1.6.07

Paradigmatischer Pöttering

Wenn ein Mitglied des politischen Personals der Bundesrepublik Deutschland sich in offiziellem Auftrag nach Israel begibt, steigen stets die Chancen auf einen peinlichen Auftritt, wo nicht gleich auf einen veritablen Affront. Weiß noch jemand, von wem der Satz „Ich rede vor Ihnen als einer, der in der Nazizeit nicht in Schuld geraten konnte, weil er die Gnade der späten Geburt und das Glück eines besonderen Elternhauses gehabt hat“ stammt und wo er gesprochen wurde? Es war Helmut Kohl, Jahrgang 1930, der mit diesen Worten Ende Januar 1984 seine Rede vor dem israelischen Parlament, der Knesset, begann. Am Vorabend hatte ein Redakteur des israelischen Fernsehens Ausschnitte präsentiert, die zeigten, „wie Kohl in der Heide Panzerschützen besuchte und protzte, als Fünfzehnjähriger bei der Flak mitgekämpft zu haben“, schildert Ulrich Sahm den Auftritt des Bundeskanzlers. Kohls Pressesprecher Peter Bönisch durchmaß derweil die Altstadt von Jerusalem im schwarzen Ledermantel und nölte über die israelische „Instrumentalisierung des Holocaust“. Die Tageszeitung Ha’aretz druckte ein Foto, das Kohl auf dem Tempelberg zeigt, gemeinsam mit muslimischen Geistlichen. In der Bildunterzeile hieß es trocken: „Der deutsche Bundeskanzler mit dem Mufti von Jerusalem, dessen Vorgänger mit Hitler über die Endlösung der Juden konferierte.“

Noch gnädiger meinte es die Weltläufte mit Hans-Gert Pöttering (Foto): Der Christdemokrat aus dem metropolitanen Bad Iburg bei Osnabrück wurde zu Beginn des Kapitulationsjahres 1945 gezeugt; auf den Spaß mit den Flaks musste er also verzichten. 62 Jahre später ist Pöttering Präsident des Europaparlaments, dem er seit der ersten Direktwahl 1979 angehört. Und der Mann hat was vor: Am Dienstag traf er sich mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas, der überhaupt kein Land mehr sieht, sagte ihm großzügige Unterstützung durch die Europäische Union zu und verwies stolz darauf, diese habe im Jahr des Boykotts 700 Millionen Euro für „humanitäre Projekte“ in die palästinensischen Gebiete überwiesen. Die Summe solle dieses Jahr sogar noch steigen. Dass diese Zuwendungen nicht den vorgesehenen Empfängern ausgezahlt, sondern vornehmlich in schweres Gerät und Munition für den Krieg gegen Israel investiert werden, pfeifen die Spatzen zwar von den Dächern. Macht aber nichts: In der Presse wird Pöttering gefeiert.

Derart gestärkt, trat er am Mittwoch vor die Knesset wie weiland sein Kanzler. Und er demonstrierte nachgerade paradigmatisch, was man sich unter der „Gnade der späten Geburt“ in seiner topmodernen Variante vorzustellen hat: Erst mal sturzbetroffen den Geläuterten geben, der aus der deutschen Geschichte viel gelernt hat, dann pflichtschuldig den Spruch mit der deutschen Verantwortung und dem Existenzrecht Israels aufsagen, um ganz allmählich zur Sache zu kommen und das Leid der Palästinenser zu beklagen, bevor Israel schließlich eindringlich zur „Versöhnung“ ermahnt und Europa dabei als Vorbild gepriesen wird. Hans-Gert Pöttering zog all diese Register. Er spreche als Präsident des EU-Parlaments zu den Knesset-Abgeordneten, aber auch „als Deutscher und damit im Bewusstsein einer besonderen Verantwortung“, tat er kund. Also, bitteschön: „Erlauben Sie mir, zu Ihnen in meiner Muttersprache zu sprechen, in der Sprache von Moses Mendelssohn, von Heinrich Heine und Theodor Herzl.“ Und der von Johann Gottlieb Fichte, Heinrich von Treitschke und Joseph Goebbels. Aber man kann ja nicht an alles denken.

