20.4.07

Freedom of Speech

Schon mal von Alan Johnston gehört? Genau, das ist der BBC-Journalist, der als letzter westlicher Medienvertreter im Gazastreifen geblieben war und am 12. März entführt wurde. Bis heute ist er nicht wieder aufgetaucht. Wer diesmal für das Kidnapping verantwortlich war, darüber wird eifrig gerätselt; angesichts der zahl- und oft namenlosen Rackets, die in den palästinensischen Gebieten vollkommen unbehelligt zu Werke gehen und regelmäßig ausländische Medienvertreter und Mitarbeiter internationaler Organisationen verschleppen, gab es bislang allenfalls Mutmaßungen. Dann meldete sich die islamistische Tawhid wa-Djihad (Einigung und heiliger Krieg) und behauptete, Johnston ermordet zu haben: Weil ihre Forderung nach Freilassung von gefangenen Palästinensern aus israelischer Haft nicht erfüllt worden sei, hätten sie mit der Ermordung Johnstons „dem Westen eine blutgetränkte Nachricht“ senden wollen . Die Aufregung bei den Palästinensern ist groß, denn der Reporter „hat unsere Probleme in die Welt getragen. Er war einer von uns“, wie es die Fatah ausdrückt. Beeindruckt hat das seine Entführer ganz offensichtlich nicht.

Was tut man da als britische National Union of Journalists (NUJ) – die nach eigener Einschätzung „zu den größten und etabliertesten Journalistenvereinigungen der Welt mit 35.000 Mitgliedern“ zählt und soeben ihren hundertsten Geburtstag gefeiert hat –, wenn ein Kollege einfach so von der Bildfläche verschwindet? Logisch: Man protestiert. Aber nicht gegen die Zustände im Gazastreifen und den anderen palästinensischen Regionen, die dazu führen, dass Presseleute als Geiseln genommen werden. Nicht gegen Selbstmordattentate und Raketenangriffe. Und nicht gegen die Palästinensische Autonomiebehörde, die Teil des Problems und nicht Teil der Lösung ist. Sondern – mit heiligem Ernst – gegen Israel: Auf ihrer Jahreshauptversammlung in Birmingham, die am vergangenen Wochenende stattfand, verabschiedete die NUJ zwei Anträge, mit denen der jüdische Staat „für seinen grausamen, geplanten Angriff auf den Libanon“ und „das Schlachten von palästinensischen Zivilisten durch seine Truppen“ verurteilt sowie der Boykott seiner Waren gefordert wurde – „angeführt von den Gewerkschaften und dem Trades Union Congress (TUC), um Sanktionen gegen Israel herbeizuführen, die von der britischen Regierung und den Vereinten Nationen getragen werden“. Man müsse handeln wie „beim Kampf gegen das Südafrika der Apartheid“.

Nicht nur die britische Autorin und Kolumnistin Melanie Phillips rang anschließend um Fassung: „Es ist schon bemerkenswert, wenn sich eine Körperschaft von Journalisten nicht dazu entschließt, Strafmaßnahmen als Ausdruck des Protests gegen die Entführung und mögliche Ermordung eines der Ihren zu ergreifen – weil dieser der Gefangene von Terroristen ist, die von der Vereinigung aus ideologischen Gründen unterstützt werden –, sondern stattdessen Sanktionen gegen die Nation beschließt, die das erste und ständige Opfer dieser Terroristen ist, aber von der Journalistenorganisation diffamiert wird, bloß weil es sich verteidigt.“ Auch Toby Harnden, Korrespondent des Daily Telegraph in Washington und NUJ-Mitglied, war außer sich: „Eine Vereinigung, die für bessere Bezahlung und bessere Bedingungen kämpft, ist das eine. Aber warum sollten meine Beiträge für ein antiisraelisches Gehabe verwendet werden, an dem ich wie viele andere Mitglieder nicht teilhaben will?“ Die Anträge seien „tendenziöse und politisch aufgeladene Propaganda, die eine Zeitung mit Anspruch auf Fairness sofort aus jedwedem Artikel streichen würde“, gleichwohl jedoch symptomatisch für „die kindische Fixierung auf modisch-linke Sachen“: Auch eine Verurteilung der USA wegen Guantánamo und eine Entschließung, die die venezolanische Regierung und ihren Präsidenten feiert, durften auf der Tagesordnung der NUJ nicht fehlen.

