4.6.07

Das Schweigen der Lämmer

Wie lange der Iran noch brauchen wird, um sein Atomprogramm so weit entwickelt zu haben, dass er zur vernichtenden Tat schreiten kann, mag strittig sein. Dass er mit Nachdruck daran arbeitet, bezweifeln allenfalls notorische Abwiegler und chronisch Friedensbewegte. Doch nennenswerte Unruhe vermögen die Nuklearpläne der Mullahs in Europa nicht zu stiften. Und das hat nichts mit Naivität oder Versagen zu tun; vielmehr geht es den Verantwortlichen „im Kern darum, die Bemühungen der Amerikaner und Israelis im Nahen und Mittleren Osten scheitern zu lassen“, wie Hector Calvelli zu Recht feststellte. Belanglose Resolutionen der Vereinten Nationen gegen den Iran träten zwar mit kritischer Pose auf, doch sie dienten „allenfalls der Schwächung einer notwendig entschiedeneren Position gegen die Bombe der Islamisten“. Calvelli fragte deshalb, ob eine solche Haltung überhaupt noch als Appeasement bezeichnet werden könne oder nicht bloß dessen Simulation sei, die auf offene Kollaboration hinauslaufe: Appeasement nämlich ist die Politik der Beschwichtigung und der Zugeständnisse gegenüber einem Aggressor. Wird der Islamismus aber als Avantgarde gegen die ‚wahren Aggressoren’ USA und Israel interpretiert, so kann von Appeasement keine Rede mehr sein.“

Gleichwie: Die Verteidigung des jüdischen Staates by any means hält in Europa ohnehin nur eine kleine Minderheit für dringend geboten. Zwar versäumt selten jemand die großmütige Beteuerung, Israel habe ein Recht zu existieren. Doch sobald es geeignete Maßnahmen zu seiner Sicherung und Sicherheit ergreift, könnte das Geschrei kaum lauter sein. Und so wird der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedjad (Foto) erneut nicht wenigen aus der Seele gesprochen haben, als er die israelische Regierung vor knapp zwei Wochen auf einer Kundgebung in Isfahan davor warnte, noch einmal militärisch gegen die Hizbollah vorzugehen: „Wenn ihr dieses Jahr den Fehler vom vergangenen Jahr wiederholt, wird sich der Ozean der Nationen der Region empören und das zionistische Regime mit Stumpf und Stiel ausrotten.“ Protest regte sich jedenfalls wie üblich keiner, doch für alle Fälle versicherte der iranische Botschafter in Deutschland, Mohammad Mehdi Akhondzadeh Basti, das Atomprogramm diene allein friedlichen Zwecken: „Es gibt überhaupt keinen Grund, für niemanden, vor dem iranischen Atomprogramm Angst zu haben.“ Dass Israel ein Niemand ist, darf er dabei getrost voraussetzen.

Philipp Heimberger hat in seinem Gastbeitrag für Lizas Welt überhaupt kein Verständnis für die europäische Haltung: „All jene, die bislang nonchalant wegschauten, wenn Ahmadinedjad oder andere Terrorführer des Islams unverblümt von der Vernichtung Israels fantasierten, müssen endlich zur Vernunft kommen: Dem Muskelspiel der islamischen Terroristen und ihrer unmissverständlichen Propaganda liegen keine leeren Floskeln zugrunde. Die Ankündigungen werden durch den islamistischen Terror vielmehr tagtäglich zu blutrünstiger Realität.“ Und deshalb müsse dem jüdischen Staat „mit allen notwendigen Mitteln der Rücken gestärkt werden“. Doch stattdessen vertausche man in Europa einmal mehr Täter und Opfer: „Israel, das lediglich von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch macht, wird als Aggressor dargestellt; die islamistischen Terroristen hingegen werden in Schutz genommen.“ Das habe Konsequenzen – mörderische und selbstmörderische.


