Geschichtsbewusste Gefahrenabwehr
Irgendwie ist es ja schon seltsam: Vor etwas mehr als 67 Jahren führte hierzulande eine Polizeiverordnung dazu, dass bestimmte, mit deutscher Gründlichkeit ausgesuchte Menschen in der Öffentlichkeit einen Davidstern tragen mussten. Heute hinwiederum kann es passieren, dass die uniformierte Staatsmacht einen so öffentlich wie freiwillig gezeigten Davidstern zwangsweise entfernt, zur Gefahrenabwehr nämlich (Foto). Aber vielleicht sind sie das ja, die viel beschworenen Lehren aus der Vergangenheit, und man sollte deshalb mit dem Einsatzleiter der Duisburger Polizei, der am letzten Samstag zwei Israelfahnen vom Fenster und dem Balkon einer Privatwohnung abnehmen ließ, nicht gar so hart ins Gericht gehen. Er hat es schließlich nur gut gemeint.
Sogar noch besser im Geschichtsunterricht aufgepasst hat sein Kollege in Mainz. Der ließ nämlich ausrichten, wer eine Israelfahne zeige und dabei gar kein Israeli sei, sei ein Provokateur. Wahrscheinlich hat ihn das Zeigen des Davidsterns wg. Nazizeit und so einfach total betroffen gemacht, und es ist bloß eine böse Unterstellung, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass in Deutschland jemand, der keinen israelischen Pass besitzt und noch nicht mal Jude ist, etwas für den jüdischen Staat übrig hat. (Übrigens war das Sicherheitspersonal des Mainzer Kaufhof demgegenüber geradezu old school: Als die Fahnenträger vor einigen besonders engagierten Israelkritikern davonliefen und in den Konsumtempel einbogen, bekamen sie von den Aufpassern zu hören: „So Leute wie euch brauchen wir hier nicht.“ Das war nur konsequent, schließlich ist der Laden seit 1933 arisiert.)
Am allergeschichtsbewusstesten waren aber die Freunde und Helfer in Düsseldorf. Die nahmen gleich vier Leute mit, weil sie so aussahen, als könnten sie Israelfahnen zeigen. Einer der vier hatte dann auch tatsächlich so ein blau-weißes Stück Stoff unter seiner Jacke versteckt. Nicht auszudenken, was da hätte passieren können! Deshalb ist es auch gut, dass der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, vor „übereilten Konsequenzen bei der Polizei“ gewarnt und gefordert hat, erst müssten „die genauen Umstände der Demonstration und der Polizeieinsatz gründlich aufgearbeitet werden“.
Ein Polizist jedoch hat ihm dabei offensichtlich nicht zugehört. Und zwar nicht irgendeiner, sondern ausgerechnet der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Der hat nämlich angekündigt, sich am kommenden Samstag mit einer israelischen Fahne zu einer Demonstration von Freunden der palästinensischen Friedensbewegung (Hamas) zu begeben, weil er findet, es müsse „jederzeit möglich sein, eine Israelfahne zu zeigen“. Wenn das mal keinen Ärger mit den Kollegen vor Ort gibt.
Und noch etwas: Wer einen Wachmann – also einen Hilfspolizisten – vor einer Synagoge mit einer Eisenstange niederschlägt, protestiert damit „offenbar gegen das Vorgehen Israels im Gaza-Krieg“. So, wie am 9. November 1938 offenbar gegen das Vorgehen der Juden im Deutschen Reich protestiert wurde. Das nennt man dann wohl geschichtsbewusste Gefahrenabwehr.