27.2.06

Neues aus Entenhausen

Gerhard Wisnewski ist ein investigativer Mann. Vor kurzem hat er herausgefunden, dass die erste Mondlandung 1969 bloß ein Fake war, und für den Druck dieser geistigen Minigolferei hat sich sogar ein größerer deutscher Verlag hergegeben, dessen Kalkül gleichzeitig eine Bankrotterklärung ist: Zu glauben, als ansonsten nicht völlig unseriöses Publikationshaus eine uralte und miserabel recycelte Verschwörungstheorie zum Bestseller machen zu können, setzt mindestens eine wohl begründete Annahme über den zu erwartenden Konsumentenkreis voraus, wenn nicht gar eine fundierte Marktanalyse. Das ist niederschmetternd, weil die Rechnung aufgehen dürfte. Wisnewski war nach seinem WDR-Rauswurf stark angeschlagen, bis ihm Droemer-Knaur wieder auf die Beine half.

Es ist ein zentrales Merkmal manischer Allmachtsfantasten wie Wisnewski, sich selbst als Sprachrohr einer unterdrückten Minderheit zu sehen, die angeblich das nicht sagen darf, was längst schon mehr als nur geraunt wird. Dabei können die Prominentesten dieser Lautsprecher passabel von ihrer abstrusen Weltanschauung, die allenthalben sinistre Konspirationen abgrundtief bösartiger Finsterlinge entlarvt, leben: Die angeblichen Komplotte, die sie aufzudecken glauben, sind ihre eigene Existenzgrundlage, und daher wird so ziemlich jede neue Katastrophe, jede imperialistische Schweinerei geschäftsfähig gemacht. Dieser Mechanismus ist somit exakt der, den die Verschwörungstheoretiker ihren Objekten stets vorwerfen. Wenn nicht noch ganz andere Im- und Explikationen solcherlei Dummheiten weitaus gewichtiger wären – wie etwa die projektive Energie derartiger Denunziationen und Personalisierungen –, ginge diese Feststellung bereits als hinreichender Grund dafür durch, seinen Buchhändler für den Verkauf von solch antiamerikanischem und antisemitischem Schund zu schelten.

Doch das Business mit vermeintlichen oder tatsächlichen Skandalen gedeiht umso besser, je undurchschaubarer und Furcht erregender sie zu sein scheinen. Es dauerte daher nicht lange, bis Wisnewski & Co. auch die Furcht vor der Vogelgrippe noch gezielt zu befeuern wussten. Dabei gilt es – wie stets –, die Frage cui bono? dahin gehend zu beantworten, dass es für die geflügelte Pestilenz einen wahren Schuldigen geben müsse: Das Böse braucht Namen und Anschrift, damit der Volkszorn weiß, wo und an wem er sich auszuagieren hat. Zuvor müssen jedoch Nutznießer und Profiteure benannt werden, und Gerhard Wisnewski tut dies auf seiner Website auch:
„Das, was Medien und Politik in Sachen Vogelgrippe in und um Rügen herum veranstalten, darf man wohl getrost als groben Unfug bezeichnen, wenn nicht schlimmeres. Dasselbe gilt für die Bundesregierung, die Abermillionen Euro für fragwürdige Grippemedikamente hinauswirft, an denen Leute wie Donald Rumsfeld verdienen.“
Alsdann suche man sich einen mehr oder minder prominenten Mitstreiter oder doch wenigstens Kronzeugen. In Bezug auf die Tamiflu kommt der beim Wisnewski bisher allerdings bloß aus der zweiten oder gar dritten Reihe. Es handelt sich um den SPD-Gesundheitsexperten Wolfgang Wodarg, einen Hinterbänkler, der jedoch mehr als nur ahnt, in wessen Interesse das Virus ist:
„Wodarg vermutet im Hintergrund Machenschaften bei Pharma-Unternehmen, um am Verkauf patentgeschützter Mittel zu verdienen. Man müsse sehr genau Prüfen, ob hier aus wirtschaftlichen Gründen bewusst Panik geschürt werde und ob in die Vorgänge auch Politiker verstrickt seien: ‚Wenn es so ist, dass hier wirtschaftliche Interessen planmäßig dafür sorgen, dass Panik entsteht und dass hier Geld fließt, dann ist das ein Skandal sondergleichen.’ Gleichzeitig forderte der Gesundheitsexperte, den Einsatz von Forschungsgeldern künftig sehr genau zu prüfen: ‚Ich hoffe, dass nicht diejenigen, die jetzt am lautesten schreien, jetzt große Institute bekommen, die man nachher nicht braucht.’ Es müsse in Ruhe diskutiert werden, wie die Gelder eingesetzt werden und was sinnvoll sei.“
So vermeldete es das Deutschlandradio, und so sieht es auch der Promoter des Sozialdemokraten. Wisnewski ist allerdings schon einen ganzen Schritt weiter und hat inzwischen herausgefunden, wer die Seuche eingeschleppt hat:
„Die Hinweise verdichten sich, dass das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems der Ausgangspunkt der Vogelgrippe-‚Epidemie’ auf Rügen gewesen sein könnte. Weitere Hinweise deuten darauf hin, dass es sich bei der angeblichen ‚Vogelgrippe- Epidemie’ in Deutschland um eine gezielte Inszenierung handelt.“
Konspirationstheoretiker haben stets nur vorgebliche Indizien für die Stimmigkeit ihrer Weltsicht anzubieten, bloß Hinweise, die sich verdichten oder auf etwas hindeuten. Im Falle des Friedrich-Loeffler-Instituts (FLI) – einer Einrichtung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz mit Hauptsitz auf der Insel Riems bei Greifswald, die unter anderem mit der Untersuchung von Vogelgrippen-Verdachtsfällen befasst ist – sucht Wisnewski seine Verdächtigungen zusätzlich durch die Berufung auf den bis dato nicht weiter aufgefallenen Zentralverband europäischer Laufentenhalter (ZEL) zu untermauern, der sich „als eigenständige Interessenvertretung für die Halter indischer Laufenten und ihrer Schützlinge“ versteht und für den sein Lieblingstier sozusagen der Arier unter den gefiederten Freunden ist: „Die steil aufrechte Körperhaltung gilt als hochvererbbares Rassemerkmal. [...] Laufenten sind gut zu Fuß und brauchen einen großen Auslauf.“