Philipp Heimberger

Selbstmörderische Zurückhaltung


Kaum jemanden scheint es in unseren Breitengraden wirklich zu schockieren, wenn Mahmud Ahmadinedjad wieder einmal in aller Weltöffentlichkeit seinem mörderischen Antisemitismus Ausdruck verleiht. Jene, die die apokalyptischen Verlautbarungen, die mit kalkulierbarer Regelmäßigkeit aus dem Land der Mullahs ertönen, in kluger Ein- und Voraussicht ernst nehmen, zucken zwar vielleicht noch kurz zusammen, wenn einmal mehr die Zerstörung des Staates Israels ausgerufen wird. Doch mit der Zeit scheinen selbst die rigorosesten Kämpfer gegen den antizionistischen Wahnsinn abzustumpfen, wenn der iranische Präsident mit unverhohlenem Stolz verkündet, Israels Auslöschung stehe „unmittelbar bevor“, der „Countdown“ habe begonnen. Von westlichen Medien wie so oft bestenfalls am Rande erwähnt, fielen eben diese Worte während der gestrigen Ansprache Ahmadinedjads im Rahmen der Feierlichkeiten zum achtzehnten Todestag Ayatollah Ruhollah Khomeinis. Dieser wird als politischer und spiritueller Führer der islamischen Revolution im Iran verehrt; er ist das Idol der islamischen Gotteskrieger und war ein skrupelloser Fanatiker sowie antisemitischer Propagandist.

Trotz der Tatsache, dass Ahmadinedjad beileibe nicht zum ersten Mal eine „Welt ohne Zionismus“ in Aussicht stellte; trotz seiner Ankündigung, man werde dem Willen Allahs Genüge tun, indem man Israel tilgen werde – dieses grundböse „Besatzerregime“, wie es der iranische Präsident einmal nannte, diesen imperialistischen Teufelsstaat, der als „Brückenkopf für die Herrschaft über die islamische Welt dienen soll“, konstituiert durch ein „schweres Vergehen des hegemonialen und arroganten Systems gegen die islamische Welt“ –; trotz des neuerlichen unmissverständlichen Appells des iranischen Präsidenten an seine arabischen Verbündeten, „mit der Hilfe aller […] Kämpfer“ Israel ein für allemal den Garaus zu machen; trotz all dieser zum wiederholten Male vorgetragenen mörderischen Ankündigungen und Forderungen kann man sich sicher sein, dass die unverbesserlichen westlichen Appeasement-Blender weiterhin sämtliche iranischen Drohungen herunterspielen oder gänzlich ignorieren werden. Und man sollte sich auch nicht der Hoffnung hingeben, dass endlich jener Realität ins Auge gesehen wird, die David Horovitz, Chefredakteur der Jerusalem Post, so auf den Punkt brachte: „Bewusst übersehen von jenen, die Israel delegitimieren wollen, und erschreckenderweise auch von jenen, die dem Feldzug [des Djihad] zum Opfer fallen, sind die grundlegenden Wahrheiten [für die Gewalt im Nahen Osten und anderen Konfliktgebieten] an der Wurzel der Realität im Nahen Osten, an der Wurzel des islamistischen Terror-Feldzuges zu finden.“

All jene, die bislang nonchalant wegschauten, wenn Ahmadinedjad oder andere Terrorführer des Islams unverblümt von der Vernichtung Israels fantasierten, müssen endlich zur Vernunft kommen: Dem Muskelspiel der islamischen Terroristen und ihrer unmissverständlichen Propaganda liegen keine leeren Floskeln zugrunde. Die Ankündigungen werden durch den islamistischen Terror vielmehr tagtäglich zu blutrünstiger Realität. Der jüdische Staat steht derzeit wieder einmal unter feindlichem Raketenbeschuss; die palästinensischen Mordbanden folgen mit dem Abschuss ihrer Angst, Zerstörung, Leid und Tod bringenden Kassam-Raketen nicht zuletzt den Rufen Ahmadinedjads. Dieser ist sich wiederum der Bedeutung des palästinensischen Terrors für das Ziel der Weltherrschaft des Islam bewusst, stellte er doch bereits auf der Teheraner Antizionisten-Konferenz im Jahr 2005 fest: „Heute vertritt das palästinensische Volk in seinem Kampf gegen das hegemoniale System die gesamte islamische Umma“ – und beschießt Israel deshalb weniger unter dem Deckmantel einer Religion als vielmehr im Auftrag des Allmächtigen. Das ist die zwingende Logik des Djihad. Die antizionistischen Kräfte des Westens jedoch wissen das bravourös zu beschönigen, indem sie in altbewährter Manier an der Mythenspirale drehen. Damit tragen sie ihren Teil dazu bei, dem Terror unter die Arme zu greifen: Israel, das mit seinen gezielten Gegenschlägen lediglich von seinem Recht auf Selbstverteidigung Gebrauch macht, wird als Aggressor dargestellt; die islamistischen Terroristen hingegen werden in Schutz genommen. David Horovitz trifft auch hier den Punkt: „Das Versagen der internationalen Gemeinschaft, die Opfer von den Aggressoren unserer Konflikte zu unterscheiden, bestärkt die Kampagne der Delegitimierung Israels. Indem man daran scheitert, die islamistische Gefahr zu begreifen, sie gemeinsam zu bekämpfen und die marginalisierten Stimmen der Mäßigung zu unterstützen, verschlimmert man das Leid der einfachen Leute auf beiden Seiten des Konflikts.“

