Tausch und Täuschung
Obwohl die Palästinenser täglich mit Raketenangriffen auf Israel verdeutlichen, wie sie sich einen Waffenstillstand vorstellen, zog Israels Premierminister Ehud Olmert vor einigen Tagen in Erwägung, palästinensische Häftlinge im Austausch gegen den entführten israelischen Soldaten Gilad Shalit freizulassen. Dieses Vorhaben wurde nun in letzter Minute zurückgenommen. Unterdessen geht der Beschuss Israels mit Kassam-Raketen weiter, für den palästinensische Terrorgruppen etliche tausend Dollar von der Hizbollah erhalten.
Auch in deutschen Medien machte die Meldung die Runde: „Der von radikalen Palästinensern entführte israelische Soldat Gilad Shalit kommt womöglich bald frei. Die Entlassung palästinensischer Gefangener werde bald vollzogen und von der Freilassung Shalits begleitet, sagte der palästinensische Ministerpräsident Ismail Hanija“, schrieb beispielsweise die Süddeutsche Zeitung. Parallel dazu berichteten israelische Zeitungen von einem Plan des Premierministers Ehud Olmert, pünktlich zum heute beginnenden islamischen Opferfest „eine symbolische Zahl palästinensischer Häftlinge“ auf freien Fuß zu setzen, wenn dafür Gilad Shalit (Foto) aus der Gefangenschaft entlassen wird. Die Palästinensische Autonomiebehörde ging sogar von 1.400 Häftlingen aus und sagte, der Austausch werde unter Einbeziehung Ägyptens und Jordaniens abgewickelt. Dieses Vorhaben ist nun – zumindest vorläufig – auf Eis gelegt, weil es „Probleme bei den Verhandlungen über die Freilassung Shalits“ gegeben habe, hieß es von Seiten des israelischen Regierung. Ein Sprecher betonte zudem: „Wenn die Offiziellen sich an den Waffenstillstand halten würden, bekämen sie vielleicht Inhaftierte zurück.“
Auf scharfe und grundsätzliche Kritik stieß ein möglicher Gefangenenaustausch unter anderem bei Itamar Marcus und Barbara Crook von Palestinian Media Watch (PMW): „Wenn man Terroristen freilässt, indem man einer Erpressung nachgibt, ermächtigt man eine ganze Generation von Terroristen, weil diese wissen, dass ihre Aktionen keine dauerhaften Konsequenzen haben und dass selbst die härteste Gefängnisstrafe nicht von Bestand sein wird. Sie müssen nur darauf warten, dass nachfolgende Terroristen eine weitere israelische Geisel nehmen und ein paar andere töten. Dann wird Freiheit nur eine Frage der Zeit sein.“ Marcus und Crook zitieren in einem Beitrag für die Jerusalem Post aus arabischen Quellen, die Entführungen als integralen Bestandteil der palästinensischen Strategie gegen den jüdischen Staat befürworten. Wenn Israel jetzt Häftlinge freilasse, werde das vier Wellen mit israelischen Opfern zur Folge haben, schreiben die beiden PMW-Direktoren: In einer ersten Welle werde die Hamas versuchen, mit immer weiter gehenden Forderungen sowohl Ehud Olmert als auch den palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas unter Druck zu setzen. In einer zweiten Welle würden die freigelassenen Gefangenen damit fortfahren, Israelis zu töten, wie es ausgetauschte Häftlinge in der Vergangenheit auch schon getan hätten. Daraus folge die dritte Welle, in der eine neue Generation von Terroristen, die sich an den vormals inhaftierten „Helden“ orientiere, über Israels Schwäche lachen und das Töten intensivieren werde, bevor in einer vierten Welle schließlich immer mehr Soldaten und Zivilisten entführt und ermordet würden. „Olmert hat die einzigartige Gelegenheit, diesen Kreislauf der Tötungen, Entführungen und Austausche zu durchbrechen, indem er allen Erpressungsversuchen widersteht und so den palästinensischen Terroristen eine ihrer Lieblingswaffen aus der Hand schlägt“, schließen Marcus und Crook.
Unterdessen demonstrieren palästinensische Terroreinheiten einmal mehr, was sie unter einem Waffenstillstand verstehen: Auch am gestrigen Freitag schlugen wieder Kassam-Raketen in Israel ein, abgefeuert aus dem nördlichen Teil des Gazastreifens. Im Unterschied zum vergangenen Dienstag, als unter anderem der 13-jähriger Adir Bassad in Sderot schwer verletzt wurde, trafen die Geschosse diesmal offenbar niemanden. Die Anweisung von Premierminister Olmert und Verteidigungsminister Peretz, die Waffenruhe aufrechtzuerhalten und gleichzeitig die Zellen, die die Kassam-Raketen abschießen, unschädlich zu machen, stößt bei der israelischen Armee derweil zunehmend auf Kritik. Diese Lösung sei unzureichend und nicht praktikabel, sagte ein Sprecher der IDF; notwendig sei zumindest die Einrichtung einer Pufferzone im Gazastreifen, um zu verhindern, dass palästinensische Terroristen zu nahe an den Sicherheitszaun herankommen und ihre Raketen aus dem Grenzgebiet auf israelisches Territorium feuern können. Eine Entscheidung über diese Bitte der Armee sei noch nicht getroffen worden. Parallel dazu verlautbarte aus israelischen Sicherheitskreisen, dass die vom Iran instruierte und finanzierte Hizbollah palästinensischen Gruppierungen, vor allem dem Islamischen Djihad, mehrere tausend Dollar für jeden Angriff mit Kassam-Raketen bezahlt. „Wir wissen, dass die Hizbollah terroristische Aktivitäten im Gazastreifen und der West Bank finanziert. Manchmal werden die palästinensischen Terroristen vor einer Attacke bezahlt, und manchmal schicken sie im Anschluss an sie eine Rechnung in den Libanon und bekommen das Geld kurz darauf“, erklärte ein Shit Bet-Offizieller.
Die Befürchtungen, dass die offiziell vereinbarte Waffenruhe insbesondere der Hamas und anderen terroristischen Organisationen mehr nutzt als schadet und dass die Hizbollah gestärkt aus dem Krieg im vergangenen Sommer hervorgeht, erfahren immer mehr Bestätigung. Eine trostlose, eine fatale Perspektive für Israel, zumal angesichts des europäischen Appeasements, an dem sich wohl auch 2007 nichts ändern wird.
Zum unteren Foto: Ein Polizist trägt Reste einer Kassam-Rakete aus einem Haus. Sderot, 28. Dezember 2006. – Übersetzungen aus der Jerusalem Post: Lizas Welt – Hattip: barbarashm