8.4.08

Calamity-Rey gibt Stoff

Österreich und die Schweiz richten im kommenden Sommer gemeinsam die Europameisterschaft im Fußball aus – aber nicht nur in dieser Disziplin marschieren die beiden Länder Seit’ an Seit’, sondern auch in Bezug auf die Kooperation mit dem iranischen Regime: Was dem einen der OMV-Deal ist, ist dem anderen nun der Vertrag der Elektrizitätsgesellschaft Laufenburg mit den Mullahs über die jährliche Lieferung von 5,5 Milliarden Kubikmetern Erdgas ab 2011. Die Teheraner Theokratie hat dabei mit der Übereinkunft nicht nur einen wirtschaftlichen Coup gelandet: „Die Außenhandelsbeziehungen sind stets auch ein Instrument, um im politischen Streit um das Nu­klearprogramm und gegen die US-amerikanischen und israelischen Isolierungsbemühungen propagandistische Erfolge zu erzielen“, konstatierte Stephan Grigat in der Jungle World. Zu der medienwirksamen Inszenierung des Abschlusses trug die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey maßgeblich bei, denn sie reiste eigens zur Ratifizierung des Kontrakts in die iranische Hauptstadt – und ließ sich dort im Kopftuch und mit einem strahlenden Lächeln gemeinsam mit Mahmud Ahmadinedjad ablichten (Foto oben). „Sie ist für diese Rolle durchaus prädestiniert“, befand Grigat, „hatte sie doch im Jahr 2006 der iranischen Regierung vorgeschlagen, in der Schweiz ein gemeinsames Seminar zur ‚unterschiedlichen Perzeption des Holocausts’ zu or­ganisieren, womit sie dem Regime in Teheran Interpretationsspielraum signalisiert und die Leugner und Relativierer der Shoah legitimiert hat“.

An dem Deal und Calmy-Reys Auftritt in Teheran hagelte es anschließend jedoch Kritik. Die US-Regierung etwa will Einblick in den Gasvertrag nehmen, um zu prüfen, ob er gegen die Sanktionsbestimmungen der Uno verstößt. Israel legte Mitte März offiziell Protest ein. Der Schweizerische Israeli­tische Gemeindebund verurteilte die Außenministerin scharf, und sogar Calmy-Reys Genossen bei der Sozialdemokratischen Partei (SP) geißelten die Vereinbarung sowie die Reise der Ministerin in den Iran. Auch exiliranische Organisationen sind entsetzt. In einem offenen Brief an Calmy-Rey beispielsweise schrieb Zahra Erfani von der Progressive Women Organization (PWO), ebenfalls SP-Mitglied: „Sie schließen einen Kontrakt mit einem fanatischen, frauenfeindlichen und terroristischen Regime, und dabei sabotieren Sie den schmerzhaften Kampf iranischer Frauen für ihre Mindestrechte. Sie haben dadurch, dass Sie als Zeichen des Appeasements das Kopftuch trugen, teures Lehrgeld an das despotische, faschistische, reaktionäre, mittelalterliche, korrupte und kriminelle Mullah-Regime gezahlt.“ Dieses Regime, „das Dissidenten steinigt, deren Hände und Füße amputiert und seine Gegner öffentlich erhängt“, verdiene keinerlei Legitimation. Lizas Welt hat Erfanis Schreiben aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.


Zahra Erfani

Offener Brief an Micheline Calmy-Rey


Ihre Exzellenz,
liebe Frau Calmy-Rey!

Ich bin eine iranische Frau im Schweizer Exil, und es ist mir eine Ehre, Mitglied der SP zu sein. Auf Ihre sozialen Fähigkeiten war ich einmal sehr stolz.

Seit etwa 22 Jahren kann ich den Iran nicht mehr besuchen. Ich musste mein Land verlassen, so wie Millionen meiner Landsleute. Mir wurde das grundlegende Recht genommen, meine Kleidung selbst zu wählen; stattdessen hatte ich einer staatlichen Kleiderordnung zu gehorchen. Mit totalitären Gesetzen werden iranischen Frauen zudem viele weitere Rechte geraubt, beispielsweise die Reisefreiheit, die freie Wahl des Arbeitsplatzes, die Möglichkeit der Ehescheidung, das Sorgerecht für Kinder, das Recht zu tanzen, Opern zu singen, jeden Sport auszuüben, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und frei im Meer zu schwimmen. Die Konsequenz daraus ist eine Geschlechterapartheid, in der die iranischen Frauen als Menschen nur halb so viel wert sind wie die Männer. Ein Jahrhundert lang haben Frauen dafür gekämpft, ihre Kleidung frei wählen zu können, aber sie haben in den letzten 30 Jahren alles verloren, durch fortgesetzte Inhaftierung, Folter und Mord.

