20.5.07

Grüne Doppelzunge

Als zu Beginn des vergangenen Jahres die Hamas bei den Wahlen in den palästinensischen Autonomiegebieten einen deutlichen Sieg einfuhr, erschrak zwar so mancher; gleichwohl wurde allenthalben auch von den „Chancen“ gesprochen, die damit verbunden seien, dass die Gotteskrieger jetzt Regierungsverantwortung zu tragen hätten. Schließlich würden sie dadurch zu Abstrichen von ihren Maximalforderungen genötigt, wie das in einer Demokratie nun einmal üblich sei. Einer, der auch so dachte, war der EU-Parlamentarier Johannes Voggenhuber von den österreichischen Grünen, der im Februar 2006 in der Zeitschrift profil schrieb:
„Die Hamas ist dabei, sich in eine politische Partei zu verwandeln. Sie will regieren. Dies hat eine Dynamik zur Folge, deren Logik sie sich nicht entziehen kann. Die Wahlen waren ein Durchbruch zur ersten autonomen Demokratie im arabischen Raum. Die Hamas braucht Geld. Das wird sie zu Kompromissen nötigen. Und die Hamas braucht Israel, wenn sie das Land aus dem wirtschaftlichen Elend führen will. Sie muss auch bei schmerzhaften Zugeständnissen keine Radikalisierung fürchten, weil sie selbst als die radikalste Kraft gilt. Das gibt ihr jene paradoxe Friedenschance, jene Unverdächtigkeit im eigenen Volk, von der ja auch israelische Hardliner wie Ariel Sharon profitierten. Das alles sind Elemente eines Entwicklungsszenarios, auf die sich Hoffnungen gründen lassen.“
Vielleicht hat Voggenhuber seinem, vorsichtig formuliert, reichlich gewagten Szenario selbst nicht so ganz geglaubt; zumindest äußerte er Zweifel an ihm:
„Die Hamas steht für eine theokratische Staatsidee. [...] Sie könnte sich, nach der Aneignung des Staates, schnell gegen die palästinensische Demokratie richten, deren Entstehung sie ihre Macht verdankt. Sie ist eine bekennende islamistische Partei. Ihre Sache ist nicht nur ein freier Staat Palästina, sondern die Sache des Islamismus. In diesem aber kann es per definitionem keine friedliche Lösung des Konfliktes mit Israel geben. [...] Die Hamas will den jahrzehntelangen Friedensprozess annullieren, den Konflikt um die Existenz Israels neu aufrollen. Noch mag sie glauben, Verhandlungen nach der Formel ‚Land gegen – vorläufigen – Frieden’ führen zu können. Aber wenn nicht gelingt, was nicht gelingen kann, wird sie sich ihrer politischen Natur nach für die Gewalt entscheiden. [...] Natürlich weiß Hamas, dass sie Israel nicht besiegen kann. Sie weiß aber auch, dass der wachsende Islamismus eine Klammer werden könnte für eine neue arabische, gar gesamtislamische Einheit, und hofft, dass sich damit das Blatt gegen Israel wenden könnte.“
Und daher dürfe „keine Regierung anerkannt werden, die sich die Vernichtung des Staates Israel zum Ziel gesetzt hat“. Genau dies jedoch sei das Ziel der Hamas; deren weiterhin gültige Charta strotze „vor antisemitischem Hass, der Nazi-Propaganda in nichts nachstehend“. Als Voggenhuber kürzlich mit einer EU-Delegation nach Israel fuhr, wollte er dennoch „die andere Seite“ kennen lernen und nahm also an dem Treffen der Delegation mit dem Hamas-Regierungschef Ismail Hanija teil. Hinterher sprach er mit der Presse – und dabei trug sich Erstaunliches zu, wie Karl Pfeifer zu berichten weiß.


