17.7.09

Bundesverdienstjüdin



Aus einer Pressemitteilung des Staatsministeriums Baden-Württemberg:
Staatssekretär Hubert Wicker hat Felicia-Amalia Langer aus Tübingen das ihr von Bundespräsident Prof. Dr. Horst Köhler verliehene Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland überreicht. „Das humanitäre Lebenswerk von Felicia-Amalia Langer ist beeindruckend. Sie hat sich in herausragender Weise für Frieden und Gerechtigkeit sowie für die Wahrung der Menschenrechte eingesetzt. Ihr jahrzehntelanges Wirken für Benachteiligte und Unterdrückte verdient großen Respekt und höchste Anerkennung.“ Dies sagte Staatssekretär Wicker bei der Ordensübergabe im Rahmen eines Empfangs am Donnerstag (16. Juli 2009) in der Villa Reitzenstein in Stuttgart.
Damit erst gar keine Missverständnisse aufkommen: Die gute Frau hat sich ihre Auszeichnung redlichst verdient. Denn sie sagt das, was man hierzulande gar nicht oft genug hören kann, weshalb sie ja auch zu einer der Lieblingskronzeugen der „Israelkritiker“ geworden ist. Nachfolgend seien nun Auszüge aus einer Diskussionsveranstaltung mit Felicia Langer vom 29. April dieses Jahres im österreichischen Linz dokumentiert, zusammengestellt von Peter Weidner und veröffentlicht in der Internetzeitung Die Jüdische. So hört es sich an, wenn jemand „in herausragender Weise für Frieden und Gerechtigkeit sowie für die Wahrung der Menschenrechte“ eintritt; so redet eine, die wegen ihres „jahrzehntelangen Wirkens für Benachteiligte und Unterdrückte großen Respekt und höchste Anerkennung“ in Form des Bundesverdienstkaugummis zugesprochen bekommt: Die Fortsetzung des „Verdienstjuden“ mit anderen Mitteln.
Felicia Langer: „Die neue [israelische] Regierung ist die schlimmste, die wir je hatten, mit Lieberman als Außenminister. Er hat ein zwölfjähriges Kind malträtiert und wurde verurteilt. Israel betreibt eine rassistische Politik. ... Bei den Massakern in Gaza sagte Lieberman, wie die Amerikaner die Japaner besiegt haben. ... Er ist für einen Transfer von 20 Prozent der Bevölkerung. Der Polizeiminister ist auch von Liebermanns Partei. Netanjahu ist ähnlich wie Lieberman. ... Was Ahmadinedjad sagte in Genf, war die Wahrheit. Ich habe, als ich nach Israel kam, das war 1951, das Ausmaß der Vertreibung, es waren 800 (ein Krankenhausseelsorger ganz laut aus dem Publikum: „800.000!“), ja, es waren mehr als 800.000. Ich habe die Folterungen miterlebt, ich habe die Wunden gesehen, das waren Friedenskinder. Damals konnte ich noch nicht sehen, dass es ein Verstoß gegen die Haager und Genfer Konvention sei. Die Amerikaner haben 42mal ihr Vetorecht genutzt.“

Dann zeigt sie Landkarten und Fotos. Erste Karte: „Das sind Straßen nur für Juden. Wie die Apartheid in Südafrika.“ Zweite Karte: „Die Sperren. Man erniedrigt die Palästinenser. 20 Mütter und 36 Babys starben 2007, weil sie das Militär nicht in die Krankenhäuser ließ.“ Erstes Foto: „Ein Palästinenser wurde von Soldaten gezwungen Geige zu spielen. Das erinnert uns an was.“ Zweites Foto: „Die Mauer frisst das Land der Palästinenser. Ich habe noch nicht über die Exekutionen in den besetzten Gebieten gesprochen. Es gibt ein Urteil von 2004 von Den Haag mit dem Gutachten, dass die Mauer ungesetzlich ist.“ Drittes Foto: „Zwei Franziskaner-Schwestern bei der Mauer. Vom Warschauer Ghetto zur Mauer. Das ist noch nicht mein Vergleich.“ Dritte Karte: „Ein Ort mit 45.000 Einwohnern ist zugemauert. Die Palästinenser sind gewaltfrei.“ Viertes Foto: „Das ist Bethlehem. Es ist ein Käfig. Wo ist die christliche Welt, dass so was passieren kann? Die Palästinenser wurden entmenschlicht. Das habe ich schon 1951 und 1967 gesehen.“ Fünftes Foto: „Gaza. Graffiti in Gaza nach dem Massaker. Davidstern mit ,Die You All’.“ Letztes Foto: „Davidstern mit ‚Make War, not Peace’.“

Langer: „80 Prozent der Palästinenser in Gaza leben unter der Armutsgrenze. Israel hat aus Gaza ein Gefängnis gemacht und den Schlüssel ins Meer geworfen. Die ,Grüne Lunge’ von Gaza wurde zerstört. Die Wahlen, die Hamas gewann, waren die demokratischsten Wahlen, die im Nahen Osten je stattfanden. Ich bin gegen die Raketen. Die Besatzung ist aber der Inbegriff der Gewalt, und die ruft eben eine Gegengewalt hervor. Die Uno-Resolution 242 vom November 1947 haben die Israelis nie befolgt. Das israelische Establishment hat den großen Friedenspolitiker Kreisky gehasst. 22 Prozent des historischen Palästina reichen fürs palästinensische Volk, das sagte Ahmadinedjad.“ [...]

