19.1.07

Europäische Patridiotie

Als in Teheran kürzlich eine Konferenz von Holocaustleugnern stattfand, nahmen an ihr auch europäische Rechtsextremisten teil, die den Schulterschluss mit dem iranischen Regime praktizierten. Sie und ihresgleichen sind alles andere als untätig und organisieren sich immer stärker; 20 Abgeordnete aus sieben Ländern haben im Europaparlament nun eine gemeinsame Fraktion der Ultrarechten gebildet. Deren frisch gekürter Vorsitzender, der Franzose Bruno Gollnisch (Foto), wurde just heute vom Strafgericht Lyon zu einer dreimonatigen Bewährungsstrafe und einer Geldbuße verurteilt. Er stelle zwar „die Hunderttausenden, die Millionen Toten“ in den nationalsozialistischen Lagern nicht in Frage und bestreite auch die Existenz von Gaskammern nicht; es müsse aber „eine freie Debatte“ darüber geben, wie die Menschen in diesen Lagern gestorben seien, hatte Gollnisch gesagt. Mehr über die Internationale der Rechtsextremisten, ihre Mitglieder und Ziele weiß Karl Pfeifer.


Karl Pfeifer

Die Internationale der Rechtsextremisten


Rechtsextremisten deklamieren in der Regel: Mein Land, mein Volk und meine Nation kommen zuerst, dann kommen alle anderen. Doch was tun sie, wenn sie in das EU-Parlament gewählt werden? Sie versuchen uns ein Viereck als Kreis zu verkaufen, sie bilden eine Fraktion „Identität, Tradition und Souveränität“ und möchten „Antagonismen“ und „Erbfeindschaften“ überwinden. Auf vollen zwei Seiten von Zur Zeit vom 12. Januar 2007 berichtet Andreas Mölzer über einen rechten „Minimalkonsens in Europa“. Er hält sich tatsächlich an die Tradition und schreibt schwülstig und großspurig „vom armen geschundenen deutschen Volk“, das „übrig geblieben ist“. Weder Stil noch Inhalt seiner Ausführungen sind neu: „Und jenen Kräften, die als patriotische Deutsch-Österreicher selbstverständlich Solidarität mit Südtirol üben, muss klar sein, dass sie das Überleben ihres Volkes nur gewährleisten können, wenn sie mit den nationalbewussten Kräften Italiens zusammenarbeiten, sosehr diese auch aus historischer Sicht für die Brenner-Grenze eintreten.“ Das heißt konkret: Die deutschnationalen Rechtsextremisten tun sich zusammen mit italienischen Neofaschisten wie Alessandra Mussolini und Luca Romagnoli, die am liebsten die Autonomie in Südtirol abschaffen würden – was Südtiroler nicht erfreuen kann. Ähnliches hat es bekanntlich schon einmal gegeben. Und frei nach Hegel: Was das erste Mal Tragödie war, kommt das zweite Mal dank Mölzers Gesinnungsgemeinschaft als billige Farce.

Die FPÖ spricht wieder einmal mit zwei Zungen, denn kaum hat Mölzer das Fraternisieren mit seinen italienischen Kompagnons verkündet, tritt schon FPÖ-Obmann Heinz-Christian „HC“ Strache auf den Plan, um die schlagenden Burschenschaften und sonstige treue Wähler zu beruhigen: „Unrechtsgrenzen bleiben Unrechtsgrenzen“ und „Die Freiheitlichen sind stets an vorderster Front gestanden, wenn es um eine echte und tiefgreifende Umsetzung der Südtiroler Autonomie gegen ist“. Der Abgeordnete und ehemalige FPÖ-Minister Herbert Scheibner (BZÖ) findet das Bündnis mit den italienischen Neofaschisten „bedauerlich und befremdlich“. Das wiederum lässt HC Strache nicht ruhen, der in einer langen Presseerklärung zu lavieren versucht. Einerseits sieht er „Tirol – von Kufstein bis Salurn“, andererseits rechtfertigt er das Bündnis mit den Neofaschisten. Er „verbürgt“ sich sogar „gegenüber heimattreuen und patriotisch gesinnten Kräften, dass die Selbstbestimmungsfrage Südtirols für die FPÖ selbstverständlich weiterhin eine Kernfrage bleibt“.

Nur eine technische Fraktion?

