26.6.07

Some things never change

Nachdem die Hamas den Gazastreifen erobert und ihrem Diktat unterworfen hat, überrascht es wenig, dass der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert, der jordanische König Abdullah II. und der ägyptische Präsident Hosni Mubarak nun bei einem Treffen vereinbart haben, ganz auf die Fatah zu setzen. Denn auf den ersten Blick erscheint dieser Schritt folgerichtig und alternativlos. Doch dabei gerät allzu leicht in Vergessenheit, wofür die Fatah in der Vergangenheit meist stand und wie sie operierte. „Die Fatah zu stärken ist, als ob man in die Titanic investieren würde“, befand daher Michael B. Oren, der noch einmal wesentliche Fakten rekapitulierte: „Seit ihrer Bildung im so genannten Osloer Abkommen 1993 hat die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) mehr internationale Zuwendungen erhalten als jede andere Instanz in der modernen Geschichte – pro Kopf gerechnet sogar mehr als die europäischen Staaten im Marshallplan. Der Löwenanteil dieses Vermögens sickerte auf die Privatkonten der Fatah-Führer oder wurde dazu verwendet, die Kommandeure von 16 halb eigenständigen Milizen zu entlohnen. Die PA hat zudem etwa 60.000 uniformierte Bewaffnete auf ihrer Gehaltsliste; damit hat die Westbank, gemessen an der Bevölkerungszahl, den höchsten Prozentsatz an Polizisten.“ Oren erinnerte auch daran, dass die Fatah längst nicht so säkular ist, wie weithin angenommen wird: „Die Organisation gestaltete sich in den 1990er Jahren zur islamischen Bewegung um und bezog dabei das Lexikon des Djihad mit ein. Hunderte Moscheen wurden mit öffentlichen Mitteln gebaut, und Imame wurden eingestellt, um die Botschaft des Märtyrertums und den Hass gegen Christen und Juden zu verbreiten. [...] Ironischerweise legitimierte die Islamisierung der Fatah die Hamas und verstärkte die Kader religiöser Extremisten, die sich nun der Autorität der Organisation widersetzen.“

Bret Stephens befand im Wall Street Journal, der Traum namens „Palästina“ sei definitiv ausgeträumt: „Egal wie viel diplomatischer, militärischer und finanzieller Sauerstoff in Mahmud Abbas’ PA gepumpt wird: Es ist Sauerstoff, der in eine Leiche fließt. Palästina war stets ein fiktiver Ort. [...] Die Israelis konnten ihren Staat halten, weil sie in der Lage waren, die politischen, militärischen und wirtschaftlichen Institutionen zu entwickeln, die ein Staat zum Überleben benötigt, angefangen mit seinem Gewaltmonopol. In ihren fast 14 Jahren als eigenständige Instanz hat die PA all dies nicht vermocht, obwohl sie Empfängerin beispielloser internationaler Kulanz und Freigiebigkeit war. [...] ‚Palästina’, wie wir es heute kennen, wird zu dem zurückkehren, was es war – ein Schattenland zwischen Israel und seinen Nachbarn –, und auch die Palästinenser, wie wir sie heute kennen, werden zu dem zurückkehren, was sie waren: Araber. Ob es ein besseres Resultat hätte geben können, darüber kann man nur spekulieren. Aber der Traum, der einmal Palästina hieß, ist endgültig tot.“

David A. Harris wiederum, der Direktor des American Jewish Committee (AJC), stellte in einem Beitrag für das Weblog der Jerusalem Post nicht zuletzt auf die gewohnten Reaktionen ab, die dem palästinensischen Bürgerkrieg folgten: „Es ist bizarr: Palästinenser massakrieren sich gegenseitig zu Dutzenden – übrigens kann man sich gut vorstellen, wie das Massaker aussähe, wenn Juden die nächsten Ziele wären –, und Israel steht im Zentrum der Schuldzuweisungen. [...] Was kommt nun als nächstes im Plan Israels für die Region, folgt man den Experten? Die Organisierung der Machtübernahme im Libanon durch die Hizbollah?“ Gaza hätte „nicht den Bach hinuntergehen müssen“, erinnerte er, doch Naivität und ideologische Verblendung hätten dazu geführt, dass die Hamas von den internationalen Akteuren auch nach der Wahl zur Regierungspartei nicht fallen gelassen wurde. Es bleibe letztlich abzuwarten, ob die von der Fatah kontrollierte Westbank ein Vorbild für Veränderungen zum Besseren sein kann. Bernd Dahlenburg von Honest Reporting (deutsch) hat Harris’ Text für Lizas Welt ins Deutsche übersetzt.


