Comeback der Untoten
Erinnern Sie sich noch an Jamal Karsli? Ja, genau: An den stets freundlich dreinblickenden Herrn mit der Halbglatze und dem akkurat gestutzten Vollbart, der sich immer gerne in dieser typischen Möchtegern-Denker-Pose (Daumen und Zeigefinger am Kinn gespreizt) ablichten ließ. Der Israel „Nazi-Methoden“ vorwarf, Möllemann prima fand – weil der bis zu seinem letzten Flug(blatt) auch was gegen die „zionistische Lobby“ hatte – und darum von den Grünen zur FDP gehen wollte, bis er schließlich eine eigene Partei gründete. Der Paul Spiegel und Michel Friedman anzeigte, weil die ihn das nannten, was er unzweifelhaft ist: einen Antisemiten. Lange nichts mehr von ihm gehört oder gelesen, nachdem er im Juni letzten Jahres aus dem nordrhein-westfälischen Landtag ausgeschieden war. Aber kein Grund zur Beruhigung: Shraga Elam, der selbst ernannte „Recherchierjournalist“, schafft gerne für zwei und definitiv in Karslis Sinn. Außerdem ist da ja noch Anis Hamadeh, der schon vor zweieinhalb Jahren wusste, dass Karsli (Foto) gar kein Monster ist, sondern auch nur Tee trinkt, und eingedenk dieser Erkenntnis fortwährend die Toilette aufsuchen musste.
Und schließlich denkt beizeiten auch IRIB, der staatliche Hörfunk- und Fernsehsender des Iran – eines Staates, dessen Präsident just gestern Israel einmal mehr als „erfunden“ und „den Ländern in der Region aufgezwungen“ bezeichnete –, an den deutsch-syrischen Diplomingenieur. IRIB hat nämlich ein deutschsprachiges Programm und macht gerade mächtig die Welle wegen des Al-Quds-Tages, der alljährlich am letzten Freitag des Ramadan über die Bühne geht und an dem nicht nur in Beirut und Teheran, sondern auch in zahlreichen anderen Städten weltweit die Vernichtung Israels gefordert und der islamistische Gottesstaat im Sinne Ayatollah Khomeinis (Foto unten) gepriesen wird. Also klingelte der Propagandafunk bei Karsli durch und erfuhr, was er hören wollte: „Fast jeden Tag findet in Palästina ein Massaker statt“, dozierte der Ex-Parlamentarier und meinte damit nicht das Gemetzel zwischen den rivalisierenden Judenhassertruppen Hamas und Fatah, sondern – was sonst? – die israelische Armee. Die zeigt sich derzeit zwar ausgesprochen reserviert, aber das wollte der Interviewer beim iranischen Radio natürlich nicht hören.
Also erzählte ihm Karsli etwas vom „Versagen“ des jüdischen Staates im Libanon und von dessen „Versuch, in Palästina Muskeln zu zeigen“, nachdem er sich zuvor „eine blutige Nase geholt“ habe. Israel werde gewiss den Gazastreifen erneut besetzen und dabei „Menschenleben vernichten“, die Palästinenser aushungern, Hamas und Fatah aufeinander hetzen und einen Bürgerkrieg inszenieren. Der übliche Masterplan halt. Die empörte Frage des Moderators, warum palästinensische Organisationen „auf diese Verschwörung hereinfallen“, konnte Karsli zwar auch nicht so recht beantworten, wusste aber immerhin, was eine Kausalkette ist: Israel erkenne „die Rechte der palästinensischen Bevölkerung“ nicht an, weshalb es nur logisch sei, dass die Hamas ihrerseits Israel nicht akzeptiere; warum die Fatah trotzdem mit dem Feind kooperiere, sei ihm daher „unverständlich“, zumal es doch darum gehen müsse, eine „Regierung der nationalen Einheit“ zu bilden. Als deren Berater würde sich Karsli zweifellos gerne zur Verfügung stellen. Wie man im Parlament die zionistische Weltverschwörung bekämpft, weiß er schließlich.
Jenseits dieser Einrichtung rüstet die islamistische APO derzeit global zum Großkampf-, also dem bereits erwähnten Al-Quds-Tag. Auch in Berlin wird es am Samstag – wie in den letzten Jahren schon – eine Manifestation geben, diesmal unter dem Motto „Gerechter Frieden für Palästina, sichere Zukunft für die Juden“. Was man sich diesbezüglich unter „Gerechtigkeit“ und „Sicherheit“ vorzustellen hat, verrät der Aufruf, der zu fordern beliebt: „Der Zionismus als Herrschaftsideologie muss Gegenstand unabhängiger und freier Forschung werden. Die Menschen müssen ein Recht darauf haben, diese, ihre Gesellschaft beeinflussende, Ideologie kennen zu lernen und sich ihre eigene Meinung zu bilden.“ Könnte direkt bei Ahmadinedjad abgeschrieben sein und ist es wahrscheinlich auch; sollte die Demonstration dennoch nicht zu einer Ausstellung der höchstprämierten iranischen Holocaust-Karikaturen werden, dürfte das daran liegen, dass die polizeilichen Auflagen für den Aufmarsch eine solch eigenwillige künstlerische Freiheit nicht vorsehen. „Wir verurteilen jede Form vom Antisemitismus“, behauptet der Appell des weiteren, aber wann hätten Antisemiten je zu verstehen gegeben, sie seien welche?
