21.9.09

Laudator? Si!



Bundespräsident Horst Köhler wusste ganz genau, auf wen er da am vergangenen Freitag seine Laudatio hielt: „Den meisten ist er als Autor seiner millionenfach verkauften Kriminalromane bekannt. Dabei umfasst sein künstlerisches Schaffen auch andere Genres. Wussten Sie, dass er Kinderbücher geschrieben hat, auch als Dramaturg tätig war? Man könnte sehr viel über sein künstlerisches Gesamtwerk sagen.“ Doch Köhler (Foto, links) verzichtete darauf und beschränkte sich stattdessen auf das „Afrika-Werk“ von Henning Mankell, als dieser (Foto, rechts) in Osnabrück mit dem „Erich-Maria-Remarque-Friedenspreis“ ausgezeichnet und mit satten 25.000 Euro belohnt wurde. Da Köhler aber nicht dümmer ist, als Kommissar Wallander erlaubt, sondern im Gegenteil ein sehr belesener Mann, dürfte ihm auch ein anderer Bestandteil von Mankells „künstlerischem Gesamtwerk“ bekannt sein, nämlich der Kampf des schwedischen Schriftstellers gegen Israel. Erst kürzlich, im Juni dieses Jahres, hatte Mankell sich im Rahmen einer Nahostreise unzweideutig über den jüdischen Staat geäußert:
„Das, was wir jetzt erleben, ist eine Wiederholung des verächtlichen Apartheidsystems, das einst die Afrikaner und Farbige als Bürger zweiter Klasse in ihrem eigenen Land behandelte. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass dieses Apartheidsystem nicht mehr existiert. Es wurde Anfang der 1990er Jahre durch menschliche Kraft auf den Müllhaufen der Geschichte geworfen. Es geht eine direkte Linie zwischen Soweto, Sharpeville und dem, was kürzlich in Gaza geschah. [...] Ist es verwunderlich, dass ein Teil [der Palästinenser] desperat ist, wenn sie keinerlei Ausweg aus diesem Leben sehen, dass sie sich entscheiden, sich in einen Selbstmordbomber zu verwandeln? Wohl kaum, oder? Verwunderlich ist nur, dass es nicht mehr tun. [...] 1948, als ich geboren wurde, erklärte Israel seine Unabhängigkeit auf besetztem Gebiet. Es gibt keinerlei Gründe dafür, dass dies eine völkerrechtlich legitime Handlung war. Man besetzte ganz einfach palästinensisches Land. [...] Eine Zwei-Staaten-Lösung bedeutet nicht, dass die historische Besatzung aufgehoben wird. Israel wird es genauso ergehen wie Südafrika unter der Apartheid. Die Frage ist nur, ob die Israelis Vernunft annehmen und freiwillig einer Abwicklung des Apartheidstaates zustimmen werden. Oder ob es zwangsweise geschehen wird. [...] Wenn Veränderungen kommen, wird es vom einzelnen Israeli abhängen, ob er oder sie bereit ist, auf seine Privilegien zu verzichten und in einem palästinensischen Staat zu leben. Ich stieß auf meiner Reise auf keinen Antisemitismus, aber auf einen normalen Hass auf die Besatzer. [...] Die Israelis vernichten Leben. Aber sie können nicht die Träume zerstören. Der Untergang dieses verächtlichen Apartheidsystems ist das einzig denkbare Resultat, da es notwendig ist. Die Frage lautet also nicht, ob, sondern wann es geschieht. Und natürlich auch, auf welche Weise.“
Es ist müßig, hier die kaum verhohlenen Vernichtungsfantasien dieses überzeugten Antisemiten zu kommentieren; das haben andere bereits ausführlich und kompetent getan, beispielsweise Ingo Way und Gerd Buurmann. Noch müßiger ist es, die für die Vergabe des „Erich-Maria-Remarque-Friedenspreises“ Verantwortlichen im Provinznest Osnabrück zur Einsicht bringen zu wollen. Denn bereits mit den Ehrungen der „Israelkritiker“ Tony Judt (2007) und Uri Avnery (1995) haben sie gezeigt, was sie sich unter einem preisverdächtigen Einsatz für „Frieden, Abrüstung, Entspannung, Menschenrechte und Freiheitsrechte“ vorstellen. Allemal von Interesse ist jedoch, dass der Bundespräsident den Laudator für einen glühenden Israelhasser gegeben hat – denn er kann sich nicht darauf zurückziehen, nur einen speziellen Teil von Mankells Schaffen gewürdigt haben zu wollen. Schließlich hat er selbst lobend vom „künstlerischen Gesamtwerk“ des Geehrten geschwärmt, und ganz abgesehen davon würde man ja auch keinem Nazi (mehr) einen Orden umhängen, weil der sich so rührend um den deutschen Sport kümmert, wenn er gerade mal nicht gegen Juden zu Felde zieht. Oder etwa doch?

Was hatte Horst Köhler über seinen Staatssekretär noch gleich Arno Hamburger ausrichten lassen, nachdem dieser sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben hatte, weil er nicht damit einverstanden war, dass auch einer Israelhasserin wie Felicia Langer diese Ehrung zuteil wurde? Dies: „Die von Ihnen kritisierte Auszeichnung hat die Gefühle von Menschen verletzt, an deren Sehnsucht nach Frieden und Gerechtigkeit es keinen Zweifel geben kann. Das ist unendlich bedauerlich. Es war von keiner der an dem Ordensverfahren beteiligten Stellen des Bundes und des Landes gewollt. [...] Alle sind vielmehr zutiefst bekümmert und wünschten, die Verwerfungen ließen sich ungeschehen machen. Dafür fehlt jedoch die Grundlage.“ Und weiter: „Die Solidarität Deutschlands mit Israel und dem jüdischen Volk ist unwandelbar, und der Bundespräsident steht für diese Solidarität.“ Diese Zeilen waren so nebulös formuliert, dass man in ihnen sowohl das Eingeständnis eines Fehlers sehen konnte als auch eine allgemeine Sturzbetroffenheit darüber, dass es überhaupt zu einem Streit gekommen war. Konsequenzen gab es jedenfalls keine – es fehlte ja „die Grundlage“.

Dass der Bundespräsident nun neuerlich einen Feind des jüdischen Staates geehrt hat, macht deutlich, dass das Schreiben seines Staatssekretärs an Arno Hamburger letztlich nicht mehr war als der Versuch, die ganze Angelegenheit staatstragend herunterzukochen. Da war viel die Rede von „Verwerfungen“ und „verletzten Gefühlen“, so, als ginge es um einen Ehekrach und nicht um Antisemitismus. Wie es um die „Solidarität Deutschlands mit Israel und dem jüdischen Volk“ bestellt ist, zeigt die Bereitschaft Köhlers, das Hohelied auf einen Autor zu singen, der Israel lieber heute als morgen auf den „Müllhaufen der Geschichte“ entsorgen, das heißt vernichten (lassen) würde. Mag sein, dass es nicht Mankells Antisemitismus war, der den Ausschlag für die Verleihung des diesjährigen „Friedenspreises“ inklusive einer Laudatio des Bundespräsidenten gab. Aber er hat ihr auch nicht im Weg gestanden. Und das ist so bezeichnend wie übel genug.

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