29.6.09

Post vom Kammerdiener



Ein Leserbrief aus Teheran an Lizas Welt zum Beitrag „Kampf dem Kapital“ – verfasst vom Geschäftsführer der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer, Daniel Bernbeck (Rechtschreibung, Zeichensetzung etc. im Original):
Liebe Liza,

ich lade Sie gern mal ein, nach Teheran zu kommen, und sich ein eigenes Bild von der Lage zu machen, anstelle vom sicheren, demokratischen und hoffentlich kuschelig-warmen Ausland aus polemische Blogs zu schreiben. Oder haben Sie etwa Schiß, in dieses Land zu kommen?? Oder fürchten Sie sich etwa davor, dass Ihr eindimensionales Weltbild vielleicht ins Wanken kommen könnte, wenn Sie den Daniel Bernbeck, den Sie genauestens beurteilen zu können glauben, persönlich kennen lernen, oder die deutsche Wirtschaft, die Sie politisch klar in eine bestimmte Ecke stellen zu können meinen, mal nicht aus der Ferne, sondern vor Ort besuchen??

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Bernbeck
Geschäftsführer
Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer
Er ist schon ein echter Held, der Daniel Bernbeck: Wo andere immer nur meckern, trägt er todesmutig dazu bei, dass die deutschen Handelsbeziehungen mit dem iranischen Regime wachsen, blühen und gedeihen. Wo andere also Kritik an jenen üben, die sichere, demokratische und hoffentlich kuschelig-warme Verhältnisse in verschiedenen Teilen der Welt tatkräftig zu verhindern helfen, ist Bernbecks Laden stolz darauf, „eine der wichtigsten Stützen für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen“ zwischen Deutschland und der klerikalfaschistischen Mullah-Diktatur zu sein. Einwände gegen diese Funktion und das Tun seiner mit Staatsmitteln geförderten Kammer weist Bernbeck energisch zurück: „Es gibt kein moralisches Problem“, wurde er vor wenigen Tagen von der Nachrichtenagentur AP zitiert. „Wir machen keine Geschäfte mit dem Iran, sondern mit iranischen Firmen. Wir unterstützen die Regierung nicht und sind nicht verantwortlich dafür, was Präsident Ahmadinedjad oder Bundeskanzlerin Merkel sagt.“

Nun muss man weder Kants noch Adornos kategorischen Imperativ kennen und auch nicht Marxens Kritik der politischen Ökonomie gelesen haben, um solche Statements für reichlich beschränkt zu halten. Man muss im Grunde genommen nur wissen, dass wirtschaftliche Prosperität den Mullahs überaus dienlich ist und ihren Handlungsspielraum erweitert, innen- wie außenpolitisch. Man muss nur wissen, dass 75 Prozent aller kleinen und mittelständischen Betriebe im Iran mit deutscher Technologie ausgestattet sind und der Iran „durchaus auf deutsche Ersatzteile und Zulieferer angewiesen“ ist, wie Bernbecks Vorgänger Michael Tockuss deutlich machte. Und man muss nur wissen, dass das iranische Regime mit Hilfe zahlreicher Güter made in Germany sowohl sein gegen Israel gerichtetes Atomprogramm vorantreibt als auch sein Repressionsarsenal ausbaut. Natürlich weiß Daniel Bernbeck all dies. Wenn er trotzdem ein reines Gewissen hat, kann das nur daran liegen, dass er es nie benutzt hat.

Womöglich geht ihm gerade aber ein bisschen die Düse, nachdem die Lieferung von Überwachungstechnologie an die Mullahs unter maßgeblicher Beteiligung des deutschen Großkonzerns Siemens – eines der wichtigsten Mitglieder der Deutsch-Iranischen Industrie- und Handelskammer – öffentlich auf Kritik gestoßen ist. Zumindest würde das erklären, warum Bernbeck in seiner Zuschrift plötzlich eine Moral einklagt, die ihm ansonsten fremd ist. Dabei ist es völlig gleichgültig, ob man den Mann persönlich kennt oder nicht. Es spielt keine Rolle, ob er schwitzt oder friert, kontemplativen Hobbys frönt oder von seiner Frau geschlagen wird. Für eine Beurteilung seiner Tätigkeit – und nur um die ging und geht es – sind solche Dinge gänzlich unwichtig. Außerdem hat kein Mensch behauptet, dass jemand, der kraft seines Amtes de facto Beihilfe zur Niederschlagung eines Aufstandes und zur Entwicklung eines antijüdischen Vernichtungsprogramms leistet, automatisch ein Flegel sein muss. Nicht einmal unter den Nazis war es ein Widerspruch, tagsüber todbringenden Geschäften nachzugehen und abends seinen Kindern eine Gutenachtgeschichte vorzulesen.

Bernbecks freundlicher Einladung zum, sagen wir, kritischen Dialog nach Teheran zu folgen, wäre gleichwohl erwägenswert. An den Kosten für die Reise dürfte es ja nicht scheitern – immerhin weist der Bundeshaushalt für das laufende Jahr auf Seite 49 einen Posten von 33,5 Millionen Euro zur „Förderung von Auslandshandelskammern/Delegierten der deutschen Wirtschaft und Repräsentanzen über den Deutschen Industrie- und Handelskammertag“ aus. Und da werden für „eine der mitgliederstärksten Auslandshandelskammern Deutschlands“, die die Deutsch-Iranische Industrie- und Handelskammer ihrer Website zufolge ist, sicher auch ein paar Cent abfallen. Es gibt allerdings ein Problem: Mit israelischen Stempeln im Reisepass kommt man gewöhnlich nicht in den Iran. Aber vielleicht kann Daniel Bernbeck seine guten Kontakte ja nutzen, um die iranischen Behörden davon zu überzeugen, dass sich hinter Lizas Welt gar kein zionistischer Insurgent verbirgt, sondern bloß ein polemischer Blogger aus dem sicheren, demokratischen und hoffentlich kuschelig-warmen Ausland.

Zum Foto: Der iranische Repressionsapparat macht Jagd auf oppositionelle Demonstranten. Teheran, 14. Juni 2009.

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