21.6.07

Blutsbrüderbäder

Man durfte gespannt sein, wie das Häuflein aufrechter Antiimperialisten auf den palästinensischen Bürgerkrieg im Allgemeinen und die Eroberung des Gazastreifens durch die Hamas im Besonderen reagieren würde. Und erwartungsgemäß hat es nicht lange gedauert, bis sich eine der bekannteren Gruppen zu Wort meldete: Die Antiimperialistische Koordination (AIK) in Wien veröffentlichte flugs ein Kommuniqué, das – wie immer – keine Fragen offen ließ. „Gaza: Wählerwille durchgesetzt“, war es beschlagzeilt, und gleich zu Beginn hieß es: „Die Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen ist im Grunde nichts anderes als die Durchsetzung der Wahlergebnisse von vergangenem Jahr.“ Damit haben die Antiimps ausnahmsweise sogar Recht. Denn die Gotteskrieger haben tatsächlich nie einen Zweifel daran gelassen, was ihre Zwecke und Ziele sind. Dass man das hierzulande einfach nicht wahr haben will, dafür können sie nichts. Umso begrüßenswerter ist es deshalb, dass die österreichischen Freunde der Mörderbande noch einmal deutlich machen, was Sache ist: „Die übergroße Mehrheit des palästinensischen Volkes will für seine Selbstbestimmung kämpfen, die Besatzung abschütteln und den zionistischen Kolonialismus beenden. [...] Die Machtübernahme der Hamas [ist] günstig, denn sie und ihre Kämpfer sind als einzige fähig, der Besatzungsarmee den ihr gebührenden Empfang zu bereiten. Die Möglichkeiten des Widerstands im Gazastreifen, der federführend von der Hamas getragen wird, haben sich bereits in dem Abzug der israelischen Siedler im Sommer 2005 widergespiegelt. Und auch wenn Gaza nicht der Libanon ist – dass Israel besiegt werden kann, hat man im vergangenen Sommer gesehen.“

Nun formuliert es nicht gleich jeder Islamistenfreund so unverblümt wie die fünfte Kolonne der Hamas in Wien; manche Kämpfer wider den Zionismus suchen augenscheinlich noch nach einer medientauglicheren Möglichkeit, die Verantwortlichkeit für die Blutsbrüderbäder dem jüdischen Staat zuschlagen zu können. Und genau darum geht es ihnen, denn „die Leiden der palästinensischen Bevölkerung lassen sie kalt, soweit man nicht Israel für sie verantwortlich machen kann“, wie Karl Pfeifer befindet. Und daher gilt: „Die Fakten dürfen nicht die Argumentation stören. Das bedeutet: Israel muss als Unterdrücker präsentiert werden, der in Sünde geboren ist. Viele Tatsachen stören dabei nur.“ Welche das sind, historisch wie aktuell, und wer einen eher selektiven Umgang mit ihnen pflegt, analysiert Pfeifer in seinem nachfolgenden Beitrag.


Karl Pfeifer

Gleichgültige Antizionisten


Bereits vor knapp einem Monat habe ich in einem Beitrag auf die Schweiger in Österreich hingewiesen, die keinen noch so lächerlichen Anlass zur Dämonisierung und Verleumdung Israels auslassen, zum Blutbad im Gazastreifen aber konsequent schweigen. Die Leiden der palästinensischen Bevölkerung dort lassen sie kalt, soweit man nicht Israel für sie verantwortlich machen kann. Damit bestätigen sie neuerlich die intellektuelle Armut und die Heuchelei, die mit der antizionistischen Ideologie einhergehen. Einige dieser Antizionisten beteuern, alle Probleme des Nahen Ostens wären mit einem Schlag gelöst, wenn nur der jüdische Staat verschwände. Doch der Antizionismus hat auch etwas mit vielen anderen Ideologien gemeinsam: Die Fakten dürfen nicht die Argumentation stören. Das bedeutet: Israel muss als Unterdrücker präsentiert werden, der in Sünde geboren ist. Viele Tatsachen stören dabei nur – daher das Schweigen.

Augenzeugen bestätigten beispielsweise, dass Fatah-Anhänger vor den Augen ihrer Frauen und Kinder mit einer Kugel in den Kopf hingerichtet wurden. Andernorts wurden gefesselte Gefangene von Hochhäusern heruntergestürzt. Zudem gab es unbeschreibliche Misshandlungen, etwa bei Gefechten rund um einen Kindergarten in Khan Yunis. Hätte Israel auch nur einen kleinen Bruchteil solcher Grausamkeiten begangen, dann wären die antizionistischen Websites voll mit anklagenden Texten. Erinnern Sie sich noch, wie 2002 falsche Behauptungen über ein von der israelischen Armee in Jenin angeblich begangenes Massaker mit tausenden palästinensischen Toten in die Welt gesetzt wurden? Oder wie Israel bezichtigt wurde, den Irakkrieg zur Massenvertreibung von Palästinensern zu benutzen? Die damals eifrig solche Märchen verbreiteten, schweigen nun, wenn es offensichtlich wird, dass das palästinensische Leiden von anderen Palästinensern verursacht wurde. Nichts kann Antizionisten davon abhalten, weiter die alte und immer gleiche Propaganda zu verbreiten, die Palästinenser seien lediglich Opfer des Zionismus. Wenn Palästinenser andere Palästinenser unter Missachtung sämtlicher Kriegsregeln angreifen, dann wird das entweder ignoriert, oder Israel wird als Verantwortlicher präsentiert.

