Überspringender Funke
Wenn man wissen will, was man von der Einladung Mahmud Ahmadinedjads an die Columbia University in New York und seiner Rede dort zu halten hat, fragt man – zumal als Seriosität beanspruchendes Medium – gleich wen? Natürlich einen Politikwissenschaftler, und damit einen aus jener Zunft, deren Wirken vor allem in einer Politikberatung besteht, die sich an allzu deutschen Bedürfnissen orientiert. Das gilt auch und gerade für Hochschulen, die dereinst als linke Kaderschmieden gelten konnten und dabei den unumstößlichen Anspruch verfochten, kritisch zu sein gegenüber den Zuständen im eigenen Land. Was dabei mittlerweile herausgekommen ist, demonstrierte jüngst (und nicht zum ersten Mal) Hajo Funke (62), immerhin Professor am Otto-Suhr-Institut (OSI) der Freien Universität Berlin seit 1993, in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Ein Auftritt des iranischen Präsidenten an einer akademischen Lehranstalt in Deutschland sei „schlicht undenkbar“, sagte er dem Sender. Schließlich leugne Ahmadinedjad den Holocaust, und das sei hierzulande „aus gutem Grund strafbar“. Gleichwohl müsse man „mit dem Feind über Dinge, die zu klären sind, reden“, weshalb er eine Einladung zum Zwecke „fairer und direkter Verhandlungen“ unbedingt begrüße.
Holocaustleugner lässt man also besser nicht sprechen, doch man lädt sie ein, um mit ihnen zu einem Deal zu kommen – eine bemerkenswerte Logik. Vielleicht ist es aber auch gar kein Widerspruch, den Funke da von sich gegeben hat, sondern einfach nur die Legitimation des geschichtspolitischen Status quo, den Massenmord an den Juden irgendwie produktiv zu machen – wenn schon nicht für die Vergangenheit, dann qua Bewältigung umso mehr für die Gegenwart. Also kommt Ahmadinedjad Funke wg. Holocaustleugnung – und nur deshalb – „nicht ins Haus“, aber im Grunde genommen findet der Politologe es schade, dass es dieses Hindernis gibt. Schließlich sei Ahmadinedjad „kein Diktator“, und daher müsse man sich „mit den Machthabern im Iran um einen Kompromiss bemühen“. In diesem Zusammenhang hielt Funke auch gleich ein paar gute Ratschläge für den Präsidenten der Columbia University, Lee Bollinger, und darüber hinaus auch für die amerikanische Regierung bereit: Man dürfe „das Nicht-Kommunikative“ nicht zu sehr verschärfen und möge sich, statt den iranischen Regimeführer zu „beleidigen“, lieber mit ihm auf ein offenes Frage-Antwort-Spiel einlassen.
Denn Mahmud Ahmadinedjad wolle keinen Krieg – „und ich glaube, dass das richtig ist“ –, er beabsichtige keinesfalls die Vernichtung Israels und strebe zudem eine Beilegung des Atomstreits an, behauptete Funke. „Das sind drei für die internationalen Beziehungen zentrale Aussagen, für die man nur dankbar sein kann.“ Also sollten sich die USA und der Iran ins Gespräch begeben, auf Augenhöhe im Weißen Haus sozusagen. Das ist für einen deutschen Politikwissenschaftler allen Ernstes die Quintessenz aus dem Auftritt des Mullah-Führers an einer bedeutenden amerikanischen Universität: Ahmadinedjad hat sich glaubwürdig als Friedenstäubchen präsentiert, das dem jüdischen Staat kein Haar krümmen will. Wenn sich Funke gleichzeitig angeblich nicht vorstellen kann, derlei in Deutschland stattfinden zu lassen, dann handelt es sich bloß um eine taktische Finte. Und die ist schon deshalb so durchsichtig, weil es keinen Holocaustleugner gibt, der nicht zum Ziel hat, Israel lieber heute als morgen dem Erdboden gleichzumachen. So sehen sie aus, die viel beschworenen Lehren aus der Geschichte: Um die toten Juden kümmert man sich rührend, die lebenden jedoch sind Verhandlungsmasse. Das ist kein Appeasement, das ist Kollaboration.
Hattip: barbarashm