Vor der Kür kommt bekanntlich die Pflicht, und so begann Pöttering seine Rede mit dem Bekenntnis „zu einem dauerhaften Existenzrecht Israels, zu dem Recht Israels, friedlich in gesicherten Grenzen und in einer Nachbarschaft zu leben, die Israel anerkennt“, sowie der Versicherung, „hier als Freund“ zu stehen, „dessen Sympathie und Solidarität allen Menschen in Israel gilt“. Damit schnell zur nächsten Routineübung, Yad Vashem: „Alle Worte versagen, um die Tiefe der Gefühle auszudrücken, die dort Besitz von mir genommen haben“, hauchte er ins Mikrofon und zog alsdann eine Parallele zu seiner gegenwärtigen Befindlichkeit, die sich offenbar nicht minder emotional ausnahm, weil „ich zu Ihnen in der Sprache sprechen darf, in der Lessing uns in seinem Werk ‚Nathan, der Weise’ die ‚Ringparabel’ ans Herz gelegt hat, dieses große Werk der deutschen Aufklärungsliteratur“. Die, scheint’s, alles überstrahlt, was auch immer danach an, sagen wir, weniger Aufgeklärtem passiert sein mag. Denn: „Es ist das wertvollste sprachliche Symbol der Toleranz zwischen den Religionen, das in deutscher Sprache geschrieben worden ist.“ Und doch: „Wir in Europa werden niemals die bitteren und auf alle Zeit unvergleichbaren Leiden vergessen, die dem jüdischen Volk angetan worden sind“, und zwar „im Namen meines eigenen, des deutschen Volkes“. Nicht von wirklichen Deutschen also, sondern gewissermaßen von Etikettenschwindlern, aber da ist Pöttering gar nicht so; er gab trotzdem scheinbar publikumswirksam den Demütigen: „Ich verneige mich vor allen Opfern der Shoa.“ Die dann doch nicht ganz so sinnlos waren, wie man bisher dachte: „ Ich danke für den neuen Anfang, der zwischen Deutschen und Israelis möglich geworden ist.“

Ja, mehr noch: „Ich danke für das Vertrauen, das heute zwischen der Europäischen Union und Israel besteht. Es ist eine besonders enge Beziehung, die uns als Demokratien und Wertegemeinschaften verbindet und als Partner näher bringt.“ Daran stimmte zwar kein einziges Wort, aber nachdem Pöttering annehmen zu dürfen glaubte, mit seiner Ansprache bislang reichlich Kredit eingefahren zu haben, kam es jetzt nicht mehr ganz so genau. Und deshalb folgte gleich die nächste, sagen wir, reichlich gewagte These: „Wir achten das Erbe Israels, das zu unserem eigenen europäischen Erbe dazugehört. Wo immer wir unser jüdisches Erbe in Europa gering schätzen, schätzen wir unsere eigenen heutigen Werte gering. Wo immer wir Israels Beitrag zu unserer eigenen Zivilisation missachten, missachten wir einen wertvollen Teil unserer eigenen Identität. Wo immer wir das unermessliche Leid des jüdischen Volkes leugnen, leugnen wir unsere eigene Würde.“ Der Publizist Eike Geisel hatte derlei Schmonzetten schon im März 1992 durchschaut: „Alle beteuern, wie groß der Verlust durch die Austreibung und Ermordung der Juden sei“, schrieb er damals. Doch diesen Verlust habe in Deutschland nicht nur nie jemand verspürt, „es ist gar keiner. Denn in Wahrheit hat die Massenvernichtung bewiesen, erstens, dass man sie veranstalten kann, und zweitens, dass ein derartiges Verbrechen langfristig gut ausgeht.“ Aber „stärker noch als das Bedürfnis der Sieger, sich als Opfer einer kulturellen Selbstverstümmelung zu fühlen, ist ihr unersättliches Verlangen, die einst Ausgestoßenen sich auf jede nur denkbare Weise einzuverleiben.“ Als Medizin zur Wiedergutwerdung nämlich.