Am Todestag Ayatollah Khomeinis machte Mahmud Ahmadinedjad erneut überdeutlich, was von seinen Beteuerungen zu halten ist, der Iran strebe gar nicht nach der Atombombe. Er führte damit seine eigenen scheinheiligen Beschwichtigungsversuche ad absurdum. „In der modernen Welt“ zähle „Dialog, der Respekt vor der Würde des Menschen“, hatte er unlängst kund getan. In den heutigen internationalen Beziehungen seien nukleare Waffen nutzlos; ansonsten hätte Israel schließlich den Krieg gegen Libanon gewonnen, und die USA hätten sich den „Hexenkessel Irak“ erspart. Was man davon zu halten hat, wenn der Iran vorgibt, freiwillig auf die Atombombe zu verzichten, müsste jedem denkfähigen Menschen eigentlich einleuchten: Ein Gottesstaat, der nicht nur unverblümt die Tilgung eines anderen Staates anstrebt, sondern die gesamte westliche Welt als Feind auserkoren hat – als natürlichen Feind des islamischen Fundamentalismus, als Hindernis auf dem Weg zu Weltherrschaft der islamischen Religion, das es zu beseitigen gilt –, ein solcher Gottesstaat wird alles daran setzen, um in den Besitz von Waffen zu kommen, die ihm bei der Umsetzung des obersten Zieles behilflich sind. Und dieses oberste Ziel ist und bleibt die Vernichtung Israels.

David Horovitz fasst zusammen, was das Gros in Europa einfach nicht begreifen will: „Israel steht Feinden gegenüber, die, durch den Iran inspiriert, asymmetrische Kriege austragen – sie bauen Bomben für Selbstmordattentäter in Fabriken im Herzen unserer zivilen Nachbarschaft, feuern Raketen auf israelische Städte [...], jubeln über israelische Todesopfer und intervenieren bei der internationalen Gemeinschaft, wenn Israel sich mit physischen Barrieren zur Wehr setzt.“ Die lasche und dementsprechend folgenlose Reaktion der so genannten internationalen Gemeinschaft auf die Kompromisslosigkeit und Unbeirrbarkeit des iranischen Vorgehens in puncto Atomprogramm löst bei Ahmadinedjad bestenfalls Schadenfreude aus. Von seinem Plan, in aller Bälde die Atombombe in Händen zu halten, um diese sodann gegen Israel und dessen „korrupte Verbündete“ zu richten, wird er sich durch wirtschaftliche Sanktionen, die in letzter Konsequenz kaum Auswirkungen haben, jedenfalls definitiv nicht abbringen lassen – europäische Unternehmen wie die OMV schließen derzeit nicht umsonst Milliarden-Deals mit den Mullahs ab, ohne Sanktionen fürchten zu müssen. Dabei sind die Zurückhaltung insbesondere der europäischen Politik und das Schweigen der Medien schlicht und ergreifend selbstmörderisch. Eigentlich müsste Israel mit allen notwendigen Mitteln der Rücken gestärkt werden. Um es mit Horovitz zu sagen: „Israels Krieg gegen den islamistischen Extremismus ist unser aller Krieg. Es ist ein Kampf zwischen jenen, die das Leben schätzen, und jenen […], die den Tod lieben.“ Zu dieser Erkenntnis scheint man im alten Europa jedoch weder willens noch fähig zu sein.