitionen zu verhandeln –, während das von der Bundeskanzlerin bekräftigte „entschiedene Eintreten für das Existenzrecht Israels“ als „unverrückbare Konstante deutscher Außenpolitik“ angesichts dessen eine Worthülse ist, eine Beschwichtigung und ein Bekenntnis, das nichts kostet.

Unterdessen verdeutlichen good cop und bad cop unisono, mit was für Konsequenzen jene zu rechnen haben, die sich nicht einfach mit der Anwesenheit Ahmadinedjads bei dem Fußballturnier abfinden wollen. „Visa für Fußballfans aus dem Iran sollten äußerst sorgfältig geprüft werden“ ist noch die harmloseste Maßnahme, die dem Herrn Präsidenten den Aufenthalt sichern sollen; eigentlich geht es um mehr:
„Beckstein zufolge wurde Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) von seinem iranischen Amtskollegen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Iran Sorge vor Anschlägen gegen die iranische Mannschaft in Deutschland hat. Die bekannteste Gruppe der iranischen Opposition, die Volksmudjaheddin, stehe auf der EU-Terrorliste. ‚Ein nicht vorneherein auszuschließendes Szenario ist, dass unter Umständen iranische Stellen etwas anstellen, um es den Volksmudjaheddin die Schuhe zu schieben und sie international zu diskreditieren’, so Beckstein.“
Teheran sorgt sich also um seine Mannschaft und fürchtet dabei vor allem eine Organisation, die bei der EU als terroristisch geführt wird. Deren Anhänger sollen in WM-Deutschland deshalb von Protesten abgehalten werden. Das wiederum ist aber im Grunde nur zu ihrem Besten, denn das iranische Regime könnte ihnen sonst etwas anhängen, und das will man angeblich nun auch wieder nicht. Dabei fürchten exiliranische Gruppen tatsächlich eine Desinformationspolitik der Mullahs – nur hätte die Quintessenz daraus zu lauten, sie umso mehr zu stärken. Aber darum geht es Beckstein wie Schäuble gar nicht, denn sie haben etwas anderes im Auge: „Deswegen hätte ich gern die Bundeswehr als Entlastung für die Polizei“, empfiehlt der Bayer mögliche Schritte gegen Menschen, die einen eliminatorischen Antisemiten in seine Schranken weisen wollen, wenn dem schon die Einreise gestattet wird. Mal eben die Jungs und Mädels in oliv zu denen in grün – wer weiß, wozu das außerdem noch gut sein kann? Genauso wie dieses: „Wir werden die Mittel des Rechtsstaates vollständig ausschöpfen bis hin zu Telefon- und Kommunikations-Überwachungsmaßnahmen sowie Durchsuchungen“ – noch einmal zur Erinnerung: Das sind die vorgesehenen Sanktionen gegen jene, die die einzig richtige Konsequenz aus der Geschichte gezogen haben und kein zweites 1936 zulassen wollen. Islamisten haben es da bekanntlich bedeutend leichter.

