28.5.07

Narrative Narretei

Eines der Hätschelkinder der Postmodernen und ihrer ungezählten Adepten ist zweifellos der Diskurs. Alles soll verhandelbar und nur eine Frage des Standpunktes, der Perspektive sein; es geht nicht mehr um Wahrheiten, sondern nur noch um prinzipiell gleichrangige Befindlichkeiten. Zwischen diesen richtet man es sich dann in vermeintlicher Äquidistanz zu allen Beteiligten ein. Und das hat weit reichende Folgen, wie nicht zuletzt allerlei öffentlich und nichtöffentlich geäußerte Statements zum so genannten Nahostkonflikt anschaulich zeigen: Dieser bestehe nämlich schlicht aus verschiedenen Narrativen, die sämtlich ihre Berechtigung hätten. Und das läuft mit notwendiger Konsequenz auf die Schlussfolgerung hinaus: Was den einen der Holocaust, ist den anderen nun mal die Nakba, die angebliche Katastrophe, die Israel mit und nach seiner Staatsgründung über die Palästinenser gebracht habe. Wer will da schon Unterschiede sehen?

Der Staat der Holocaust-Überlebenden wird also faktisch mit dem nationalsozialistischen Deutschland gleichgesetzt, und nicht zuletzt das ist ein wesentliches Ansinnen auch der palästinensischen Nakba-Rituale. Es ist ein Mittel zum Zweck. Denn ist die Vernichtung der europäischen Juden einmal ihrer Beispiellosigkeit beraubt, können die Opfer leichter zu Tätern deklariert werden, die nun ihrerseits Opfer produzieren. Soll heißen: Die Juden haben aus ihrer Geschichte nichts gelernt, und mehr noch – sie treiben es viel schlimmer als ihre früheren Peiniger. Dass nichts daran wahr ist, ist das eine. Aber die historische Situation stellt sich noch ganz anders dar: „Ohne Ablehnung des UN-Teilungsplans keine Nakba. Ohne Kriegserklärung an Israel keine Nakba. Alle Probleme der Palästinenser heute sind aus ihrem Wunsch, auf Biegen und Brechen den jüdischen Staat zu bekämpfen, zu erklären“, benannte die Betreiberin des Weblogs Letters from Rungholt die entscheidenden Zusammenhänge. Claudio Casula stellte auf Spirit of Entebbe ebenfalls eine „hausgemachte Katastrophe“ fest und befand, es stehe zu vermuten, dass die Palästinenser es „auch diesmal versäumen, die Umstände der ‚Nakba’ wenigstens im Jahr 59 danach einigermaßen nüchtern zu analysieren“ und „darüber nachzudenken, warum es den Palästinensern in Israel deutlich besser geht als denen im Libanon oder denen, die vor mehr als einem Jahrzehnt ihre Selbstverwaltung erlangten und sie gründlich ruinierten“.

Auch Alan Dershowitz bekräftigte: „Die ‚Nakba’ war eine Katastrophe, aber eine selbstverschuldete.“ Der Angriff auf Israel unmittelbar nach dessen Gründung habe die Verteidigung des neuen jüdischen Staates notwendig gemacht; infolgedessen „verließen 700.000 Palästinenser ihre Häuser, einige freiwillig, einige auf Druck der palästinensischen Führer und einige durch den Zwang des israelischen Militärs.“ Doch „keiner dieser Menschen hätte Israel verlassen müssen, wenn die Palästinenser und andere Araber willens gewesen wären, die Zweistaatenlösung zu akzeptieren“, die von den Vereinten Nationen 1947/48 ersonnen und von Israel anerkannt worden war. „Die Deutschen begehen die Katastrophe nicht, die aus ihrer Invasion in Polen resultierte. Die Japaner begehen ihre Katastrophe nicht, die aus der Bombardierung von Pearl Harbour resultierte. Warum begehen die Palästinenser ihre Katastrophe, die aus dem arabischen Angriff auf Israel resultiert?“, fragte Dershowitz schließlich und stellte mit diesem Vergleich darauf ab, dass letztere die einzigen sind, bei denen es noch nicht einmal eine sachte Tendenz zu der Einsicht gibt, einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen zu haben, der Folgen hatte.