Als ich kürzlich im Internet nach einer Splittergruppe österreichischer Antizionisten suchte, stieß ich auf eine Religionssendung des Österreichischen Rundfunks (ORF), „Logos – Theologie und Leben“, die es als gottgefälliges Werk betrachtete, ausgerechnet den Kontakt zu jüdischen Antizionisten zu propagieren. Unter den ersten drei der Gruppen, deren Kontaktadresse veröffentlicht wurde, fand ich die deutsche Organisation Frauen in Schwarz. Wer diesen von Österreich 1 beworbenen Link anklickt, gelangt jedoch unversehens zu einer Erotikseite und zu Kontakten nicht gerade politischer Art, was möglicherweise gar nicht die Absicht des Radiosenders war, der so viel für Antizionisten übrig hat. Ö1 wirbt auch für die Friedensinitiative Frauen in Schwarz (Wien) Für Gerechtigkeit. Gegen Gewalt. Ich suchte und fand auf ihrer Website allerlei Aufrufe gegen Israel, doch kein einziges Wort zu den Ereignissen im Gazastreifen.

Auf einer anderen Internetseite entdeckte ich einen offenen Brief der erwähnten Frauen in Schwarz und der sich großspurig Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost nennende Kleinstgruppe an die Präsidentin des Österreichischen Nationalrates. In dem von Tina Salhi und Samuel Welber unterzeichneten Brief sind sämtliche antiisraelischen Stehsätze zu finden, und es darf auch nicht der folgende obligatorische Hinweis fehlen: „Die palästinensische Bevölkerung ist an dem, was in Europa Juden zugefügt wurde, völlig schuldlos, zahlt aber dafür den allerhöchsten Preis – den Verlust ihres Landes und ihrer Freiheit.“ Was mit realer Geschichte natürlich nichts zu tun hat: Ab 1936 und bis 1939 – als die britische Mandatsmacht die arabische Forderung zur Beschränkung der jüdischen Einwanderung akzeptierte – rebellierte ein bedeutender Teil der palästinensischen Araber. Die jüdische Gesellschaft war bereit, vor den Nationalsozialisten flüchtende Juden aufzunehmen, doch die Araber Palästinas unter der Führung des Mufti Hadj Amin el Husseini widersetzten sich. Der Mufti wurde im November 1941 bekanntlich von Adolf Hitler empfangen, dem er eröffnete, was die Araber zur deutschen Sache beizutragen willens und in der Lage seien und was sie sich als Gegenleistung erhofften. Dazu hieß es im amtlichen Protokoll: (1)
„Der Führer erwiderte, dass die grundsätzliche Einstellung Deutschlands zu diesen Fragen, wie das vom Mufti bereits selbst ausgesprochen sei, klar wäre. Deutschland trete für einen kompromisslosen Kampf gegen die Juden ein. Dazu gehört selbstverständlich auch der Kampf gegen die jüdische Heimstätte in Palästina, die nichts anderes sei als ein staatlicher Mittelpunkt für den destruktiven Einfluss der jüdischen Interessen. Deutschland wisse auch, dass die Behauptung, das Judentum übe die Rolle eines Wirtschaftspioniers in Palästina aus, eine Lüge sei. Dort arbeiten nur die Araber, nicht aber die Juden. Deutschland sei entschlossen, Zug um Zug eine europäische Nation nach der anderen zur Lösung des Judenproblems aufzufordern und sich im gegebenen Augenblick mit einem gleichen Appell auch an außereuropäische Völker zu wenden.“
Die „palästinensische Bevölkerung“ und ihre Führer hatten 1947 die Möglichkeit, einen eigenen Staat auf einem Teil des Territoriums des Mandatsgebietes zu gründen. Doch sie lehnten ab und übernahmen offen die Verantwortung für den Beginn der Kriegshandlungen. Jamal Husseini, der Wortführer des Obersten Arabischen Komitees, erklärte am 16. April 1948 gegenüber dem UN-Sicherheitsrat: „Die Vertreter der Jewish Agency sagte uns gestern, dass nicht sie die Angreifer wären, sondern dass die Araber die Kampfhandlungen aufgenommen hätten. Wir stritten das nicht ab. Wir erklärten vor der ganzen Welt, dass wir kämpfen werden.“ (2) Im Laufe des arabischen Versuches, den jüdischen Staat im Augenblick seiner Geburt durch Waffengewalt zu vernichten, flohen palästinensische Araber in großer Anzahl. Gleichzeitig flohen Juden in großer Zahl aus den arabischen Ländern oder wurden aus ihnen vertrieben, und die meisten von ihnen fanden eine neue Heimat in Israel.

Tina Salhi und Samuel Welber und mit ihnen viele andere Antizionisten fälschen die Geschichte, indem sie die Palästinenser lediglich als Opfer – und sogar als Opfer des Holocaust! – begreifen. Sie geben zwar vor, für sie Sympathie zu empfinden, doch nicht zuletzt durch ihr beharrliches Schweigen zu dem Blutbad im Gazastreifen wird ihr Motiv klar: Ihnen geht es nur darum, den Staat Israel für die triste Lage der Palästinenser verantwortlich zu machen. Doch für die Kultur der Rache, des Revanchismus und der Gewalt, die in der palästinensischen Gesellschaft schon viele Jahrzehnte herrscht, sind in erster Linie die Palästinenser selbst verantwortlich.

Anmerkungen
(1) Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918-1941, Baden-Baden 1956, Ser D, Bd 8/2, S. 719f.
(2) Offizielle Berichte des Sicherheitsrates, S/Agenda/58, 16. April 1948, S. 19.