David A. Harris

Gazas Niedergang: Israels Schuld?

Weblog der Jerusalem Post, 19. Juni 2007

Die größte Nachrichtenstory im Nahen Osten war dieser Tage die Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen nach den Kämpfen zwischen der Fatah und der vom Iran unterstützten Hamas. Einige behaupten nun, es sei eine Zweistaatenlösung erzielt worden – anstelle Israels auf der einen und Palästinas auf der anderen Seite sei es nun jedoch der von der Hamas beherrschte Gazastreifen und die von der Fatah dominierte Westbank. In den letzten Tagen wurde die Welt Zeuge von exekutionsartigen Morden, der Verstümmelung von Körpern, Schießereien in Krankenhäusern, medizinischem Personal, das von seinen Arbeitsplätzen gewaltsam vertrieben wurde, Krankenwagen, die in Schusswechsel gerieten, Geistlichen, die vor ihren Gotteshäusern getötet wurden, und Männern, die von Hochhausdächern geworfen wurden. Dies alles ist das Werk von Bewaffneten der Hamas und der Fatah.

Dennoch gibt es Beobachter, die – nicht zum ersten Mal – darauf bestehen, auf diese Blutbäder und das Chaos ihre eigene ideologische Schablone anzulegen. Und der Schuldige ist? Den Briefumschlag, bitte. Wer hätte das gedacht? Niemand anderes als Israel! Und wer, bitteschön, ist zu diesem Schluss gekommen? Unter anderem einige jener jüdischen Gruppen, die Fakten ihrer vorgefertigten Meinung anpassen statt umgekehrt. Während eine Gruppe eine Analyse mit dem Titel „Ein Hamas-geführter Gazastreifen: Wir können uns bei uns selbst bedanken“ in Umlauf brachte, erklärte eine andere, dass „der Triumph der Hamas das Ziel der israelischen Politik war“. Wieder andere mit der gleichen Haltung haben sich angeschlossen.

Es ist bizarr: Palästinenser massakrieren sich gegenseitig zu Dutzenden – übrigens kann man sich gut vorstellen, wie das Massaker aussähe, wenn Juden die nächsten Ziele wären –, und Israel steht im Zentrum der Schuldzuweisungen. Welch selbstgerechte Großzügigkeit von diesen Gruppen, wieder einmal die palästinensische Verantwortlichkeit auf die Schultern Israels abzuwälzen! Und wie eindrucksvoll einsichtig von diesen Betrachtern, zu folgern, dass den Interessen Israels am besten gedient ist, wenn es einen Stellvertreter des Iran gibt, der an seiner südlichen Flanke die Verantwortung trägt! Was kommt nun als nächstes im Plan Israels für die Region, folgt man diesen Experten? Die Organisierung der Machtübernahme im Libanon durch die Hizbollah?

Manche Beobachter sind derart reflexhaft konditioniert, auf jede Gewalt mit der Mutmaßung zu reagieren, Israel hätte zu ihr beigetragen – und sie deshalb vermeiden können –, dass sie sich einfach kein anderes Szenario vorstellen können. Dabei hätte Gaza nicht den Bach hinuntergehen müssen. Das war jedenfalls nicht so vorherbestimmt. Es hätte als Modell für ein friedliches palästinensisches nation-building dienen können. Nebenbei bemerkt wäre auf diese Weise Druck auf Israel erzeugt worden, den Rückzug aus einem großen Teil der Westbank zu beschleunigen.

Die EU, die USA, die Weltbank und andere waren eifrig dabei, beim Aufbau der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur zu helfen. Kim Howells, Staatsminister im britischen Außenministerium, merkte an, dass die Palästinenser pro Kopf die weltweit größten Empfänger von Unterstützung aus dem Ausland waren. Ein solches Wachstum und eine solche Entwicklung wären auch im Interesse Israels gewesen. Ist Israel etwa durch endemische Armut, wachsenden religiösen Fundamentalismus, schwärenden Hass und Anreize für einen waffenstarrenden Gazastreifen gedient? Der Punkt ist jedoch, dass die Hamas sich nicht geändert hat. Sie ist immer noch genau das, was sie war – eine vom Iran unterstützte Terrorgruppe, die nach der Zerstörung Israels und der Schaffung eines auf der Sharia basierenden islamischen Staates trachtet.

Diejenigen in Moskau, Ankara und Pretoria, die dachten, sie könnten die Haltung der Hamas ändern, waren erfolglos.

Diejenigen in Riad, die im März die Vereinbarung zwischen der Hamas und der Fatah vermittelten, waren taub gegenüber den Warnungen, dass sich die Waagschale zugunsten der Hamas geneigt habe und die Vereinbarung deshalb nicht funktionieren könne.