Und wer sagt denn, dass ein Placebo nicht wirkt? „Mit Ihnen besorgen mich zutiefst die furchtbaren Reden des Präsidenten des Iran. [...] Als Deutscher und als Europäer sage ich: Wer den Holocaust leugnet, der leugnet die Menschlichkeit; der leugnet den menschlichen Willen, aus der Geschichte zu lernen; der leugnet die Grundlagen der zivilisatorischen Gemeinschaft in der Welt.“ Zeit also, energisch zu handeln – wer schreibt, der bleibt: „In das Buch des Gedenkens von Yad Vashem habe ich gestern die Worte geschrieben: ‚Der Holocaust, das böseste aller Verbrechen, verpflichtet uns für alle Zukunft, für das Leben, die Menschenrechte, Frieden und Freiheit einzutreten.’“ Ergo: „Wo immer durch solche Reden wie die des iranischen Präsidenten oder gar durch Handlungen die Sicherheit und die Existenz Israels in Frage stünden, steht die Europäische Union ohne Zögern an Ihrer Seite!“ Und zwar so was von entschlossen: mit dem Kritischen Dialog, Wirtschaftshilfen, energischen Warnungen vor einem Krieg gegen die Mullahs und anderen unmissverständlichen Ultimaten. Der Standort Deutschland droht dem Iran sogar mit einem Transrapid!

Also: Alles in Butter mit den deutsch-europäisch-israelischen Beziehungen – ökonomisch, kulturell, politisch. Und auch „in zahlreichen anderen wichtigen Fragen sehen wir ein viel versprechendes Potenzial zur weiteren Annäherung und zu einer Vertiefung unseres politischen Dialogs, wie beispielsweise beim Schutz der Minderheiten oder dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.“ Das hört sich nur vordergründig gut an, denn Vokabeln wie „Potenzial“, „Annäherung“ oder „Vertiefung“ im Zusammenhang mit dem „Schutz der Minderheiten“ und „dem Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit“ verraten: Hier sieht der EU-Parlamentspräsident Differenzen; schließlich müsste sich nichts und niemand entgegenkommen, wenn alles zum Besten bestellt wäre. Und als Pöttering dann noch hervorhob: „Ich persönlich bin bei diesen Fragen ganz besonders engagiert“, durfte man sicher sein, dass noch etwas folgen würde. Dieses nämlich: „Wäre es nicht jetzt an der Zeit, die Sehnsucht der Menschen nach einem friedlichen Leben in Sicherheit und Respekt für ihre Mitmenschen zu erfüllen, eine Sehnsucht, die für so viele ein Grund war für die Rückkehr in das ‚gelobte Land’?“ In der Tat: Das wäre an der Zeit. Allein: Es kann der Frömmste nicht in Frieden, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt. Dabei sah es mal so gut aus: „Nach dem Oslo-Abkommen 1993 wagten wir zu hoffen, dass endlich ein wahrer Schritt auf dem Weg des Friedens gesetzt wurde, dass sich Versöhnung, Dialog und Vernunft durchsetzen würden.“ Dazu kam es jedoch nicht, weil die Palästinenser es sich wieder anders überlegten; Pöttering mochte das aber lieber nicht so formulieren: „Heute steht die Region wieder in Flammen, erneut sind zahlreiche unschuldige Opfer zu beklagen. Die Situation erscheint so kritisch wie seit längerer Zeit nicht mehr.“

Klingt nach der typischen deutsch-europäischen Äquidistanz und ist es auch: „Ich verurteile auf das Schärfste den fortgesetzten Abschuss von Kassam-Raketen aus dem Gazastreifen auf den Staat Israel. Das Europäische Parlament ruft dazu auf, einerseits die entführten israelischen Soldaten Ehud Goldwasser, Eldad Regev und Gilad Shalit sowie den britischen Korrespondenten Alan Johnston freizulassen“ – Trommelwirbel – „und andererseits die verhafteten Parlamentsabgeordneten und andere Politiker, darunter den Bildungsminister Nasser al-Din Shaer, aus der Haft zu entlassen“. Tusch! Beziehungsweise touché! Schnell noch ein „Israel hat ein Recht auf Notwehr“ ins Mikrofon gehustet, bevor die Lehrstunde weitergeht: „Ich ersuche Israel jedoch auch, unschuldige Opfer in der Zivilbevölkerung und unverhältnismäßige Reaktionen zu vermeiden. Denn das Völkerrecht verpflichtet uns alle. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit!“ Wer wüsste das besser als die Gerade-wir-als-Deutsche-Deutschen? „Nach Jahrzehnten der immer wieder aufflackernden kriegerischen Auseinandersetzungen und des Unfriedens: Ist nicht jetzt die Zeit gekommen, über den Frieden zu verhandeln?“, fragte also der Nachgeborene, der aber Milde walten ließ und verstand, „dass in diesen Tagen das Interesse Israels an einem Dialog eher zurückhaltend ist“. Aber? „Aber gibt es nicht auch das hebräische Wort ‚Tikkun Olam’, mit dem die spirituelle Verpflichtung bezeichnet wird, immer wieder aufs Neue an der Heilung der zerbrochenen Welt zu arbeiten?“