Der Nakba-Tag, Anlass für Dershowitz’ Beitrag, trug sich zwar bereits Mitte Mai zu, aber aus vielerlei Gründen und nicht zuletzt angesichts des deutschen Blicks auf den wiederholten Beschuss Israels durch Kassam-Raketen und die darauf folgenden Verteidigungsmaßnahmen des jüdischen Staates behält seine Kritik des palästinensischen Geschichtsverständnisses ihre Aktualität. Lizas Welt hat sie ins Deutsche übersetzt.


Alan Dershowitz

Tag der Katastrophe?


Weblog der Jerusalem Post, 17. Mai 2007

Ich komme gerade von einem Besuch verschiedener Universitäten zurück, an denen ich über den israelisch-palästinensischen Konflikt sprach. An diesen und an anderen Hochschulen gedenken antiisraelische Studenten der palästinensischen Nakba. Sie nennen dies Tag der Katastrophe; an ihm seien die Palästinenser ihrer Heimat beraubt und zu Flüchtlingen aus ihren Geburtsorten gemacht worden. Sie vergleichen ihre Katastrophe mit dem Holocaust. Vielleicht aus Gründen der Rücksichtnahme auf das Leiden der Palästinenser antworten proisraelische Studenten üblicherweise nicht darauf. So entsteht der Eindruck einer allgemeinen Zustimmung zu der Ansicht, dass es tatsächlich eine Katastrophe war, was Israel 1948 über die Palästinenser brachte. Die Zeit ist gekommen, auf diese Ente zu antworten und sie in ihren historischen Kontext einzuordnen.

Die Nakba war eine Katastrophe, aber eine selbstverschuldete. Denn sie war eine direkte Folge der Weigerung palästinensischer und arabischer Führer, die Zweistaatenlösung zu akzeptieren, die von den Vereinten Nationen 1947/48 angeboten wurde. Was von Palästina übrig blieb, nachdem Transjordanien herausgeschnitzt worden war, teilte die Uno in zwei Staaten von annähernd gleicher Größe auf. (Die Israelis bekamen die etwas größere Fläche zugesprochen, die Palästinenser dafür jedoch deutlich mehr Ackerland.) Israel sollte die Gebiete kontrollieren, in denen Juden die Mehrheit bildeten, während die Palästinenser die Territorien überwachen sollten, in denen überwiegend Araber lebten. Israel akzeptierte die Teilung und rief seine Staatsgründung aus. Die Palästinenser jedoch lehnten die Staatlichkeit ab und griffen Israel mit der Hilfe aller umliegenden arabischen Staaten an.

Während der Verteidigung ihres neuen Staates verlor Israel ein Prozent seiner Bevölkerung (das heißt, von einhundert Israelis wurde einer getötet). Im darauf folgenden Krieg – den Israels Feinde zu einem genozidalen erklärten – verließen 700.000 Palästinenser ihre Häuser, einige freiwillig, einige auf Druck der palästinensischen Führer und einige durch den Zwang des israelischen Militärs. Keiner dieser Menschen hätte Israel verlassen müssen, wenn die Palästinenser und andere Araber willens gewesen wären, die Zweistaatenlösung zu akzeptieren. Die Katastrophe war tatsächlich allseitig, aber sie wurde durch die Palästinenser und Araber verursacht.

In der Zeit nach dem Krieg besetzte Jordanien die Westbank und Ägypten den Gazastreifen. Die Uno verurteilte diese Eroberungen nicht, obwohl sie brutal waren und die palästinensische Autonomie und Souveränität außer Kraft setzten. Erst als Israel diese Gebiete im Zuge eines Verteidigungskrieges gegen Ägypten und Jordanien besetzte, wurde das zum Quell internationaler Betroffenheit. Das ist die Realität. Das ist die historische Wahrheit. Und die Welt sollte verstehen, dass diese spezifische Katastrophe, die von anderen dem Holocaust gleichgestellt wird, leicht hätte verhindert werden können, wenn die Palästinenser einen eigenen Staat mehr gewollt hätten als die Zerstörung des jüdischen Staates.

Die Deutschen begehen die Katastrophe nicht, die aus ihrer Invasion in Polen resultierte. Die Japaner begehen ihre Katastrophe nicht, die aus der Bombardierung von Pearl Harbour resultierte. Warum begehen die Palästinenser ihre Katastrophe, die aus dem arabischen Angriff auf Israel resultiert?

Fotos: Lizas Welt – Hattips: Gesine & barbarashm