Also bringt man sein Anliegen in eine zeitgemäße Form, indem man sich als Opfer einer Zensur geriert: „Wir fordern das Recht auf Meinungsfreiheit, sodass in Deutschland frei über den Zionismus geforscht und berichtet werden kann. Warum müssen Politiker, Lehrer und Beamte um Beruf, Stellung und Ansehen bangen, wenn sie sich frei äußern?“ Schließlich gilt: „In einer Gesellschaft, in der jegliche Verunglimpfung des Christentums, des Islam und der Propheten zulässig ist“, wird man doch wohl noch gegen Juden zu Felde ziehen dürfen, Verzeihung: „muss zumindest die Analyse und Beurteilung einer Ideologie erlaubt sein!“ Ergo verlangt man die „Beendigung der Waffenlieferungen an Israel“ und einen Stopp der „Finanzierung der Verbrechen Israels mit deutschen Steuergeldern“, „humanitäre Hilfe für das palästinensische Volk und die Verhinderung einer menschlichen Katastrophe in den besetzten Gebieten“ sowie eine „Beendigung der Belagerung und des Boykotts Palästinas“. Judenhasser? Wir doch nicht! Bloß israelkritische Geister!
Gegen diesen unheimlichen Aufmarsch mobilisiert erneut ein Berliner Bündnis gegen den internationalen Al Quds Tag, dessen Aufruf sich „gegen Islamismus, Judenhass und Vernichtungsdrohungen gegen Israel“ wendet und „für Demokratie und Menschenrechte im Iran“ eintritt. Seine Initiatoren haben den Anspruch, eine gewisse Breite zu erreichen. Daran wäre nichts Falsches, würde darunter nicht, wie so oft, die Tiefe leiden. „Wir Unterzeichnerinnen und Unterzeichner haben unterschiedliche Meinungen zu dem andauernden Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern“, heißt es zu Beginn, „aber gemeinsam weisen wir jeden Angriff auf das Existenzrecht Israels zurück und treten für eine friedliche und für beide Seiten akzeptable Zweistaatenlösung ein“. Es wäre schon interessant zu erfahren, wie letztere aussehen soll – zumal nach dem Wahlsieg der Hamas und der damit verbundenen Willensbekundung der Mehrheit der Palästinenser, es unterhalb dessen, was beim Bündnis als „Angriff auf das Existenzrecht Israels“ firmiert, nicht zu machen – und welche „unterschiedlichen Meinungen“ in dem Zusammenschluss eigentlich vertreten sind. Dass das iranische Regime alles tut, „um eine solche Lösung zu verhindern“, wie es im nächsten Satz des Aufrufs heißt, ist zwar richtig, aber die Mullahs sind nun mal beileibe nicht die einzigen, denen die Vernichtung Israels eine Herzensangelegenheit ist.
Etwas seltsam mutet auch dieser Passus des Bündnisappells an: „Wir wenden uns zugleich gegen jede Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens oder migrantischen Hintergrunds. Es geht nicht um einen Kulturkampf gegen ‚den’ Islam, sondern um ein gemeinsames politisches Streiten gegen Islamismus und religiös verbrämte Gewalt.“ Das Wörtchen Islamophobie war man ganz offensichtlich tunlichst zu vermeiden bemüht; dennoch scheinen die Verfasser entweder den in diesem Zusammenhang gänzlich albernen Vorwurf des Rassismus zu fürchten, oder sie können respektive wollen selbst nicht von einem Kollektiv lassen, das als „Menschen muslimischen Glaubens“ ethnifiziert wird und damit gleichzeitig per se dem offensichtlichen Zusammenhang zwischen Islam und Islamismus entzogen ist. Dadurch wird jedoch die Kritik des politischen Islam abgeschnitten, statt das Individuum vor den Zumutungen der Umma in Schutz zu nehmen und zu stärken – also der Ideologie, die den Al-Quds-Tag kennzeichnet und bestimmt, mit aller Konsequenz entgegenzutreten. Denn wie sagte es Khomeini 1979? „Der Al-Quds-Tag ist ein islamischer Tag und ein Tag der Mobilisierung der Muslime. Ich hoffe, dass dieser Tag die Basis zur Gründung einer Partei alle Unterdrückten der Welt sein wird. Sie können dann alle Probleme, die ihnen im Wege stehen, beseitigen und gegen die Arroganz aufstehen. Sie werden die Fahne des Islams hochhalten und die Herrschaft der Armen in der Welt errichten. Bisher waren die Muslime gespalten. Heute haben wir ein Modell für die islamische Einheit.“
Hattip: barbarashm