Captain Kirk für ganz Arme

Alleine der Blick auf die Namen der beiden Autoren hätte ernsthafte Journalisten stutzen lassen müssen: Uzi Mahnaimi und Sarah Baxter hatten nämlich schon am 11. Dezember 2005 in der Sunday Times eine vergleichbare Enthüllung zu bieten. Unter der inhaltlich nahezu gleichen Überschrift „Israel bereitet seine Truppen auf einen Schlag gegen iranische Atomanlagen vor“ hieß es damals, Ariel Sharon habe angeordnet, die Armeeeinheiten müssten bis Ende März 2006 einsatzbereit sein, um geheime Urananreicherungsstätten zu bombardieren. Was bekanntlich nicht geschah. Doch auch das war noch nicht der erste mediale Reißer der britischen Zeitung: Mahnaimi zeichnete bereits am 13. März 2005 für einen ähnlich lautenden Beitrag verantwortlich – Titel: „Aufgedeckt: Israel plant Schlag gegen iranische Atomanlage“. Und zwar mittels einer Kombination aus Boden- und Lufteinheiten. Nie eingetreten? Egal! War noch was? Ja, am 18. Juli 2004: „Israel nimmt iranische Atomanlage ins Visier“, wieder im nämlichen Blatt und wieder von Uzi Mahnaimi, diesmal gemeinsam mit Peter Conradi. Sogar ein Buch hat Mahnaimi schon vorgelegt, gemeinsam mit Bassam Abu-Sharif – einem Flugzeugentführer und engen Berater Yassir Arafats übrigens.

In der Tat scheint science fiction das adäquate Genre für Uzi Mahnaimi zu sein, denn in diese Literaturgattung hat er seine bislang kühnste Geschichte platziert: Am 15. November 1998 veröffentlichte er – auf der Titelseite der Sunday Times, wo sonst? – mit heiligem Ernst die investigative Behauptung, Israel arbeite an der „Ethno-Bombe“, einer biologischen Waffe nämlich, die nur Araber, aber keine Juden töten oder verletzen könne. Israelische Wissenschaftler, so versicherte dieser Captain Kirk für ganz Arme im Brustton der Überzeugung, bemühten sich um die Identifizierung bestimmter Gene, die es nur bei Arabern gebe, um Mikroorganismen zu entwickeln, die dann ausschließlich für Träger dieses biologischen Zuschnitts tödlich wären. Dabei berief sich Mahnaimi andeutungsvoll auf „israelische Militär- und westliche Geheimdienstquellen“. Kein Wunder, dass er für dieses antisemitische Schauermärchen auf der Internetseite der Holocaustleugner-Vereinigung Institute for Historical Review euphorisch gelobt wurde. Gründe, den Erkenntnissen dieses Herrn grundsätzlich zu misstrauen, gibt es also mehr als genügend, um es zurückhaltend zu formulieren. Doch Schlagzeilen gegen Israel sind billig, und da schiebt man gerne mal so einen wie Mahnaimi in die mediale Expertenrolle – einen echten Kronzeugen, der bis 1984 Offizier in der israelischen Armee war, bevor er sich als Publizist gegen den jüdischen Staat betätigte.

Yossi Melman, Journalist bei der israelischen Tageszeitung Ha’aretz, bleibt gleichwohl gelassen: „Natürlich hat Israel aktive Notfallpläne für einen Angriff auf die atomaren Kapazitäten des Iran. Aber in den USA, Großbritannien und jedem westlichen Land, das geradlinig denkt, ist das nicht anders. Das ist die Pflicht der Militärplaner – sich Notfallpläne einfallen zu lassen. Soweit ich weiß, sind die Vorbereitungen noch nicht abgeschlossen. Es sind immer noch ein weiter Weg und viel Arbeit bis dorthin – ich glaube nicht, dass die Ziele im Iran schon ausgewählt wurden.“ Auf welchem Weg man im Notfall zu ihnen gelangt, ist eine Frage, deren Erörterung nicht einmal ansatzweise einen Skandal darstellt, denn ihre Beantwortung ist für Israel überlebenswichtig, wenn alle Versuche scheitern sollten, das iranische Atomprogramm nachhaltig zum Erliegen zu bringen. Doch das sehen Uzi Mahnaimi und seine deutsche Gefolgschaft ganz anders. „Israel droht mit Selbstverteidigung“, schlagzeilte vor knapp einem Jahr einmal der Focus. Und schöner kann man wohl kaum formulieren, wie man Juden, die sich nicht einfach umbringen lassen wollen, aufzufassen hat: als Gefahr für den Weltfrieden nämlich, den die Deutschen nach langjähriger Begeisterung für den Weltkrieg längst als neue Leidenschaft entdeckt haben. Nur die Störer dieser Art von Harmonie sind irgendwie die Gleichen geblieben.
Mittleres Bild: Der Dry Bones-Cartoon „Europäische Drohung“: (1) „Eine britische Zeitung sagt, Israel habe Pläne, iranische Atomanlagen mit taktischen Atomwaffen zu treffen.“ (2) „Europa handelt wie ein verängstigter Schuljunge, der einem Tyrannen gegenübersteht.“ – „Was meinst du damit?“ (3) „‚Wenn du mich nicht in Ruhe lässt...’“ (4) „‚...wird dich mein kleiner Bruder verprügeln!’“
Übersetzungen: Lizas Welt – Hattips: Achim Beinsen, barbarashm, Bernd Dahlenburg, Olaf Kistenmacher. Noch mehr zur Bombenstimmung in den westlichen Medien gibt es beim Videoblog Outcut TV.