28.9.06

Nichts für kleine Gotteskrieger

Wer ist es schuld, wenn arabische Kinder nicht einschlafen können? Der Papst! Denn nur seinetwegen wird das Sandmännchen – zumindest vorerst – nicht wie geplant im Fernsehsender Al-Jazeera gezeigt. Eigentlich hatte der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB), der die Senderechte an der Serie besitzt, vor einem halben Jahr 78 Episoden an die in Katar ansässige TV-Station verkauft. Doch nach den islamkritischen Äußerungen Benedikts XVI. verzögere sich die Abnahme des Sendematerials, gab die Leiterin der internationalen Abteilung von RBB, Brigitte Wauer, bekannt. Auf den ersten Blick erschließt sich der Zusammenhang zwischen der Regensburger Rede des Katholiken-Oberhaupts und einem vorläufig stornierten Programm für den islamischen Nachwuchs vielleicht nicht so ganz. Aber bei näherem Hinsehen wird schnell klar, dass es sich beim Sandmännchen um eine ganz perfide Form abendländischer Zersetzung der islamischen Wehrkraft handelt. Alleine schon das Outfit der Puppe! Sieht sie nicht ein bisschen aus wie eine Karikatur von Osama bin Laden? Das geht schon mal gar nicht. Und dann die einzelnen Folgen – purer AgitProp!

Nur zwei Beispiele. Beginnen wir mit „Du hast angefangen! Nein, du!“ Dazu lässt RBB wissen: „Das ist die Geschichte von zwei Kerlen, die in einen mächtigen Streit geraten. Beide wohnen auf den gegenüberliegenden Seiten eines Berges. Manchmal sprechen sie durch ein Loch im Berg miteinander, aber gesehen haben sie sich noch nie.“ Man ahnt es schon – der vom Papst beschworene Dialog der Kulturen naht. „Der eine Kerl sieht auf seiner Seite jeden Tag die Sonne aufgehen. Und der andere sieht sie auf seiner Seite des Berges untergehen.“ Ein weiteres klares Indiz – Sonnenaufgang im Osten, Sonnenuntergang im Westen, also Morgenland hie, Abendland da. Und heiter weiter: „Das ist eigentlich kein Grund zum Streiten.“ Ein deutliches Plädoyer für Gewaltlosigkeit! „Aber wenn nun der eine Kerl findet, dass der Tag geht, der andere aber meint, dass die Nacht kommt, dann kann man sich darüber vortrefflich streiten.“ Wenn das mal keine Anspielung auf die Jenseitserwartung des Islam ist – „der Tag geht“ –, der das Diesseits der christlichen Welt entgegengesetzt wird. Doch „am Ende vertragen sie sich wieder. Und das ist doch das Beste am Streiten, nicht wahr?“ Ein interreligiöses Versöhnungsangebot, kindgerecht inszeniert – da kann man leicht schwach werden und das Schwert sinken lassen.

Und dann erst die Geschichte vom Reineke! „Der Fuchs saß in der Höhle drin / die kleinen Füchse um ihn rum / drei Meter tief im Tannenwald“, hebt die Episode scheinbar harmlos an und geht dann bald ans Eingemachte: „Dem Fuchs dem knurrt der Magen sehr / den kleinen Füchsen noch viel mehr.“ Hunger also, gar Gier vielleicht von den durchtriebenen Tieren, die hier das Handeln diktieren. „Der Fuchs läuft durch die dunkle Nacht / zum Hof vom Bauern Lempe“ – man fühlt die List förmlich nahen. Ein Loch gegraben, und ab in den Hühnerstall: „Die dicksten Eier schnappt er sich / im Stall von Bauer Lempe.“ Glatter Raub also, aus vorgeblich nachvollziehbaren Motiven, auch wenn der Besitzer sich um sein Hab und Gut betrogen und hintergangen fühlen muss. Und schließlich der Genuss des Triumphes: „Im Fuchsbau war die Freude groß / der Fuchs, der schmatzte auch gleich los / die kleinen Füchse schmatzten mit / den großen Brei mit Eiern.“ Eine kaum verklausulierte metaphorische Legitimierung der christlichen Kreuzzüge, des Kolonialismus und von Jahrhunderten der Demütigung und Erniedrigung der islamischen Welt, repräsentiert und personifiziert durch den auf seinem Hof – vulgo: der Scholle – fest verwurzelten, etwas dümmlichen Bauern, der die autochthonen Bewohner der heiligen arabischen Erde symbolisieren soll. Den Widerpart geben die bekanntlich als schlau konnotierten Füchse – die hier sozusagen die Rolle der Christen einnehmen. Subtil und verfänglich, solche nur vermeintlich lustigen Geschichten. Nichts für kleine Gotteskrieger also.

Da ist es nur konsequent, wenn Al-Jazeera die Ausstrahlung des Sandmännchens auf Eis legt. Ein bisschen mehr Respekt vor der Religion des Friedens kann man schließlich verlangen. Auch und gerade den Kleinen gegenüber.