3.2.10

Die Lehren der Geschichte



Eine kleine Dokumentation politischer Äußerungen der letzten Tage – und ihre Beurteilung durch einen, der schon gar nicht mehr lebt.

„Ich bin stolz darauf, dass wir der Erzfeind der Nazi-Verbrechen sind. Ich bin stolz auf das Erbe unserer Väter – das Gegenteil jeder Rassenlehre. Ich bin stolz auf die Gründung des Staates Israel, die moralische und historische Antwort auf den Versuch, das jüdische Volk von der Erde zu tilgen.“ (Der israelische Staatspräsident Shimon Peres in seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag am 27. Januar 2010)

„Dazu habe ich mich immer bekannt.“ (Christoph Metzelder, bei Real Madrid mehr oder weniger aktiver deutscher Fußball-Nationalspieler, in einem am 1. Februar 2010 veröffentlichten Interview des kicker auf die Frage, ob er stolz darauf sei, Deutscher zu sein)

„Zum Gedenken an die Opfer des Holocaust habe ich mich selbstverständlich von meinem Platz erhoben. Dass ich nach der Rede von Shimon Peres nicht an den stehenden Ovationen teilgenommen habe, liegt darin begründet, dass ich einem Staatsmann, der selbst für Krieg mitverantwortlich ist, einen solchen Respekt nicht zollen kann.“ (Sahra Wagenknecht, Bundestagsabgeordnete und Vorstandsmitglied der Partei Die Linke, in einer Erklärung vom 1. Februar 2010)

„Selbstverständlich habe ich an der Gedenkveranstaltung teilgenommen und habe mich bei der Würdigung der Opfer erhoben. Am Ende von Shimon Peres’ Rede bin ich allerdings nicht aufgestanden. Die Unterstellung von Peres, der Iran wäre heute eine ebenso große Bedrohung für die Welt und alle Juden wie Deutschland damals, ist falsch. Ich weise jegliche Gleichsetzung des Irans mit Nazideutschland zurück. Deutschland war die zweitmächtigste Industrie­nation und hatte die größten Landstreitkräfte der Welt. Der Iran heute ist eine zweitrangige Regionalmacht.“ (Christine Buchholz, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand Die Linke und friedenspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, in einer Erklärung vom 2. Februar 2010)

„Die NPD-Fraktionen in den Landtagen von Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern haben solche Canossa-Veranstaltungen immer sofort verlassen oder sind gar nicht erst erschienen. Aber im Blickkontakt mit einem jüdischen Redner, der von deutschen Politikern nur den Kriechgang und die Anerkennung von ‚Kollektivschuld’ und ‚Erbschuld’ kennt, den Betroffenheitsapplaus zu verweigern, hat noch eine andere tabubrecherische Qualität. Für die Einübung des aufrechten Ganges – in diesem Fall durch demonstrative Beifallsverweigerung – gehört ausnahmsweise einmal einer Kommunistin und einer Trotzkistin Dank ausgesprochen.“ (Jürgen Gansel, NPD-Landtagsabgeordneter in Sachsen, in einer Erklärung vom 2. Februar 2010)

„Hochachtung vor Sarah [sic!] Wagenknecht [...]. Man mag in Deutschland leider auch lebende Juden und erweist diesen zu viel Ehre. Manchmal allerdings auch den richtigen, wie z.B. Daniel Barnboim [sic!] oder Alfred Grosser oder Felicia Langer. Juden dürfen auch zurückschlagen, wenn sie geschlagen werden. Aber die Ermordung von 14.500 [sic!] Zivilisten in Gaza ist weit davon entfernt, ein ‚Zurückschlagen’ zu sein. Wenn jemand meint, dass [sic!] müsse man den Juden erlauben, dann kann er auch nichts dagegen haben, was Putin in Tschetschenien getan hat oder die Chinesen in Tibet oder eben auch Hitler mit den Juden.“ (Abraham Melzer, Herausgeber der Zeitschrift Semit, in einem Kommentar vom 2. Februar 2010 zum Beitrag „Sahra und die toten Juden“ auf dem Weblog Basisbanalitäten)

„Der Iran ist nach den Worten von Präsident Mahmud Ahmadinedjad bereit, sein Uran wie von den Vereinten Nationen gefordert im Ausland anreichern zu lassen. Sein Land habe keine Probleme damit, das schwach angereicherte Uran in den Westen zu schicken und es einige Monate später auf 20 Prozent angereichert wieder zurückzubekommen, sagte Ahmadinedjad am Dienstag in einem Interview mit dem staatlichen iranischen Fernsehen.“ (Agenturmeldung vom 2. Februar 2010)

„Der Arbeitskreis Umwelt (AKU) Gronau ruft zum weiteren Protest gegen die Gronauer Urananreicherungsanlage (UAA) auf. Konkret lädt er alle besorgten Bürgerinnen und Bürger zur Teilnahme an einer Mahnwache vor dem Gronauer Rathaus am Mittwoch (3.2.) von 17.30 – 18.00 Uhr ein. Anlass ist die öffentliche Sondersitzung des Gronauer Stadtrates, die Mittwoch um 18.00 Uhr beginnt. [...] Am Samstag demonstrierten in Gronau rund 200 Personen unter dem Motto ‚Für ein Leben ohne Urananreicherung’, darunter auch viele aus Gronau. Die Proteste werden auch nach der Mahnwache und Sondersitzung des Rates fortgesetzt.“ (Aus einem Aufruf des Arbeitskreises Umwelt Gronau für den 3. Februar 2009)

„Im Namen des Friedens gegen Israel zu sein, ist etwas Neues. Denn dieses Ressentiment hat alle praktischen und politischen Beweggründe abgestreift. [...] Dieser neue Antisemitismus erwächst weder aus niedrigen Instinkten noch ist er Ausfluss ehrbarer politischer Absichten. Er ist die Moralität von Debilen. Das antijüdische Ressentiment entspringt den reinsten menschlichen Bedürfnissen, es kommt aus der Friedenssehnsucht. Es ist daher absolut unschuldig, es ist so universell wie moralisch. Dieser moralische Antisemitismus beschließt die deutsche Wiedergutwerdung insofern, als sich durch ihn die Vollendung der Inhumanität ankündigt: die Banalität des Guten.“ (Eike Geisel: Bericht aus einem Zwischenlager, in: ders.: Triumph des guten Willens. Gute Nazis und selbsternannte Opfer – die Nationalisierung der Erinnerung, Berlin 1998, S. 117-129, hier: S. 120f.)