Karl Pfeifer

Widersprüchliches aus dem Munde eines Grünen


Anfang dieses Monats besuchte eine EU-Delegation Israel; auch zwei Österreicher waren dabei. Hannes Swoboda (SPÖ), Mitglied des EU-Parlaments, ist eindeutig und konsequent: Er findet kein gutes Wort zum jüdischen Staat, und dabei bleibt er. Anders verhält es sich beim Europaparlamentarier Johannes Voggenhuber (Foto) von den Grünen. Er gab in Israel eine Erklärung ab, die von Ulrich Sahm bei n-tv publiziert wurde; dem Standard respektive der Nachrichtenagentur APA gegenüber äußerte sich Voggenhuber dann jedoch etwas anders. Zunächst Auszüge aus dem n-tv-Beitrag:
„Zu Premierminister Hanija sagte Voggenhuber: ‚Es gab nur einen einzigen, bei dem ich aufgestanden bin und meinen Nachbarn gesagt habe: Diesem Mann glaube ich nicht ein einziges Wort. Das war Hanija.’ [...] Voggenhuber wandte sich an Hanija: ‚Eines will ich von Ihnen wissen. Und das sage ich Ihnen jetzt persönlich. Ich habe Ihre (Hamas-) Verfassung gelesen und war zutiefst schockiert. Ich habe einen solchen abscheulichen Text, strotzend von Antisemitismus, Rassismus und Gewalt, noch nicht gelesen. Und ich möchte jetzt von Ihnen wissen, wie Sie das unterschreiben können und das Programm der Einheitsregierung, wenn Sie doch darauf verpflichtet sind.’ Doch Hanija antwortete nicht. [...] Beim Treffen mit Nichtregierungsorganisationen erlaubte sich Voggenhuber einen weiteren Tabubruch: ‚Ich wollte über Ihren Beitrag zum Frieden reden. Da hätte ich ein Problem, nämlich die Anerkennung Israels.’ Nachdem die Delegation erfror und unter den Palästinensern Geschrei ausbrach, habe einer lediglich gesagt: ‚There is no need for this’ – das sei doch unnötig.“
Der Standard hingegen druckte am 3. Mai diese APA-Meldung:
„Die beiden österreichischen Europaabgeordneten Johannes Voggenhuber (Grüne) und Hannes Swoboda (SP) haben einen Besuch beim palästinensischen Ministerpräsidenten Ismail Hanija und anderen Hamas-Regierungsvertretern im Rahmen einer EU-Parlamentarierdelegation verteidigt. Beide Abgeordneten forderten am Mittwoch die volle Anerkennung der palästinensischen Einheitsregierung, der neben Hamas auch Fatah und Unabhängige angehören. ‚Wir haben den internationalen Boykott durchbrochen und mit Hamas-Mitgliedern gesprochen’, sagte Voggenhuber. Dies sei ‚ein kühner Schritt’ gewesen, vor dem er selbst Bedenken gehabt habe. Die Delegation sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die palästinensische Einheitsregierung ‚einen gewaltigen Schritt vorwärts’ darstelle, dass sie die von der internationalen Gemeinschaft gestellten Bedingungen erfülle und dass es keinen Grund mehr für eine Blockade gebe.“
Da ich zwischen diesen beiden fast gleichzeitigen Erklärungen einen gewissen Widerspruch entdeckte, bat ich Voggenhuber sofort um eine Erklärung. Am 8. Mai um 12.49 Uhr erhielt ich folgende E-Mail:
„Lieber Herr Pfeifer,
ich habe Johannes Voggenhuber telefonisch über den Inhalt unseres Gesprächs benachrichtigt und er hat mir mitgeteilt, dass er Ihnen nach seiner Berlin-Reise (Rückkehr in zwei Tagen) gerne antworten wird.
Somit verbleibe ich mit freundlichen Grüßen,
Jakob Redl, EU-Büro
Grüner Klub im Parlament“

Zwölf Tage später ist die Antwort noch immer nicht eingetroffen.

Früher hat Johannes Voggenhuber österreichische Politiker, die auf Kritik nicht reagieren und alles aussitzen, stets heftig kritisiert. Doch siehe da: Er verhält sich genauso wie die von ihm Kritisierten. Voggenhuber ist ein intelligenter Mann; in Israel hat er aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht und klare Worte zur Hamas gefunden. In Wien aber tritt er dafür ein, die von Hanija angeführte „Regierung“ anzuerkennen. Als ob der Terror, die Anarchie und der von der Hamas gepredigte Vernichtungsantisemitismus abgeschwächt würden oder gar verschwänden, wenn die EU diese Gotteskriegerpartei bedingungslos anerkennte, wie das der grüne Euro-Parlamentarier als „kühnen Schritt“ vorschlägt.

Es bleibt abzuwarten, ob diese Art von Politik die Billigung der Grünen erfährt. Ein weiteres Schweigen der Partei in dieser Sache kann als Zustimmung interpretiert werden.