23.6.07

Ehrenwerte Gesellschaft

Da passt doch mal wieder was wie der sprichwörtliche Arsch auf den Eimer: „Altkanzler Gerhard Schröder hat in Syrien die Ehrendoktorwürde der Universität von Damaskus entgegen genommen. Schröder (Foto) werde für seine positive Haltung gegenüber der arabischen Welt und für seinen Einsatz für den Dialog zwischen den Zivilisationen ausgezeichnet, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana. Die Auszeichnung wurde Schröder vom Direktor der Universität, Wael Mualla, übergeben. In seiner Dankesrede würdigte der frühere Bundeskanzler die guten Beziehungen zwischen Deutschland und Syrien im Bereich von Kultur und Wissenschaft. Zudem sicherte er dem Sana-Bericht zufolge Syrien Unterstützung bei den Bemühungen um eine Rückgabe der von Israel besetzten Golan-Höhen zu. Zum Abschluss der Veranstaltung signierte Schröder die arabische Übersetzung seines Buches ‚Meine Leben in der Politik’. Zudem traf er sich mit dem syrischen Präsidenten Bashar al Assad. Thema des Gesprächs waren laut Sana die derzeitige Situation in Nahost und die europäisch-arabischen Beziehungen.“

Diese Auszeichnung hat sich der Exkanzler redlichst verdient. Sie ist der Preis für jahrelange proarabische Lobbyarbeit, die mitnichten auf den „Bereich Kultur und Wissenschaft“ beschränkt ist, sondern sich vielmehr vor allem im ökonomischen Sektor abspielt. Als ein herausragendes Beispiel sei Schröders Kooperation mit dem Nah- und Mittelost-Verein e.V. (NUMOV) in Erinnerung gerufen, einer Organisation, die 1934 damit begann, die „deutschen Wirtschaftsinteressen in der Region“ zu bündeln und die Exportmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in die Länder des ‚Orients’ zu verbessern“. Erster Vorsitzender des Vereins wurde Hermann Reyss, Siemens-Direktor und damit kein Leichtgewicht; die Aufzählung der weiteren Vorstandsmitglieder und ihrer Unternehmen – darunter auch Heinrich Gattineau und Hermann Waibel von der Judenmörderfirma IG Farben – liest sich wie ein Who’s who? der Vernichtungsprofiteure und Arisierungsgewinnler. Während all der Jahre ihres Bestehens unterhielt der NUMOV beste Beziehungen zu den übelsten antisemitischen Diktaturen, darunter – natürlich – auch Syrien. Schröder begleitete die Vereinigung auf mehreren Reisen in arabische Staaten, schloss dabei ein mögliches Embargo gegen den Iran stets offensiv aus und traf sich auch schon mal mit einem Holocaustleugner. Ende Mai letzten Jahres forderte er bei einer Ansprache vor dem Klub anlässlich seiner Ernennung zum Ehrenvorsitzenden ein Ende des Boykotts gegen die Hamas und Verhandlungen mit ihr, während er Israel vorwarf, einseitig Grenzen zu ziehen.

In den USA hat man all dies sehr genau registriert, wie auch Schröders enge Beziehung zu Vladimir Putin, seinen antiamerikanischen Wahlkampf und seine Ablehnung des Irak-Krieges. Dafür hat ihn kürzlich Tom Lantos, Abgeordneter des US-Repräsentantenhauses und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, in einer Rede scharf kritisiert. Der Shoa-Überlebende sagte zudem, Schröder und Frankreichs Präsident Chirac hätten offenbar den Beitrag der USA zur Befreiung Europas vom Nationalsozialismus vergessen, wenn sie nun die USA im Kampf gegen den Islamfaschismus im Stich ließen. Wie Recht Lantos hat, demonstriert die Ehrung Schröders in Damaskus: Sie ist ein offener Affront gegen die Vereinigten Staaten und gegen Israel. „Positive Haltung gegenüber der arabischen Welt“, „Einsatz für den Dialog zwischen den Zivilisationen“, „Unterstützung bei den Bemühungen um eine Rückgabe der von Israel besetzten Golan-Höhen“ – nichts fehlte bei der Feierstunde. Als Sahnehäubchen dann auch noch eine Autogrammstunde mit seinem eigenen, aus naheliegenden Gründen ins Arabische übersetzten Buch, und dann schnell ab zu Assad – nicht zum ersten Mal übrigens –, um mal ein bisschen die Modalitäten in Sachen Golan auszuloten und ansonsten die europäische Kollaborationspolitik auf Vordermann zu bringen.

So geht in Deutschland Nahostdiplomatie. Und deren ideologische Flankierung kommt dann nicht nur aus der Politik, sondern, mit Überzeugung vermittelt von den Medien, gerne auch aus dem akademischen Bereich, in dem sich das Expertentum bekanntlich konzentriert. Also sprach eine deutsche Poliologin, die an der Birzeit-Universität in der Westbank aktiv ist: „Die Hamas hat in ihren jüngeren Programmen deutlich gemacht, dass sie ein Gemeinwesen für die palästinensische Bevölkerung schaffen will, das auf Demokratie und Freiheit beruht und Chancen für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung bietet.“ Pure, lupenreine Ideologie mithin, die sie da im Stern verbreiten darf, aber es kommt noch besser: „Wir sollten fragen, ob Israel und die westlichen Staaten durch eine Verschärfung des Boykotts die Bevölkerung tatsächlich in das vollständige Elend, aber damit auch in die absolute Verzweiflung drängen wollen. Was sie dabei aber übersehen ist die schlichte Tatsache, dass dann keine politische Führung mehr in der Lage sein wird, irgendeine Kontrolle auszuüben. Ganz im Gegenteil, eben dann werden viele Menschen keinen Ausweg mehr sehen, als zur Gewalt zu greifen und zum Beispiel wieder Selbstmordanschläge zu verüben, zuallererst in Israel. Und das kann doch niemand wollen.“ Außer ihr selbst. Und zwar mit jener projektiven Energie, die nur überzeugte Antisemiten aufzubringen in der Lage sind. Dafür bekommt man dann auch schon mal Lehrstühle. Oder Ehrendoktorwürden.

Hattips: barbarashm, Jonny & Spirit of Entebbe