Kleiner Schmitz ganz groß

Einem jedoch gelingt all dies scheinbar mühelos und nachgerade beschwingt: Thorsten Schmitz. Der Mann leidet zwar möglicherweise unter seinem Allerweltsnamen, darf aber trotzdem für die Süddeutsche Zeitung schreiben, was sein geschundenes Ego gewiss sanft streichelt. Bei dem Münchner Blatt hat man für Israel seit jeher nicht allzu viel übrig und leistet sich deshalb zwangsläufig keinen Berichterstatter, der dieser Linie untreu werden würde. Dass Schmitz Mitte Juni dieses Jahres in seinem Beitrag „Der Krieg der Bilder“ über ein „Beispiel, wie Palästinenser manchmal die Wahrheit verbiegen“, schrieb, dürfte daher ein bedauerliches Versehen gewesen sein – und vor allem eins, das der Korrespondent hernach doppelt und dreifach wieder gut zu machen hatte. In der Folge gab er sich deshalb reichlich Mühe, seinen Fauxpas auszubügeln: Er spekulierte nie wieder darüber, ob die eine oder andere vermeintliche Gräueltat Israels nicht eher eine weitere Pallywood-Inszenierung gewesen sein könnte, und tat sich stattdessen mit Artikeln hervor, die wohl auch der Muslim Markt oder die junge Welt unbesehen und mit Kusshand veröffentlicht hätten.
Am vergangenen Montag entdeckte Schmitz dann, dass er eigentlich Feminist ist – nicht deshalb, weil er herausgefunden hätte, dass es für Frauen in der islamischen Welt, vorsichtig formuliert, nicht gerade zum Besten bestellt ist, sondern weil er entdeckt hatte, dass sämtliche israelischen Männer sich zu Banden brutalster Sexisten und Vergewaltiger zusammengerottet haben – ganz grundsätzlich, aber insbesondere in der Armee –, nachdem sie durch die Besatzung im Wortsinne Blut geleckt haben und auf die Idee verfallen sind, nicht nur über die Palästinenser herzufallen, sondern auch über ihre weiblichen Landsleute. Gestern nun hatte der Reporter der Süddeutschen sein coming out als Graswurzelrevolutionär – er vermeldete nämlich euphorisiert die entscheidende Wende, ja, die Lösung des Nahostkonflikts: „Das angeblich schwache palästinensische Volk hat durch gewaltlosen Widerstand den Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen.“

Vielleicht ist die Lieferung der Süddeutschen Zeitung in den Gazastreifen zu teuer; vielleicht können die dort Lebenden auch nicht gut genug Deutsch. Vielleicht hatte es aber auch andere Gründe, dass ein führender Hamas-Funktionär die Aktion – die live im palästinensischen Fernsehen übertragen wurde – leitete; dass im Zuge der Freitagsgebete dazu aufgerufen worden war, bei israelischen Warnungen vor Militäraktionen gegen die Häuser von islamistischen Terroristen die Nachbarn zusammenzutrommeln, um eben diese Terroristen abzuschirmen; dass die Menge neben den obligatorischen Parolen gegen Israel und die USA rief: „Ja zum Märtyrertum! Nein zur Kapitulation“, und dass Nizar Rayan, ein lokaler Hamas-Funktionär, bekräftigte: „Wir sind hierher gekommen, um diesen Kämpfer zu schützen, um sein Haus zu schützen und um zu zeigen, dass wir die Politik der Zionisten besiegen können.“ Bei „diesem Kämpfer“ handelt es sich übrigens um Mohammed al-Baroud, einen Funktionär des Popular Resistance Committees (PRC) – einer Art Dachorganisation verschiedener palästinensischer Terrorvereinigungen, die in der Vergangenheit mehrfach für mörderische Anschläge auf Israel verantwortlich zeichnete –, der der Kopf der Kassam-Raketen-Zelle dieser Organisation ist.
All das schrieb Schmitz nicht; stattdessen konstatierte er zufrieden: „Ausgerechnet die Palästinenser haben nun dem militärisch überlegenen Israel gezeigt, wie entwaffnend der Nicht-Einsatz von Gewalt und wie effektiv ein Schutzschild sein kann.“ Heißt: Würden die Israelis doch nur endlich auch eine Menschenkette etwa um Sderot oder Ashkelon bilden – da man bekanntlich nicht so genau weiß, wo die Kassam-Raketen einschlagen, wird man schon den ganzen Ort einkreisen müssen –, es wäre selbstverständlich sofort Schluss mit dem Beschuss. Und wenn der israelische Ministerpräsident Ehud Olmert dann noch „nicht länger auf die Macht der Waffen setzen und nun endlich Gespräche mit der Palästinenser-Regierung aufnehmen“ würde, ginge der Thorsten ab wie Schmitz’ Katze und wäre der Frieden perfekt. Wer wollte da widersprechen?
So einfach sieht es aus in der Welt (nicht nur) des Nahost-Korrespondenten einer als seriös geltenden überregionalen deutschen Tageszeitung. Der Begriff „Menschliches Schutzschild“ hat ja auch in all seinen Bestandteilen einen schönen Klang – um wie viel hässlicher hört sich da der Terminus passive Bewaffnung an, wiewohl er den Sachverhalt weitaus treffender beschreibt? Doch Thorsten Schmitz will in den Palästinensern partout die Wiedergänger von Mahatma Gandhi und Mutter Theresa sehen, und dafür ist kein Argument zu schräg und beweist kein Ereignis das genaue Gegenteil. Nahostkorrespondenten haben es wirklich gut: Sie müssen noch nicht einmal denken, sondern nur ihren Emotionen freien Lauf lassen. Der Auflage schadet das gewiss nicht.
Hattip: barbarashm