Mölzer (Foto) kennt seine hiesigen Pappenheimer gut und macht in der erwähnten Ausgabe von Zur Zeit kein Hehl aus seiner Meinung: „Insgeheim wird da in der einen oder anderen Brust eines Deutschen oder Österreichers auch die Gewissheit schlummern, dass der Slawe ohnedies nur ein Untermensch sei. Da sind die Holländer degeneriert, die Bürger des perfiden Albion eben perfid, Balkanesen korrupt, Polen arbeitsscheu und so weiter und so fort.“ HC Strache, dem seine Gesinnungsgemeinschaft ebenfalls wohl vertraut ist, erklärt bezüglich der neuen Fraktion schon einmal präventiv: „Wo es nachweisliche Entgleisungen gibt, werden wir uns distanzieren. Aber die Bildung der Fraktion ist ein guter und wichtiger Schritt.“ (Die Presse, 13. Januar 2007). Mölzer schließt in der gleichen Ausgabe von Zur Zeit messerscharf: „Wie mit derlei Denkweisen ein politisches Zusammenwirken der nationalbewussten Kräfte der europäischen Völker für die Gegenwart und die Zukunft ermöglicht werden soll, ist rätselhaft.“ Und weil das Mitglied des Europaparlaments (MdEP) Othmar Karas (ÖVP) auf die Unzulässigkeit technischer Fraktionen hingewiesen hat, bekommt er von Andreas Mölzer in einer Presseerklärung auch noch sein Fett weg. Wie es in seinen Kreisen üblich ist, nimmt Mölzer Karas in Sippenhaftung, wirft ihm allen Ernstes vor, „der Schwiegersohn von Altbundespräsident Kurt Waldheim“ zu sein, und fragt, „wo denn eigentlich der Unterschied zwischen angeblich christdemokratisch-konservativen Politikern wie Karas und den altbekannten Ausgrenzern vom ultralinken Rand“ liege. Wenn ausgerechnet die ÖVP in die linksextreme Ecke gestellt wird, dann haben wir es anscheinend mit einer paranoiden Wahrnehmung der österreichischen Realität zu tun.

Im EU-Parlament sind keine technischen Fraktionen vorgesehen. Und so befinden sich die rechtsextremen Parteien, die an der neuen Fraktion teilnehmen, in einer wahren Zwickmühle: Zu Hause in ihren Ländern erklären sie ihren erbosten Gesinnungskameraden, in Brüssel hätten sie sich nur deswegen in eine Fraktion begeben, um die Vorteile zu genießen; in Wirklichkeit handle es sich nur um eine technische Fraktion. In Brüssel wiederum erklären sie feierlich, eine gemeinsame Politik betreiben zu wollen. Andreas Mölzer lässt in Zur Zeit seine Leser wissen, er habe von den österreichischen Abgeordneten im Europaparlament am häufigsten geredet – als ob es von der Quantität und nicht von der Qualität abhängen würde. Und er hat noch mehr zu bieten, wenn er sich gegen „politisch korrekte Diffamierung“ wehrt und John Gudenus in Schutz nimmt. Da muss er sich aber an der eigenen Nase fassen, hat er doch Gudenus – nachdem dieser 2006 rechtskräftig verurteilt wurde – von der Liste der Herausgeber von Zur Zeit gestrichen. Jetzt wird dieses hochsubventionierte Blatt vom Botschafter a.D. Johann Josef Dengler (ÖVP), dem Volksanwalt Hilmar Kabas (FPÖ) und MdEP Andreas Mölzer herausgegeben.

Der Südosteuropa-Flügel...

Zur neuen Fraktion gehört auch der Bulgare Dimitar Stojanov, Ataka-MdEP, dem es bereits als Beobachter im EU-Parlament gelungen ist, einen Skandal auszulösen: Eine ungarische Roma-Abgeordnete sollte zur Parlamentarierin des Jahres gewählt werden. Stojanov protestierte daraufhin mit einer E-Mail an alle Abgeordneten; in Bulgarien gebe es „viel hübschere Zigeunerinnen“, die schlanker seien und die man kaufen könne: „Die schönsten sind die teuersten, 5.000 Euro das Stück.“ Ataka-Vorsitzender Volen Siderow wiederum ist besorgt, denn Bulgarien sei „bedroht von außen durch die Ausländerflut“; er möchte „Türken und Zigeuner“ aus seinem Land werfen und kritisiert die „unter jüdischem Einfluss stehende“ USA. Bereits zuvor war er als Autor von Büchern über eine „globale Verschwörung der Juden“ in Erscheinung getreten. Und er war Gast der FPÖ bei einem konspirativen Treffen von Rechtsextremisten zur Vorbereitung der Fraktion in Wien im November 2005.

Nicht fehlen in dieser illustren Gesellschaft darf die 1991 gegründete Groß-Rumänien-Partei (PRM), der man nachsagt, der politische Arm antiwestlicher Teile des berüchtigten Ceauşescu-Geheimdienstes Securitate zu sein. Die Ideologie der PRM besteht aus einer Mischung aus Nationalismus, Antisemitismus und neofaschistischen Versatzstücken. Sie fordert ein autarkes, christlich-orthodoxes und ethnisch homogenes Rumänien. PRM-Anführer Corneliu Vadim Tudor (Foto) war vor 1989 ein bekannter Hofdichter Ceauşescus und Mitarbeiter der Securitate-Zeitschrift Saptamina (Die Woche), die seit 1990 unter dem Titel Romania Mare (Groß-Rumänien) erscheint. Seinen Antisemitismus zwang Tudor auch in Reimform: „Rabbi, Rabbi, mit deinem lockigem Bart / mit deinem Haar voller Schuppen / Rabbi, Rabbi, du alter Gaul / du alter weichhirniger Mann in Lumpen / du spuckst auf die heiligen Dinge Rumäniens / Rabbi, Rabbi, du hast uns an die Ungarn und an die Russen verkauft“. Der PRM-Abgeordnete Dumitru Dragomir wiederum verkündete öffentlich, „Juden zu Seife“ verarbeiten lassen zu wollen. Anfang Juni 2002 feierte die PRM den 120. Geburtstag des faschistischen Diktators und Nazi-Kollaborateurs Ion Antonescu. Heute vermeidet sie allzu offene Anklänge an den rumänischen Faschismus und seine historischen Führer. Tudor selbst distanziert sich mittlerweile von seinem Antisemitismus und der entsprechenden Hetze im Parteiblatt. Nach wie vor aber hetzt er gegen die ungarische Minderheit und gegen Roma, die er in Lager gesperrt sehen will.