Diese 255 Mitglieder umfassende Edelfedernlobby – deren erste Vorsitzende passender Weise auch noch auf den Namen Alexandra Vogel-Reich hört – hat nun in Wisnewski einen neuen Anhänger gefunden, weil sie ungefähr so umtriebig ist wie ihre Schutzbefohlenen, sich daher „etwas näher mit den Meeresströmungen zwischen den Inseln Riems und Rügen“ befasst und festgestellt hat, dass diese „von dem Seucheninstitut auf Riems aus südwestlich an Rügen vorbei direkt zu den Fundorten der infizierten Vögel bei Ummanz und Bug auf Rügen führen“. Das brisante und von aufwändigen Grafiken begleitete Fazit des Entenvereins lautet also:
„Es ist extrem auffällig, dass diese dokumentierten Fundorte in unmittelbarer Nähe des FLI und davon ausgehend in Nordrichtung mit der dort vorherrschenden leichten Meeresströmung an der Westküste Rügens entlang liegen.“
Nichts Genaues weiß man zwar nicht, aber man wird ja wohl noch Fragen formulieren und Vermutungen anstellen dürfen, zumal, wenn es um die Volksgesundheit geht, die von der Pharmaindustrie und einem Bundesinstitut samt exterritorialer Profiteure absichtsvoll in Gefahr gebracht werde. Von dort aus ist der Sprung dann nicht mehr weit zu jenen, von denen man schon immer wusste, dass sie professionelle Brunnenvergifter sind. Man könnte diese Panikmache mit kranken Vögeln als Hitchcock für Arme belächeln oder sie bei Micky Maus und dem Kommissar Hunter am besten aufgehoben wähnen, die die Machenschaften des stinkreichen Onkel Dagobert mal so richtig durchleuchten mögen – wenn solcherlei Wahnvorstellungen nicht einen veritablen Resonanzboden hätten. So mutiert die Unsicherheit der Wissenschaft bei der Klärung der Frage, wie das H5N1-Virus nach Deutschland gekommen ist und welche Schritte gegen es wirksam sind, zum Ausdruck eines geheimen Plans der Schönen, Reichen und Mächtigen dieser Welt, die den ungeliebten Pöbel mittels einer bewusst herbeigeführten Pandemie auszudünnen trachten. Konsequenter Weise lautet denn auch Wisnewskis Rat: „Lassen Sie sich besser mal nicht ‚gegen’ die Vogelgrippe infizieren bzw. ‚impfen’.“

Mag sein, dass Sie das tatsächlich nicht gegen die Seuche immun macht – man forscht ja auch noch nach einem geeigneten Gegenmittel. Aber ein kleiner Trost bliebe Ihnen immerhin: Wisnewski & Friends sind definitiv unheilbar. Deren Dummheit nämlich lässt sich, wie schon der Kindermund weiß, auch nicht mit Pillen aus der Welt schaffen, sondern höchstens ein- respektive ausgrenzen. Allerdings nicht durch Aufstallung, sondern – günstigstenfalls – durch Aufklärung.