Peter Weidner: „Ich frage Sie, Frau Langer: Sie behaupten, sie wären politischer Flüchtling in Deutschland. Wie erklären Sie, dass es doch einige hundert radikale Antizionisten in Israel gibt und viele davon als Lehrer an israelischen Hochschulen sind? Sie behaupten, besonders von den Behörden verfolgt zu sein. Doch andere Anwältinnen und Anwälte aus dem radikal linken Spektrum verteidigen weiterhin Palästinenser, zum Beispiel Leah Tsemel. [...] Ist es wahr, dass ihr Ehemann bis zur Wende Geschäfte mit den Ländern des ,realen Sozialismus’ machte und dass, nachdem diese Länder implodierten, er und Sie ihren Wohnsitz nach Deutschland verlegt haben? [...] Ist es wahr, dass Sie ihre Bücher vorzugsweise in den Ländern des ,realen Sozialismus’ publizierten, welche die Menschenrechte systematisch verletzten? Haben Sie jemals ein kritisches Wort über diese argen, die Menschenrechte verletzenden Länder als Mitglied des ZK der KPI gesagt?“

Langer: „Sie säen Hass, nur Hass, so wird es nie Frieden geben. Es waren Hunderttausende gegen das Gemetzel auf der Straße. Ich konnte nur mit Leibwache auf die Straße, weil ich so bekannt war. Ich habe aus Protest das Büro geschlossen. Ich war Mitglied der Kommunistischen Partei, weil sie Palästinenser und Israelis zusammenführte. Ich mache eine gesegnete Arbeit für Israel.“

Diskutant: „Warum schweigen die Regierungen in diesem Konflikt?“

Langer: „Jede Kritik ist Antisemitismus. Missbrauch des Holocausts. Die Toten des Holocausts verbieten Kritik. Die Erpressung ist so peinlich und schlimm. Die Straße muss was machen.“

Diskutant: „Die Hamas hat zwar die Wahlen gewonnen, aber was sagen Sie zur Charta der Hamas? Es war eine Charta der PLO zur Auslöschung Israels.“

Langer: „Ich empfehle das Buch von Helga Baumgarten. Sie schreibt: ‚Die Charta der Hamas ist kein Koran.’ Für wen sollen sie die Charta ändern? Für Massaker, für die Auslöschung des palästinensischen Volkes? Wenn die Hamas von der Zweistaatenlösung spricht, ist das ja eine De-facto-Anerkennung.“ [...]

Diskutant: „Ist Hamas eine Schwesterpartei von Ahmadinedjads Partei?“

Langer: „Nein.“
Wegen solcher und ähnlicher Auftritte ist Langer im Dezember 2006 bereits mit dem „Menschenrechtspreis“ der Gesellschaft zum Schutz von Bürgerrecht und Menschenwürde (GBM) dekoriert worden. Die GBM ist ein DDR-Nostalgieverein, der 1991 von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern gegründet wurde und in dem alte SED-Kader den Ton angeben. Mit dem Bundesverdienstkreuz wird die Geehrte nun sozusagen zur gesamtdeutschen Verdienstjüdin. In Israel hingegen kennt kaum jemand diese Frau, wie der Historiker Yaacov Lozowick, den Peter Weidner während der Diskussion in Linz zitierte, vor drei Jahren in einem Interview der Monatszeitschrift konkret deutlich machte:
Zunächst: Ich bin stolz, dass wir sie haben. Es ist ein Zeichen der Robustheit unserer Demokratie, dass selbst nach 58 Jahren Krieg die israelische Gesellschaft stark genug ist, ihren Extremisten zu erlauben, Partei für den Feind zu ergreifen. Es gibt nicht viele demokratische Gesellschaften, die dies von sich behaupten können. Und es gibt kein arabisches Land, in dem eine vergleichbar abweichende Meinung auch nur für eine Woche geduldet werden würde. Gleichwohl muss man sehen, dass – mit Ausnahme von Uri Avnery, der Teil unserer politischen Landschaft seit den fünfziger Jahren ist – keiner der übrigen in Europa so prominenten „Friedensaktivisten“ in Israel auf der Straße erkannt werden würde. Die meisten Israelis haben keine hohe Meinung von Avigdor Lieberman, dem Führer einer äußerst rechten Partei, oder von Yossi Beilin, dem Führer einer linken Partei, aber zumindest sind sie beide Teil der politischen Debatte; sie kommen öffentlich vor. Die Felicia Langers der israelischen Gesellschaft aber sind bei uns vollständig unbekannt. Niemand hat jemals von ihnen gehört. Sie haben sich von ihrer Gesellschaft auf eine Art distanziert, die sie jede politische Relevanz einbüßen ließ.
Zur Kompensation dieser fehlenden Relevanz wird Felicia Langer im Nachfolgestaat des Dritten Reiches mit Orden und Ehrenzeichen überhäuft. Denn das nennt man dort „Vergangenheitsbewältigung“.

Foto: Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, Felicia Langer mit ihrem Ehemann, Staatssekretär Hubert Wicker (von links) beim Empfang in der Stuttgarter Villa Reitzenstein (Quelle: Staatsministerium)

Bernd Dahlenburg hat Kärrnerarbeit geleistet und ein regelrechtes Kompendium mit Zitaten der Bundesverdienstkreuzträgerin erstellt: Felicias Schatzkästchen. Ralph Giordano wiederum analysierte bereits 1991 in der Zeitschrift Tribüne die Nahost-Pathologie der Felicia Langer.