24.9.07

Westfälischer Frieden

Was immer man gegen das Buch der Herren Mearsheimer und Walt über Die Israel-Lobby in den USA einwenden mag: Es ist wirklich praktisch, dass es erschienen ist. Und zwar vornehmlich aus einem Grund: Jetzt wissen die diesem informellen Syndikat zugerechneten Gruppierungen wenigstens, wie viel Arbeit ihnen im Kampf gegen die Antisemiten-Lobby noch bevorsteht und wo dabei die Schwachstellen sind. Dass sie beispielsweise die Veröffentlichung dieser akademisierten Neuauflage der Protokolle der Weisen von Zion und ihre Übersetzung in verschiedene Sprachen nicht verhindern konnten, darf durchaus als Enttäuschung gelten. Etwas besser lief es da zunächst in Bezug auf die antiisraelische Propagandaschrift Overcoming Zionism („Den Zionismus überwinden“), die der amerikanische Politologe Joel Kovel zu Papier gebracht hatte. Dass das Pamphlet im notorisch antiamerikanischen und antiisraelischen britischen Verlag Pluto Books unterkam, war zwar unvermeidlich – doch die Auslieferung der Publikation in den Vereinigten Staaten wurde zumindest vorübergehend gestoppt.

Verantwortlich für diesen dankenswerten Schritt war die Bildungsorganisation Stand With Us, die 2001 als Reaktion auf die zweite Intifada gegründet wurde und sich zum Ziel gesetzt hat, „den israelischen Standpunkt in den Gemeinden, Hochschulen, Bibliotheken, Medien sowie Kirchen“ deutlich zu machen – also auch der University of Michigan Press (UMP) gegenüber, die für den Vertrieb der Erzeugnisse von Pluto Books in den USA zuständig ist. Mitte August entschloss man sich dort – nachdem nicht nur Stand With Us, sondern auch Studenten und Universitätsmitarbeiter protestiert hatten –, das Buch vom Markt zu nehmen. Vier Wochen später wurde der Vertrieb jedoch wieder aufgenommen: Zwar gebe es weiterhin schwer wiegende Bedenken gegen Kovels Werk, hieß es in einer Erklärung der amerikanischen Hochschule. Doch man wolle keine Zensur ausüben, und zudem gebe es einen Vertrag zwischen der UMP und Pluto Books. Dieser Kontrakt soll im Oktober allerdings einer Prüfung unterzogen werden, teilte der Verlag nun mit.

Das Ganze hätte hierzulande wohl niemand bemerkt, gäbe es da nicht einen wackeren Westfalen*, der Künstler geworden wäre, wenn Kunst nicht etwas mit Können zu tun hätte. So aber entschied er sich wie so viele gescheiterte Existenzen, den Nahostkonflikt zu lösen. Und zu diesem Behufe betreibt er – von der Israel-Lobby leider gänzlich ungehindert – eine Website, die ästhetisch wie inhaltlich eine ungefähre Idee davon vermittelt, was den Ausstellungshallen dieser Republik erspart bleibt. Das manische Treiben dieses aufrechten Kämpfers für Peace & Palestine wird von Zeit zu Zeit von diversen Zuträgern befeuert, und zum Dank dafür landen deren Fundstücke dann bevorzugt in der Rubrik „Aktuelle Link- + Denktipps“. So auch im Falle der Story rund um die zeitweilig unterbundene Auslieferung von Overcoming Zionism in den USA.

„Ich war geschockt als ich diesen Aufruf laß“, war dem Gastgünstling des Kunstkadetten die Angst bis in seine Orthografie und Interpunktion gefahren. „Galt Großbritannien immer noch als ein Hort der Demokratie.“ Aber, ach: „Jetzt hat die ‚Israel Lobby’ sich diesen Verlag vorgenommen und den amerikanischen Kopartner so unter Druck gesetzt, das dieser die Zusammenarbeit einstellt.“ Da verfügt jemand augenscheinlich nicht nur über innovative Fähigkeiten bei der Kreation von Tautologien, sondern auch über nicht unbeträchtliche Kapazitäten auf dem Gebiet der Hellseherei – schließlich hat besagter „Kopartner“ bloß geraunt, die Beziehung zu seiner amerikanischen Auslieferung werde in Bälde Gegenstand einer Besprechung sein. Doch im Grunde genommen geht es um etwas ganz anderes: „Dieser Lobby, die immer erzählt sie sei keinen muss endlich das Handwerk gelegt werden.“

Nun macht zumindest Stand With Us aus seiner begrüßenswert proisraelischen Haltung gar keinen Hehl; außerhalb Deutschlands soll es tatsächlich vorkommen, dass Lobbyarbeit als ganz normale demokratische Interessenpolitik begriffen wird und nicht als Verrat am „Gemeinwohl“. Aber egal: „Sie ist antidemokratisch, pro Bush und rassistisch und betätigt sich immer mehr als Kriegstreiber.“ Was zu beweisen war. Das Sündenregister ist damit gleichwohl noch lange nicht zu Ende: „Sie will jede Kritik an der israelischen Versklavungspolitik der Palästinnser zum Schweigen bringen“ – und hat sich darob sogar gegen die Semantik verschworen. Noch etwas? Ja: „Carter, Finkelstein, Kovel, Judt und zahllose amerikanische Professoren werden von dieser Lobby mundtot gemacht.“ So mundtot, dass sie Bestseller schreiben müssen, um nicht Hungers zu sterben wie die allseits friedlichen „Palästinnser“ im Gazastreifen. Kurze Rede, langer Sinn: „Wann wacht endlich die schweigende Mehrheit in den USA auf und schickt diese Typen ins gelobte Land. Dort fallen sie unter den anderen Rassisten nicht auf.“

Keine Madagaskar-Lösung also plus nachfolgender Wannsee-Konferenz in Westfalen. Sondern bloß ein zackiges Juden raus! im Namen des Friedens. Den Rest erledigt dann die Hamas. Oder Mahmud Ahmadinedjad.

* Google hilft: Einfach die Stichworte „Plastik“ und „Palästina“ eingeben.