Man muss schon in nichtdeutsche Zeitungen schauen, um eine pointierte Kritik an diesem gefährlichen Unsinn zu finden. Caroline Glick etwa bemerkt in der Jerusalem Post mit einem nur allzu berechtigten Sarkasmus:
„Während der deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble letzten Monat sagte, dass Ahmadinedjad willkommen wäre, wenn er Spiele seines Teams ansehen wolle, stellte er gleichzeitig klar, dass Deutschland – abgesehen von dem Mann, der daran arbeitet, Hitlers Traum von einer Welt ohne Juden oder Amerika zu verwirklichen, seinem Gefolge und dem Pressekorps – unnachgiebig gegenüber jedem sei, der die Ordnung und die Ehre der Spiele gefährde.“
Mögliche Solidaritätsbezeigungen deutscher Neonazis dem iranischen Präsidenten gegenüber lassen sich leicht unterbinden; wenn „Die Welt zu Gast bei Freunden“ ist, stören solche Manifestationen nämlich nur – schließlich will man zeigen, dass man seine Lektion gelernt hat: „Deutschland wird rechtsextremistische Bestrebungen vor, während und nach der Weltmeisterschaft mit aller Kraft bekämpfen“, versicherte Innenminister Schäuble. Doch wie weit es mit dem historischen Bewusstsein tatsächlich her ist, bringt wiederum Caroline Glick auf den Punkt:
„Deutschlands Verhalten gegenüber dem Iran ist ein klares Zeichen dafür, dass es bei allem Holocaust-Gedenken, bei aller Anti-Nazi-Gesetzgebung und bei aller Beteuerung seiner Freundschaft zu Israel und dem jüdischen Volk seine Lektion aus dem Holocaust nicht gelernt hat. Die wichtigste Lehre aus dem Holocaust ist nicht die, dass Krieg schlecht ist und deshalb um jeden Preis vermieden werden muss. Die wichtigste Lehre aus dem Holocaust ist die, dass das Böse schlecht ist und mit allen effektiven Mitteln bekämpft werden muss. Durch seine Handelsbeziehungen zum Iran und dadurch, dass es ihn vor denen beschützt, die die vom Iran ausgehenden Gefahren nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt deutlich machen, schützt Deutschland das Böse und dadurch die Ursache dafür.“
So einfach kann Erkenntnis sein, wenn man sich das Denken noch nicht abgewöhnt hat, aber solche Stellungnahmen findet man in der deutschsprachigen Presse nur ausgesprochen selten, genauso wie Glicks Fazit, das glänzend umreißt, was deutsche Ideologie kennzeichnet:
„Die Deutschen handeln in einer moralisch blinden und dadurch unmoralischen Art und Weise, wenn sie die Lehren aus dem Holocaust nur gegen Neonazis zur Anwendung bringen. Indem sie so tun, als ob der Holocaust sich nur wiederholen könne, wenn ein Adolf Hitler Junior Bundeskanzler wird, ermächtigen sich die Deutschen, die aktuellen Reinkarnationen Hitlers zu ignorieren. Mit ihrem sinnlosen, wenngleich bevormundenden Geschrei, dass alle Gewalt schlecht und jeder Frieden gut sei, erlauben sich die Deutschen das abscheuliche Privileg, die Ehrenhaftigkeit und Moral der die Islamfaschisten bekämpfenden Israelis und Amerikaner anzufechten, indem sie behaupten, es gebe keinen moralischen Unterschied zwischen israelischen und amerikanischen Soldaten auf der einen Seite und islamfaschistischen Kämpfern, die unschuldige Menschen einäschern, auf der anderen. Die Deutschen bestehen darauf, ein Appeasement gegenüber einem Mörder wie Ahmadinedjad sei möglich – genau wie andere 70 Jahre zuvor, bei den Olympischen Spielen 1936, glaubten, Hitler sei jemand, dem man vertrauen könne, dass er Wort hält.“
Und deshalb lösen sich auch die vermeintlichen Differenzen zwischen dem Innenminister des Bundes und dem Bayerns in Wohlgefallen auf: „Es handelt sich um Realpolitik im unmittelbaren Sinn des Wortes“, befand Henryk M. Broder, der deren Charakter treffend so zusammenfasste:
„Die Deutschen, die so stolz darauf sind, sich ihrer Vergangenheit zu stellen, haben keinen Bezug zur Gegenwart. Sie rufen ‚Wehret den Anfängen!’ und ‚Nie wieder 33!’ – und sie meinen es wörtlich. Nie wieder soll die NSDAP an die Macht kommen, und nie wieder soll die Judenfrage in Deutschland gelöst werden. Hitler war ein böser Mann, und wer den Holocaust leugnet, kommt vor Gericht. Was freilich im Nahen Osten passiert, ist eine andere Geschichte. Und wenn ein iranischer Politiker, der schon eine halbe Million iranische Kinder als Minenspürhunde im Krieg gegen den Irak geopfert hat, in aller Ehrlichkeit sagt, wie er sich die nächste Endlösung der Judenfrage vorstellt, so ist das zwar nicht nett, entbindet die Deutschen aber nicht von der Pflicht, gute Gastgeber zu sein. So ist es eben, wenn man immer nur den Anfängen wehren will und das Ende der Geschichte nicht im Auge hat.“
Übersetzung: Liza – Hattips: Doro, Honestly Concerned & Si Vis Pacem, Para Bellum