Pöttering hätte auch gleich fragen können, ob die Juden aus Auschwitz eigentlich nichts gelernt haben, aber weil er wusste, dass das nicht so gut ankommen würde, wandelte er lieber seine in Yad Vashem niedergelegte Weisheit etwas ab: „Ich glaube daran, dass eine friedliche Lösung beruhen sollte auf Dialog, Versöhnung und Vergeben. Nur so kann ein dauerhafter Frieden zwischen Völkern entstehen.“ Woraus allemal zu folgen habe: „Es gibt für mich keinen besseren Prozess als eine gemeinsame Konferenz“, an deren Ende „eine Zwei-Staaten-Lösung“ stehen müsse. „Deren Ausgangspunkt“ seien „die Grenzen von 1967“, weshalb „das Prinzip ‚Land gegen Frieden’“ die „gerechteste und fairste Vorgangweise für ein ausgeglichenes und dauerhaftes Ergebnis“ biete: „Ich glaube fest daran, dass ein palästinensischer Staat mit dauerhaften Grenzen auch für die israelischen Bürger mehr Sicherheit und Stabilität brächte.“ Die Sache hat bloß einen kleinen Haken: Die Palästinenser stellen sich unter einem „ausgeglichenen und dauerhaften Ergebnis“ etwas ganz anderes vor und betrachten deshalb jeden Rückzug Israels als Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Beseitigung des jüdischen Staates. Aber das muss einen europäischen Parlamentspräsidenten nicht weiter irritieren: „Dialog ist der erste Schritt zum besseren Kennenlernen, und dieser kann zur Versöhnung führen, wie sie in den vergangenen fünfzig Jahren schrittweise auch in Europa möglich wurde.“ Dumm nur, dass dieser Dialog von palästinensischer Seite aus mit Selbstmordattentätern und Raketen geführt wird.

Apropos palästinensische Seite: „Gestern bin ich in Gaza mit Präsident Mahmud Abbas zusammengetroffen. Die wirtschaftliche, soziale und humanitäre Situation hat mich tief betroffen gemacht. Was ich gesehen habe, ist unzumutbar für die betroffenen Menschen, es ist unannehmbar für die arabische Welt, und es ist inakzeptabel für die internationale Staatengemeinschaft.“ Eine Kritik an der Korruption der Autonomiebehörde? Eine Schelte für die Veruntreuung von EU-Geldern? Ein Tadel für den Bürgerkrieg? Nicht doch: „Ich bitte die Regierung Israels: Geben sie die etwa 700 Millionen Dollar palästinensischer Gelder, die auf Zolleinnahmen beruhen, an Präsident Abbas frei, so dass er damit Lehrer und Polizei entlohnen kann.“ Ein offener Aufruf zum Ende des Boykotts also, in dem Wissen (!), wohin die eingefrorenen Mittel nach ihrem Auftauen fließen werden. Aber Pöttering hatte eine Mission zu erfüllen, und zwar mit Leib und vor allem Seele: „Die Augen eines palästinensischen Babys – und ich sage das als Vater – strahlen ebenso wie die eines israelischen Babys. Das Lachen von palästinensischen Schülerinnen ist ebenso herzerfrischend wie das Lachen israelischer Mädchen. Palästinensische Jungen lernen ebenso fleißig wie israelische Jungen. Palästinensische Mütter und Ehefrauen weinen ebenso wie israelische, wenn ihre Männer keine Arbeit haben, im Gefängnis sitzen oder tot sind.“ Wenn sie sie nicht gerade als Shahids feiern. Soll ja vorkommen. In der Knesset packte jedenfalls niemand die Taschentücher aus.

