1.3.09

Keine Reise ins Verdurban



Wie schrieb es Caroline Glick kürzlich noch in ihrem Beitrag zum Beschluss der amerikanischen Regierung, die Antirassismuskonferenz der Uno Ende April – besser bekannt als Durban II – nicht zu boykottieren, sondern den Vorbereitungstreffen zu dieser Veranstaltung in Genf beizuwohnen? „Wenn die Obama-Regierung nun an der Durban-II-Kampagne partizipiert, wird sie möglicherweise zwar einige der schädlichsten Passagen im Entwurf der Konferenzerklärung abmildern. Aber das gleicht den Schaden nicht aus, den ihre Teilnahme gegenüber Israel anrichtet. Denn durch diese Teilnahme an der Konferenz unterstützen die USA letztlich de facto den Krieg gegen den jüdischen Staat.“ Jetzt hat die Regierung der Vereinigten Staaten diesen Fehler korrigiert und doch noch ihren Boykott bekannt gegeben.

Das State Department begründete den Rückzug damit, man habe durch die kürzlich erfolgten Verhandlungen in Genf die Erkenntnis gewonnen, dass das Schlüsseldokument – die Grundlage der Abschlusserklärung – für Durban II ein „nicht mehr zu rettendes“ Papier ist. Daher nähmen die USA an keinen weiteren Planungsmeetings teil – und auch nicht an der Konferenz selbst. Dieser Beschluss könne sich nur noch einmal ändern, wenn drei Bedingungen erfüllt würden: 1. Es dürfe im Dokument kein Staat besonders ins Visier genommen werden; 2. die Passagen, in denen „Religionsverunglimpfung“ als rassistische Menschenrechtsverletzung qualifiziert wird, müssten gestrichen werden, weil sie einen Angriff auf die Freiheit der Rede darstellten; 3. Forderungen nach Reparationszahlungen für den Kolonialismus dürften nicht Gegenstand der Agenda sein. Außerdem fordert die amerikanische Regierung, das Abschlussdokument dürfe keine Bestätigung seines Vorgängers aus dem Jahr 2001 werden.

Man kann getrost davon ausgehen, dass sich das Vorbereitungskomitee, im dem Libyen und der Iran die Feder führen, auf diese Bedingungen nicht einlassen wird. Denn Punkt 1 würde bedeuten, auf eine Verurteilung Israels zu verzichten, Punkt 2 hieße, Kritik am Islam ertragen zu müssen, und spätestens mit Punkt 3 wird der Forderungskatalog auch für die afrikanischen Konferenzteilnehmer unannehmbar, von denen sich nicht wenige auf die Seite der islamischen Staaten geschlagen haben. Der bonus track mit dem Abschlussdokument, das nicht an das vor acht Jahren anknüpfen soll, streicht dann noch einmal ein zentrales Ziel der dominierenden Kräfte von Durban II dick durch.

Die Rückzugsentscheidung der Regierung Barack Obamas hatte einige Erleichterung zur Folge. Die israelische Außenministerin Tzipi Livni beispielsweise sagte, auf der Konferenz werde der Kampf gegen den Rassismus als Deckmantel für antisemitische und antiisraelische Ressentiments benutzt, weshalb sie froh über den Boykottbeschluss der USA sei. Auch amerikanische jüdische Gruppierungen begrüßten den Schritt. Und selbst aus Europa kommt – wenn auch zaghaft und zögerlich – das Versprechen, über eine Nichtteilnahme zumindest nachzudenken. In Frankreich, Großbritannien, Tschechien und den Niederlanden gab es diesbezügliche Initiativen bereits vor dem Ausstieg der USA aus Durban II. Die Bundesregierung hingegen zieht es bislang vor, sich in Schweigen zu hüllen und Boykottaufrufen mit Ignoranz zu begegnen.

Was bleibt, ist die Frage, was eigentlich die Kehrtwende der US-Regierung – jenseits ihrer eigenen Bekundung – herbeigeführt hat. Der ehemalige Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen, John Bolton, vermutet dahinter vor allem Profilierungssüchte bei Barack Obama und seinen Beratern. Deren Durban-II-Strategie sei letztlich ein „multilaterales Durcheinander“, so Bolton, zumal es keiner Teilnahme an einer Vorbereitungskonferenz bedurft hätte, um die indiskutablen Ziele von Durban II zu erkennen, die man durch die Beteiligung am Planungstreffen trotz des schließlichen Boykotts diskutabel gemacht habe. Und Jennifer Rubin mosert auf Contentions, dem Weblog des angesehenen Commentary Magazine, die Obama’sche „Wir haben alles versucht“-Attitüde, wie sie in Bezug auf die Antirassismuskonferenz der Uno zum Ausdruck komme, sei ein Beispiel für die „moralinsaure und unaufrichtige“ Politik der neuen US-Regierung. In der Praxis sei diese zwar oft gar nicht weit von der Vorgängerregierung George W. Bushs entfernt; doch um das nicht zugeben zu müssen, veranstalte sie allerlei Trara und ergehe sich in selbstdienlicher Rhetorik.

Yaacov Lozowick nimmt auf seinem Weblog einen anderen Standpunkt ein. Er kann am Vorgehen der USA nichts Negatives entdecken: „Letztlich sind es die Obama-Amerikaner, die die Konferenz boykottieren, nicht die Bush-Amerikaner. Alles in allem scheint das Prozedere vernünftig zu sein. Die neue Regierungstruppe hatte eine eher ungewöhnliche Position geerbt – Amerika ruft nicht oft zum Boykott von etwas auf –, also machte sie sich an deren Prüfung. Dabei erfuhren sie aus erster Hand, dass die Position ihrer Vorgängerin korrekt war, und übernahmen sie. Mir scheint, das hätte man nicht besser machen können.“

Gleichwie: Der Beschluss der amerikanischen Regierung, wie Israel und Kanada dem antisemitischen Tribunal namens Durban II fern zu bleiben, ist eine gute Nachricht. Und dies umso mehr, als in und mit der Boykotterklärung nicht nur der jüdische Staat geschützt, sondern auch Position gegen den Versuch bezogen wird, jedwede Kritik am Islam als „rassistisch“ zu brandmarken. Die Entscheidung erhöht außerdem den Druck auf die europäischen Teilnehmer. Man darf nun gespannt sein, ob es tatsächlich Nachzügler gibt – oder ob sich der deutsche und europäische Multilateralizismus einmal mehr höchstselbst zur Kenntlichkeit entstellt.

Herzlichen Dank an Benjamin Weinthal für wertvolle Hinweise.