Die Proteste gegen ihre antiisraelischen Beschlüsse bewirkten eine schriftliche Rechtfertigung der National Union of Journalists – und die steigerte das Ganze noch weiter ins Absurde: „Der Boykottaufruf bezog sich teilweise auf die Entführung von Alan Johnston. Die palästinensische Journalistenvereinigung hat der Kampagne für seine Freilassung große Unterstützung angedeihen lassen – durch Demonstrationen und Streiks gegen die Palästinensische Autonomiebehörde, damit diese mehr unternimmt. Wir arbeiten über die ‚International Federation of Journalists’ eng mit der palästinensischen Vereinigung zusammen, und der Boykott war eine Geste der Unterstützung an das palästinensische Volk – besonders an diejenigen, die unter der Belagerung von Gaza leiden, eine Gemeinschaft, der Alan Johnston durch seine Berichte unbedingt helfen wollte.“ Die Logik ist fürwahr bestechend: Palästinenser kidnappen einen britischen Reporter, obwohl der sich treu bis in den Tod mit ihrem mörderischen Antizionismus gemein macht – und der wichtigste Berufsverband bedenkt diese Aktion mit einem Boykottaufruf gegen Israel, als Zückerchen für die palästinensischen Kollegen gewissermaßen. Anschließend verkündet eine Terrorgruppe die Exekution des Vermissten – das ist das Sahnehäubchen. Sollte Johnston aber doch noch leben – wie ganz aktuell vermutet wird – und wieder freikommen, wird die NUJ wahrscheinlich die Verhandlungsbereitschaft der Palästinenser rühmen. So etwas nennt man dann wohl eine Win-win-Situation.

Wie man selbst diesen haarsträubenden Unsinn noch toppen kann, demonstriert der frühere BBC- und ITN-Korrespondent Alan Hart auf seinem Weblog „für Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden“: Er macht gleich und ohne viel Federlesens Israel für die Entführung verantwortlich; schließlich sei der jüdische Staat „die Partei, die am meisten davon hat, dass Alan Johnson dauerhaft verschwindet. Es wäre nicht das erste Mal, dass israelische Agenten sich als Araber verkleiden, um einen Volltreffer zu landen“. Die Welt als Wille und Vorstellung. Aber das ist nichts Ungewöhnliches für einen, der in einem zweibändigen Werk den Zionismus als „wahren Feind der Juden“ vorstellt. Und zudem, bei Lichte betrachtet, die zwingende Konsequenz aus den Verlautbarungen der NUJ, die sich zweifellos als Ausdruck und Verteidigung der Freedom of Speech verstehen und diese Freiheit dabei zum Recht degradieren, ungestraft das blanke Ressentiment pflegen zu dürfen.

Großbritannien erweist sich immer mehr als eine der treibenden Kräfte beim Schulterschluss mit denen, die Israel nichts als Tod und Verderben wünschen. Der antisemitische Boykottaufruf der Journalisten ist nicht der erste seiner Art; vor knapp einem Jahr hatte bereits die Hochschullehrervereinigung Natfhe einen Antrag angenommen, in dem der jüdische Staat der Apartheid bezichtigt und Konsequenzen eingefordert wurden: „Die Konferenz [der Natfhe] lädt die Mitglieder ein, bei Kontakten mit israelischen Bildungseinrichtungen oder Individuen ihre eigene Verantwortung für Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu bedenken und zu berücksichtigen, dass ein Boykott derer, die sich nicht öffentlich von derlei Politik distanzieren, angemessen ist.“ Zusätzlich und zur Abwechslung, aber stets im Sinne der nämlichen „Verantwortung für Gleichheit und Nichtsdiskriminierung“ wird auch schon mal ein Referent wieder ausgeladen, wenn er den Friedenswillen der Religion of Peace in Zweifel zieht. Dies alles hat mit Appeasement oder einer Kapitulation übrigens nichts zu tun: Es ist die offene Kollaboration mit den Feinden Israels zum Zwecke der Zerstörung des jüdischen Staates.

Übersetzungen: Lizas Welt – Hattip: Sebastian