Pöttering irritierte das gleichwohl wenig; einmal in Fahrt, ging es munter weiter mit dem Vorschlag-Hammer: „Frieden beginnt mit der Erziehung unserer Kinder und mit den Bildern, die Jugendliche übereinander haben. Wäre es daher nicht von Nutzen, wenn wir unsere Schulbücher wechselseitig daraufhin untersuchen könnten, inwieweit sie noch immer Vorurteile übereinander vermitteln und falsche Stereotype pflegen?“ Er sagte wirklich allen Ernstes „wechselseitig“, so, als ob es die israelischen Unterrichtsmaterialien wären, die aus dem Verkehr gezogen werden müssen, und nicht die von der EU mitfinanzierten Lehrbücher für palästinensische Schüler, in denen „Profitgier“ und „Illoyalität“ als jüdische Merkmale vorgestellt werden, die Existenz Israels negiert wird und der jüdische Staat auf Landkarten dementsprechend gar nicht erst verzeichnet ist. Pöttering weiß all dies nur zu gut, aber es ficht ihn nicht an: „Wir würden bestimmt keinen Souveränitätsverlust erleiden, wenn sich europäische, arabische und israelische Experten zusammensetzen würden, um über die Rolle der Friedenserziehung ihre Erfahrungen auszutauschen.“ Zur Entspannung gibt’s zwischendurch das Kinderprogramm bei Hamas-TV, das sich auf seine Weise der Friedenserziehung widmet und zeigt, wie man die Kleinen richtig großzieht.

Als Hans-Gert Pöttering mit einem Psalm und einem „Shalom“ geendet hatte, erhielt er für seinen Vortrag den verdienten Lohn. Und der bestand nicht in freundlichem Applaus, sondern in einer Entgegnung durch die Knesset-Vorsitzende Dalia Itzik (Foto): „Sie sollten sich mal etwas besser informieren“, wandte sie sich an den Redner. „Dieser palästinensische Erziehungsminister, dessen Freilassung Sie fordern, schickt Kinder in den Tod, um sich zu sprengen. Der von Ihnen erwähnte großartige Erzieher lässt in den Schulbüchern hetzen und ruft zum Beschuss Israels mit Kassam-Raketen auf.“ Der EU-Parlamentspräsident kenne diese Fakten offenbar nicht. Itzik hatte ihn schon vor seiner Ansprache darauf aufmerksam gemacht, dass es um die Beziehungen zwischen Israel und der Europäischen Union nicht gerade zum Besten stehe und dass letztere es in der Hand habe, dies zu ändern: „Warum, Herr Präsident, beschließen Sie nicht, dass der iranische Präsident kein erwünschter Gast in Europa ist? Warum sagen Sie ihm nicht, dass sein Fuß Europa nicht betreten wird. Warum brechen Sie nicht die Beziehungen zum iranischen Parlament ab? Wissen Sie Herr Präsident, es gibt bei uns solche, die sagen, dass Europa immer zu wenig und zu spät reagiert. Es lohnt sich, darüber mal nachzudenken.“

Freundliche Hinweise an einen, der mit Sicherheit kein Informationsdefizit hat und das, was er sagt und tut, aus Überzeugung vertritt und nicht, weil er nicht nachgedacht hätte. Hans-Gert Pöttering hat seine Worte sorgfältig gewählt und den deutschen und alteuropäischen common sense so repräsentiert, wie er es sollte. Anders gesagt: Der Skandal ist die Normalität. Nicht ohne Grund sorgte die Rede hierzulande kaum für Aufsehen; im Gegenteil nahm etwa die ARD-Korrespondentin Bettina Marx Pöttering in Schutz und warf dafür der israelischen Parlamentspräsidentin Dalia Itzik vor, undiplomatisch, ja, aggressiv gewesen zu sein: „Geradezu peinlich wurde es, als Itzik zur Tagesordnung überging, ohne abzuwarten, dass der Ehrengast aus dem Plenum geleitet wurde. Erst als Pöttering ein wenig verdutzt und unsicher aufstand und das Podium verlassen wollte, unterbrach sie sich und forderte einen Knessetdiener auf, ihn hinaus zu geleiten.“ Noch einmal hatte Eike Geisel schlicht Recht: „Die Gnade der späten Geburt wird erkauft mit dem Preis der frühen Verblödung.“ Frag nach bei Helmut Kohl.

Hattip: Spirit of Entebbe