Kampf dem Kapital!
Wäre Daniel Bernbeck ein Fußballer, würde er jetzt vermutlich das legendäre Bonmot des früheren Bundesligakickers Jürgen Wegmann zum Besten geben: „Erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu.“ Aber Daniel Bernbeck ist kein Fußballer, sondern Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Handelskammer in Teheran. Und deshalb formulierte er Wegmanns Bemerkung sozusagen branchenspezifisch um: Erst beschwerte er sich über die Sanktionspolitik gegenüber dem Mullah-Regime und die damit verbundenen Einbußen für deutsche Unternehmen im Iran-Geschäft. Und nun klagte er, seine Mitarbeiter in der iranischen Hauptstadt fürchteten in diesen Tagen um ihre Gesundheit und ihr Leben: „Sie verlegen ihre Arbeitszeit auf Stunden, in denen es auf der Straße relativ ruhig ist. Wir sind hier mitten im Geschehen, an einer Verkehrsachse, auf der immer wieder demonstriert wird.“ Fast könnte man Mitleid mit dem armen Mann bekommen – hätte er nicht durch sein Wirken mit dafür gesorgt, dass die wütenden Proteste, vor denen er jetzt Angst hat, überhaupt erst notwendig geworden sind. Schließlich ist sein Laden „eine der mitgliederstärksten Auslandshandelskammern Deutschlands“ und „eine der wichtigsten Stützen für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen“ zwischen der Bundes- und der Islamischen Republik, wie die Institution auf ihrer Website stolz kund tut. Und als diese Stütze trägt die Kammer seit über 30 Jahren dazu bei, dass die deutschen Geschäfte mit dem Iran florieren und das klerikalfaschistische Regime dadurch stabil bleibt.
Eines der wichtigsten Mitglieder der Handelskammer ist der Großkonzern Siemens, in dessen Teheraner Räumlichkeiten auch schon mal die wöchentliche Sitzung des Kammerpräsidiums stattfindet. Die Münchner Firma setzte 2008 im Iran rund 438 Millionen Euro um, unter anderem mit der Lieferung moderner Überwachungstechnologie. Diese Technologie kann sowohl gegen Minderheiten und Oppositionelle im Iran wie auch gegen Israel eingesetzt werden. Und ein aktuelles Beispiel zeigt, was das konkret bedeutet: Gemeinsam mit dem finnischen Mobiltelefonhersteller Nokia hat Siemens einem Bericht des Wall Street Journal zufolge die Anlagen und die Software geliefert, mit denen das iranische Regime nun den Zugang zu Internetseiten sperren, das Surfverhalten von Internetnutzern untersuchen, E-Mails mitlesen, Twitter-Nachrichten verändern und ganze Anschlüsse blockieren kann. Das entsprechende Kontrollzentrum sei beim iranischen Telekom-Regierungsmonopolisten „im Rahmen eines größeren Vertrags für Netzwerk-Technologie“ installiert worden, sagte Ben Roome, der Sprecher des Joint Ventures mit dem Namen Nokia Siemens Networks. Und wenn man Netzwerke verkaufe, erhalte der Käufer automatisch auch die technische Möglichkeit, die darüber laufende Kommunikation zu kontrollieren.
Überwachungsstaat? Geschäftemacherei mit einer Diktatur? Kapital-Verbrechen? Da müsste doch eigentlich das Herz eines jeden Linken höher schlagen! Aber nichts da: Bei Progressiven und Peaceniks herrscht beredtes Schweigen. Und wenn von ihnen dann ausnahmsweise doch mal jemand den Mund aufmacht, wird entweder der „Wahlsieg“ Ahmadinedjads als „Ausdruck für das Scheitern der westlichen Konfrontations- und Demütigungsstrategie gegen den Iran“ gefeiert oder die Solidarisierung mit den iranischen Oppositionellen verhindert. Linke rennen eben nur dann auf die Straße, wenn es gegen Juden und Amis geht. Den Aufstand gegen die Mullahs im Iran unterstützen sie deshalb so wenig, wie sie die deutsche Kollaboration mit dem Regime in Teheran attackieren. Und so werden sie de facto sogar zu Komplizen des Kapitals, das sie sonst bei jeder Gelegenheit leidenschaftlich bekämpfen. Vielleicht haben sie deshalb ja auch für Daniel Bernbeck ein Plätzchen in ihren Reihen frei, wenn der aus lauter Schiss, dass ihm iranische Demonstranten sehr zu Recht an den Kragen gehen, das Weite sucht.
Ausführliche (überwiegend deutschsprachige) Informationen, Kommentare, Aufrufe und Videos zum Iran gibt es auf dem Portal Free Iran Now!