Liebe Micheline Calmy-Rey, ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es – anders, als Sie am 3. April bei der Eröffnung des Gleichstellungskongresses im Zürcher Volkshaus behauptet haben – nicht nur ein dünnes Stück Stoff war, das Sie da auf Ihrem Kopf trugen, sondern vielmehr ein Affront gegen alle Versuche und Bemühungen von Frauen im Iran und anderen Ländern in der Region, die freie Wahl ihrer Kleidung durchzusetzen und aufrecht zu erhalten.

Womit Sie Ihr Haar bedeckt haben, ist das Symbol für die Demütigung der iranischen Frauen sowie für die Verletzung ihrer Rechte durch die Männer und das patriarchalische Regime im Iran. Im Patriarchat werden Frauen systematisch von Männern dominiert. Das religiöse Patriarchat schließt Frauen überdies systematisch von einer Funktion innerhalb der religiösen Autorität aus; dem liegt die Annahme zugrunde, dass Gott männlich ist. Das ist das Symbol des frauenfeindlichen, barbarischen Regimes der terroristischen Mullahs im Iran, die sich nicht um die universelle Erklärung der Menschenrechte kümmern. Und es klafft eine große Lücke zwischen dem Mullah-Regime und der säkularen Regierung der Schweiz. Konsequenterweise sind die Mullahs strikt gegen freie, demokratische und fortschrittliche Regierungen, die für die Menschenrechte, eine zivilisierte Gesellschaft und die Rechtsstaatlichkeit eintreten.

Liebe Micheline Calmy-Rey, die Mullahs kennen viele verschiedene Tricks, um einer Isolation zu entgehen, und sie sind sehr glücklich über die wirtschaftliche Vereinbarung mit Ihnen, die sie ohne negative Konsequenzen seitens Ihrer Regierung und anderer unterzeichnen konnten. Das Regime ist sehr glücklich, wenn es den Iranern den Wohlstand rauben kann, während der Bevölkerung – der eigentlichen Besitzerin dieser Ressourcen – die Früchte dieses Vertrags vorenthalten werden.

Liebe Micheline Calmy-Rey, Ihre Tat ist leider ziemlich erschütternd und bricht die Herzen vieler Iraner. Sie schließen einen Kontrakt mit einem fanatischen, frauenfeindlichen und terroristischen Regime, und dabei sabotieren Sie den schmerzhaften Kampf iranischer Frauen für ihre Mindestrechte. Sie haben dadurch, dass Sie als Zeichen des Appeasements das Kopftuch trugen, teures Lehrgeld an das despotische, faschistische, reaktionäre, mittelalterliche, korrupte und kriminelle Mullah-Regime gezahlt. Dieses Regime, das Dissidenten steinigt, deren Hände und Füße amputiert und seine Gegner öffentlich erhängt, verdient keine Legitimation. Die große Mehrheit der Iraner hat die jüngsten iranischen Parlamentswahlen boykottiert.

Als Anwältin für Frauenrechte habe ich tiefen Respekt vor Ihnen, und ich hätte nicht gedacht, dass Sie einen Dialog mit einem früheren Henker wie Ahmadinedjad führen würden. Diejenigen, die für Demokratie und Freiheit kämpfen, erwarten von den europäischen Politikern einen Boykott der so genannten Islamischen Republik Iran, um das Leiden der iranischen Bevölkerung zu mindern – einer Bevölkerung, die das derzeitige inhumane, verbrecherische Regime durch eine demokratische Regierung ersetzen will.

Ich hoffe auf Ihre Solidarität mit der iranischen Bevölkerung, insbesondere mit den Frauen, die seit nunmehr fast 30 Jahren von den im Iran regierenden Kriminellen als Geiseln genommen werden. Das iranische Regime sollte wegen Verbrechen gegen die Menschheit vor Gericht gebracht werden.

Hochachtungsvoll

Dr. Zahra Erfani
Zürich, Schweiz

Hattip: Urs Schmidlin