Diejenigen, die die Entwicklung der IRA als nachahmenswertes Modell ins Feld führten, begriffen nicht, dass die Analogie ungeeignet war – die IRA trachtete nie nach der Zerstörung von England, Wales und Schottland; ihr Fokus war allein auf die Zukunft Nordirlands gerichtet.

Diejenigen, die behaupteten, dass die Verantwortung für das Gesundheitswesen und die Kanalisation die Hamas mäßigen werde, wenn sie erst an der Macht sei, unterschätzten den ideologischen Eifer und die Entschlossenheit der Gruppe.

Diejenigen, die Israel aufriefen, mit der „demokratisch gewählten palästinensischen Regierung“ zu verhandeln, vernachlässigten die Tatsache, dass Israel schlecht beraten gewesen wäre, sich mit einer Gruppe zusammenzusetzen, die die drei Verhandlungsbedingungen der internationalen Gemeinschaft zurückwies. Die Palästinenser mögen das Recht gehabt haben, die Hamas zu wählen, nachdem der Gruppe (irrtümlich) erlaubt wurde, bei den Wahlen im Januar 2006 anzutreten. Dies jedoch legte Israel keine wechselseitige Verpflichtung auf, mit einer Terrororganisation zu verhandeln, die auf seine Zerstörung aus ist.

Diejenigen, die auf einen „Waffenstillstand“ der Hamas als etwas verwiesen, mit dem man arbeiten könne, ignorierten die Tatsache, dass es sich lediglich um eine Hudna (also eine temporäre Waffenruhe) handelte. Die Terrorgruppe benötigte Zeit, um mehr Waffen über die poröse ägyptische Grenze zu bringen, Waffenfabriken zu bauen, Tunnelsysteme zwischen Ägypten und dem Gazastreifen sowie zwischen letzterem und Israel zu bauen und sich so auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Sie orientierte sich dabei an den sechs Jahre andauernden Bestrebungen der Hizbollah im Südlibanon nach Israels einseitigem Rückzug im Jahr 2000.

Und diejenigen in Oslo, die – als einzige westeuropäische Regierung – das Nahostquartett umgingen, Repräsentanten der Hamas in Norwegen begrüßten und direkte Zahlungen an die Hamas-geführte Regierung in Gaza leisteten, offenbarten nur, wie leichtgläubig und kurzsichtig ansonsten vernünftige Menschen sein können.

Der ideologische Refrain derer, die in skandalöser Weise Israel für die gegenwärtige Lage in Gaza verantwortlich machen, versucht die Welt in zwei Lager aufzuspalten – in die so genannte friedenssuchende Gemeinschaft, als deren Mitglieder sie sich selbst betrachten, und in die Kriegstreiber. Sie vermögen dabei schlicht nicht zu erkennen, dass es ein großes drittes Lager dazwischen gibt. Es ist gleichermaßen friedenssuchend. Es ist bereit zu weiteren territorialen Kompromissen mit den Palästinensern. Es will keine dauerhafte Herrschaft über die Palästinenser. Ihm ist die Besatzung unbehaglich, wie ungebeten sie 1967 auch gekommen sein mag. Es hat nichts mit jüdischen Messianisten gemein.

Dieses Lager lässt sich durch den Nebel ideologischer Glaubenssätze seine Urteilskraft nicht verdunkeln. Und es infantilisiert nicht herablassend die Palästinenser, indem es sie von aller Verantwortung für ihre eigenen Taten befreit. Vielmehr sieht es die palästinensische Community als eine, die noch immer unfähig ist, die nötige politische Mündigkeit aufzubringen, um ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln und über ein abschließendes Friedensabkommen zu verhandeln. Dieses Lager versteht daher Israels Bedürfnis nach Standhaftigkeit, wie es auch regelmäßig mögliche Veränderungen vor Ort sondiert. Ob es, was ich nur hoffen kann, im kommenden Zeitabschnitt eine solche Änderung gibt – wenn die von der Fatah kontrollierte Westbank die Chance ergreift, sich auf Israel einzulassen, spürbare Verbesserungen für das Leben der Bewohner zu bringen und dabei den in Gaza lebenden Menschen zu demonstrieren, dass sie wieder einmal einen selbstzerstörerischen Weg eingeschlagen haben –, bleibt abzuwarten.

Derweil traf Sigmund Freud den Nagel auf den Kopf, als er konstatierte: „Manchmal ist eine Zigarre nur eine Zigarre.“ Er könnte die jüngsten Ereignisse in Gaza beschrieben haben.

Hattips: barbarashm, Franklin D. Rosenfeld