...und der aus dem Westen

Der belgische Vlaams Belang, der sich früher geziert hat, bei einem solchen Bündnis mitzumachen, ist dieser Fraktion ebenfalls beigetreten. Er ist die Nachfolgeorganisation des im Jahre 2004 aufgrund anhaltender Verstöße gegen das belgische Anti-Rassismusgesetz behördlich aufgelösten Vlaams Blok (VB). Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg qualifiziert diese beiden Organisationen respektive die Auflösung des VB so: „Die rechtsextremistische belgische Partei ‚Vlaams Blok’ (VB) hat sich am 14. November 2004 auf einem Sonderparteitag in Antwerpen aufgelöst und unter dem Namen ‚Vlaams Belang’ neu gegründet. Anlass hierfür war eine Entscheidung des belgischen Obersten Gerichtshofs vom 10. November 2004, nach der es die Richter als erwiesen ansahen, dass sich der ‚Vlaams Blok’ schwerer Verstöße gegen das Rassismusbekämpfungsgesetz schuldig gemacht hat. Das Programm des VB sei als diskriminierend und rassistisch einzustufen. In einem Interview in der Wochenzeitung ‚Junge Freiheit’ (JF) erklärte der Parteivorsitzende Frank Vanhecke: ‚Diese Partei hat dieselben Menschen und dasselbe Programm. Unsere Widersacher sollten sich also keinen Illusionen hingeben. Das Vlaams-Blok-Programm von 2003 und 2004 wird das Programm von Vlaams Belang sein’.“

Zum Vorsitzenden der Rechtsextremistengruppe im Europäischen Parlament wurde der stellvertretende Vorsitzende des französischen Front National (FN), Bruno Gollnisch, erkoren, der auch bei dem erwähnten Treffen in Wien im November 2005 anwesend war. Gollnisch stellte am 11. Oktober 2004 in Bezug auf den Holocaust fest: „Nicht ein einziger seriöser Historiker verteidigt mehr hundertprozentig die Ergebnisse des Nürnberger Prozesses. Ich bestreite nicht, dass Konzentrationslager existiert haben, aber die Zahl der Toten betreffend gäbe es Diskussionsstoff für die Historiker. Und hinsichtlich der Existenz von Gaskammern liegt es an den Historikern, sie festzustellen.“ Das Europaparlament hat Gollnisch deswegen an Frankreich ausgeliefert, wo er nun zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, und die Lyoner Jean-Moulin-Universität hat den Professor für japanisches und internationales Recht für fünf Jahre suspendiert.

Trias des Hasses

Was eint diese Fraktion? Im Grunde genommen dies: Antiamerikanismus, Antisemitismus – der sich manchmal auch als Antizionismus verkleidet – und Fremdenfeindlichkeit. Andreas Mölzer bringt es auf den Punkt: Er wünscht sich ein Europa, „das sich nicht vom Weltpolizisten USA domestizieren“ und „das sich nicht automatisch vor den Karren Israels im Nahost-Konflikt spannen lässt“, sondern eines, das „selbstbewusst im globalen Kampf der Kulturen gegenüber der islamischen Welt“ eintritt. Einen bescheidenen Anfang machte seine Partei ja schon beim letzten Wiener Wahlkampf, als sie unter anderem plakatieren ließ: „Daham statt Islam“ und „Wien darf nicht Istanbul werden“. Und weil Mölzer doch am Zeitgeist hängt, sieht er eine Welt, die „durch Amerikanisierung, Globalisierung und geistige Gleichschaltung gefährdet ist“, wenn die „volksbewussten Kräfte“ nicht „zusammenarbeiten und gemeinsam an Gewicht gewinnen“. Mölzer befürchtet, dass sie nicht lange werden zusammenarbeiten können, und droht für diesen Fall mit furchtbaren Konsequenzen. Er halte bereits das „Überleben der europäischen Völker und damit auch unseres deutschen Volkes“ für gefährdet. Man sieht: Der Mann, der noch vor weniger als zehn Jahren vom Wiener Oberlandesgericht bestätigt bekam, ein FPÖ-Jahrbuch mit „Nazitönen“ veröffentlicht zu haben, hält – auch wenn er sich gemäßigt gibt – fest an Schwulst und Pathos.