22.11.07

Ente oder Déjà-vu?

Eine Meldung, die gestern über den Ticker der Deutschen Presse-Agentur (dpa) lief, weckte Assoziationen zu den Diskussionen, die es vor wenigen Wochen um den Fußballprofi Ashkan Dejagah gab: Nachdem der für den VfL Wolfsburg kickende Deutsch-Iraner sich geweigert hatte, mit der U 21-Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes in Israel anzutreten, soll nun der in Emden geborene, frühere Freiburger, Lübecker, Kaiserslauterer und Koblenzer Spieler Ferydoon Zandi (Foto) – wie Dejagah im Besitz sowohl der deutschen als auch der iranischen Staatsangehörigkeit – das Training beim zyprischen Erstligisten Apollon Limassol abgebrochen und den Klub verlassen haben, weil dieser einen israelischen Coach verpflichtete. Das behauptete jedenfalls die iranische Nachrichtenagentur Fars, die von der dpa als Quelle zitiert wurde. Doch Zandi dementierte: „Ich bin gar nicht mehr bei Limassol unter Vertrag. Ich wohne zurzeit in Hamburg, halte mich selbst fit und werde wohl in den nächsten Tagen einen Vertrag im Ausland unterschreiben“, sagte er nach Auskunft der Bild-Zeitung. Und er ergänzte: „Falls ich dort noch unter Vertrag wäre, sähe ich kein Problem, unter einem israelischen Trainer zu spielen. Fußball ist Fußball, Politik ist Politik.“

Auf den einschlägigen Internetseiten herrscht nun Verwirrung. Die in der Regel aktuelle und zuverlässige Website transfermarkt.de beispielsweise gab zunächst an, Zandi habe nur bis zum Sommer dieses Jahres in Zypern gespielt und sei seitdem vereinslos, änderte im Laufe des gestrigen Abends jedoch ihren entsprechenden Eintrag. Auf der Seite weltfussball.de wiederum liest man, der Profi sei tatsächlich nur bis zum Juni für Apollon Limassol tätig gewesen und derzeit ohne Arbeitgeber. Folgt man hingegen dem Fachmagazin kicker und Zandis (selten aktualisierter) Homepage, spielt der 28jährige immer noch in der zweitgrößten Stadt der Mittelmeerinsel. Bild widerspricht dem freilich und zitiert dazu den neuen, israelischen Trainer Apollons, Yossi Mizrahi, mit den Worten: „Er ist schon vor einem Monat weg, ich kenne Zandi gar nicht.“

Man wird also abwarten müssen, was in den nächsten Tagen an Informationen kolportiert wird. Ferydoon Zandis Auskunft scheint fürs Erste allerdings glaubwürdiger als die einer iranischen Nachrichtenagentur, die vor allem handfeste Propaganda für das Mullah-Regime betreibt – zumal auch die Interviews, die der Sohn einer deutschen Mutter und eines iranischen Vaters bisher gegeben hat, darauf schließen lassen, dass es sich bei ihm durchaus nicht um einen antisemitischen Eiferer handelt. Denn nicht zuletzt die Gespräche, die der Spiegel und das Fußballmagazin 11 Freunde vor zwei Jahren mit Zandi geführt haben, zeigen, dass sich der Deutsch-Iraner nicht leicht mit seinem Entschluss getan hat, nach fünf U 21-Länderspielen für sein Geburtsland letztlich doch für den Iran aufzulaufen, und dass er das nicht tat, weil er die politischen Ziele dieses Landes teilt.

„Für mich war es gar nicht die Frage, ob ich für Iran oder für Deutschland antrete, sondern: Will ich überhaupt für Iran spielen?“, äußerte sich der 55fache Bundesligaspieler gegenüber dem Spiegel. „Ich wusste nicht, ob es moralisch die richtige Entscheidung ist“, sagte Zandi, der nach eigenen Angaben bis dato lediglich einmal als Kleinkind in dem Land war und seine Informationen über den Iran vor allem über Bekannte bezog, die ihm erzählten, „wie schön es dort ist und dass sie immer wieder gerne dort hinfahren“. Persisch spreche er leidlich gut; mit dem Schreiben hapere es allerdings noch. Er sei konfessionslos, doch „was die Mentalität und viele Wertvorstellungen betrifft, passe ich sicher zum Islam“, sagte er zu 11 Freunde. Fragen zu Israel wich er lieber aus: „Es gibt sicherlich politische Dinge, über die man streiten kann. Aber da will ich lieber nichts groß zu sagen“, verweigerte er dem Spiegel eine konkrete Auskunft, um dann in 11 Freunde zu befinden: „Ich persönlich bin mir sicher, dass alle iranischen Spieler zum sportlichen Wettkampf mit einer israelischen Mannschaft bereit wären. Es gibt aber politische Dinge, auf die wir Sportler keinen Einfluss haben.“

Damit verhält sich Zandi letztlich so wie die allermeisten iranischen Sportler: Die Karriere genießt höchste Priorität. Das Mullah-Regime verbietet Wettkämpfe mit Athleten des jüdischen Staates und droht für den Fall der Zuwiderhandlung mit massiven Repressalien. Offenen Widerspruch dagegen tut praktisch niemand kund. Das ist nicht zuletzt hinsichtlich der Frage von Bedeutung, was Ahmadinedjad und die Seinen eigentlich unternähmen, wenn ein nennenswerter Teil der iranischen Aktiven deutlich machte, weder mit den Vernichtungsplänen gegen Israel noch mit der massiven Repression im Inneren einverstanden zu sein. Teheran setzt aus Gründen der Reputation, des Images und des Strebens nach „Normalisierung“ stark auf sportliche Erfolge, doch die sind nur mit den Besten der Guten zu erreichen. Und wenn die sich kollektiv dem politischen Ansinnen der Islamisten verweigerten, hätten diese zweifellos ein Problem.

Der ehemalige deutsche Junioren-Nationalspieler Ferydoon Zandi mochte diesbezüglich jedoch nicht die Initiative ergreifen; inzwischen hat er 18 Länderspiele für den Iran bestritten, davon zwei während der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Ein Problem, „unter einem israelischen Trainer zu spielen“, will er gleichwohl nicht haben. Der Praxistest, er steht nach dem derzeitigen Stand der Dinge jedoch noch aus.