13.9.07

Flughafenfaschismus

Wie gut, dass das Internet einen freien und weitgehend unzensierten Informationsfluss gewährleistet. Denn sonst hätte man – mutmaßlich vor allem infolge des Wirkens der Israel-Lobby und anderer zionistischer Insurgenten – nie erfahren, dass der Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv in Wahrheit ein einziges Konzentrationslager ist, in dem Menschen selektiert werden, bevor man sie entkleidet, beraubt, demütigt und ins, sagen wir, Ungewisse schickt. Doch dank der Göttinger Flüchtlingsorganisation The Voice ist es nun raus: „Israel, ein Land, das aus den Folgen von Rassismus durch die europäische Verfolgung der Juden und Jüdinnen am meisten gelernt haben müsste, tut nichts, als dies an anderen zu wiederholen“, schreibt die Gruppe in einer Presseerklärung. Man verurteile daher „aufs Schärfste die rassistische und faschistische Behandlung unseres Mitglieds und führenden Aktivisten“ am nämlichen Airport und fordere unter anderem „eine Untersuchung, die eine Verfolgung der Initiatoren dieser rassistischen Taten zu Folge hat“, die „Anerkennung der palästinensischen Flüchtlinge“, die „Abschaffung der israelischen Apartheid gegen die PalästinenserInnen“ und „ein Ende der Besatzung Palästinas durch Israel“.

Und warum das alles? Weil der Fluggast Yufanyi Mbolo, ein in Deutschland lebender Kameruner, beim Einchecken anlässlich seiner Rückreise einer genaueren Kontrolle und einer Befragung durch israelische Sicherheitskräfte unterzogen wurde. Das ist nichts Ungewöhnliches auf dem Flughafen in Tel Aviv, und die gründlichen Untersuchungen sind kein schikanöser Selbstzweck, sondern der Versuch, die unabweisbare Gefahr mörderischer Anschläge so gut es geht einzudämmen. Dass dabei auch schon mal eine detaillierte Leibesvisitation durchgeführt, nachdrücklich die Frage nach dem Grund für den Aufenthalt in Israel gestellt und das Gepäck auseinandergenommen wird, ist für die Betroffenen gewiss kein angenehmes Erlebnis, aber schlicht unvermeidlich. Wenn es sich bei dem Durchsuchten – unabhängig von seiner Hautfarbe oder Herkunft – dann noch um einen Aktivisten einer Gruppierung handelt, die dem jüdischen Staat de facto die Pest an den Hals wünscht, und zudem dessen mitreisende Lebensgefährtin Palästinenserin ist, fällt der Check möglicherweise noch etwas intensiver aus als sonst. Das ist weder rassistisch noch faschistisch, sondern einfach bloß Folge der Tatsache, dass Israels Feinde ihren Worten nur allzu oft Taten folgen lassen.

Die Erklärung von The Voice zeigt jedoch anschaulich, wie sehr nicht wenige antirassistische Vereinigungen und ihre Angehörigen inzwischen auf den Hund gekommen sind. Die 1994 in Thüringen gegründete Organisation etwa macht sich zwar immer wieder stark gegen Zumutungen wie Ausweisungen, Abschiebegefängnisse, deutsche Behördenwillkür und die Residenzpflicht, die die Beschränkung des Aufenthalts von Aslysuchenden auf den ihnen zugewiesenen Landkreis festlegt. Aber sie hat eben auch den klassischen Antizionismus im Repertoire, der sie mit einem nicht unerheblichen Teil der Deutschen eint und längst zu einem Grundpfeiler des Antirassismus geworden ist. „Sage noch einer, Assimilation in Deutschland würde nicht funktionieren: Keine paar Jahre hier, und die ‚AktivistInnen aus Afrika’ reden so, wie wir’s bislang nur von Ströbele und Co. kannten“, ätzt Thomas von der Osten-Sacken daher zu Recht. „Und ansonsten sollten, statt widerliche Presserklärungen zu schreiben, die ‚Voice’-Leute mal ein Buch lesen, was Apartheid war und warum in Israel keine Apartheid herrscht.“

Bliebe noch die Frage zu klären, wie die Konsequenzen für „Israel, ein Land, das aus den Folgen von Rassismus durch die europäische Verfolgung der Juden und Jüdinnen am meisten gelernt haben müsste“ – das Auschwitz also als Besserungsanstalt zu begreifen hätte –, auszusehen haben. „Müssen die Juden jetzt, wo sie ja offensichtlich nichts gelernt, also das Klassenziel verfehlt haben, das Schuljahr wiederholen, sprich: wieder ins Lager einrücken, oder reicht hier vielleicht doch noch das tägliche Nachsitzen unter dem permanenten Terror von Hamas und Co.?“, fragt ein Kommentator auf dem Wadi-Blog. Die Antwort von The Voice, sie steht noch aus. By the way: Das mit dem geforderten „Abschiebestopp für die afrikanischen Flüchtlinge – besonders die aus dem Sudan – ist in Israel weit eher Realität als in jedem europäischen Land. Aber das muss man natürlich nicht zur Kenntnis nehmen.