8.5.06

Aufruf der Elf

Hierzulande ist man bekanntlich der Ansicht, dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedjad im Falle eines Deutschland-Trips während der Fußball-Weltmeisterschaft ein „guter Gastgeber“ (Bundesinnenminister Schäuble) sein oder ihn doch wenigstens schützen zu sollen, „damit ihm nichts passiert“ (Bayerns Innenminister Beckstein). Nachdem bereits das Simon Wiesenthal Center einen Aufruf an den Weltfußballverband FIFA ins Leben gerufen hat, einen Besuch des Holocaustleugners bei einem der prestigeträchtigsten Sportereignisse überhaupt zu unterbinden, gibt es nun auch einen deutschsprachigen Appell, nämlich den Aufruf der Elf. Mit ihm soll erwirkt werden, „dass der Staatspräsident der Islamischen Republik Iran Mahmud Ahmadinedjad ein Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland erhält und gegen ihn ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung und Leugnung nationalsozialistischer Straftaten eingeleitet wird.“ Lizas Welt dokumentiert die Initiative in voller Länge.


Einreiseverbot für Mahmud Ahmadinedjad!

Vom 9. Juni bis zum 9. Juli 2006 findet in Deutschland die Fußball-Weltmeisterschaft statt. Für sie ist auch der Iran qualifiziert, und selbst internationale Proteste werden aller Voraussicht nach nicht zu seinem Ausschluss führen, weil der Weltfußballverband FIFA der Ansicht ist, Sport und Politik trennen zu müssen.

Die WM ist jedoch nicht nur ein sportliches, sondern auch ein politisches Ereignis. Fußballspieler, Trainer und Funktionäre werden als Vertreter und Repräsentanten ihres Landes verstanden, was sich nicht zuletzt durch Nationalhymnen und Landesflaggen ausdrückt.

Wir, die Unterzeichner/innen – Schriftsteller/innen, Journalist/innen, Intellektuelle – finden bereits die Vorstellung unerträglich, dass dem Iran die Beteiligung an der Fußball-WM gestattet wurde. Noch unerträglicher fänden wir es allerdings, wenn der Staatspräsident des Iran Mahmud Ahmadinedjad – der nicht nur den Holocaust und das Existenzrecht Israels leugnet, sondern ausdrücklich zu Völkermord und Vernichtungskrieg gegen Israel aufruft – seine Ankündigung in die Tat umsetzen könnte, die iranische Nationalmannschaft in Deutschland zu besuchen. Verschiedenen deutschen Politikern wäre er ein willkommener Gast. Damit würde die Teilnahme der iranischen Mannschaft am WM-Turnier aber erst recht zum Politikum.

1936 kam die Welt zu den Olympischen Spielen nach Berlin, in die Hauptstadt Nazi-Deutschlands. Heute fragen sich viele: Wie konnte das geschehen? Hatte niemand die Zeichen an der Wand gesehen? Nun verspricht der iranische Präsident einen neuen Anlauf zur Judenvernichtung – diesmal im Nahen Osten. In 70 Jahren werden sich viele erneut fragen: Hat denn niemand die Zeichen an der Wand gesehen? So wird in Deutschland die Vergangenheit bewältigt, während für die Gegenwart das Motto gilt: Seien wir gute Gastgeber.

Es ist völlig inakzeptabel, dass ein UN-Mitgliedstaat einem anderen die Existenzberechtigung abspricht. Wir werden nicht tatenlos zusehen, wenn der jüdische Staat, dessen Gründung 1948 ein Mehrheitsbeschluss der UNO vorausging, bedroht wird. Wir fühlen uns im Gegenteil verpflichtet, alles zu tun, damit Auschwitz sich in keiner Form wiederholt.

1994 wurde die Leugnung des Holocaust als eigenständiger Straftatbestand in § 130 des deutschen Strafgesetzbuchs aufgenommen: „Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“ Die wiederholten Aussagen des iranischen Präsidenten fallen unzweifelhaft unter diesen Paragraphen.

Verhindern wir die Einreise des Holocaustleugners Ahmadinedjad!

Wir, die Unterzeichner/innen, rufen daher alle Politiker auf, dafür Sorge zu tragen, dass der Staatspräsident der Islamischen Republik Iran Mahmud Ahmadinedjad ein Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland erhält und gegen ihn ein Strafverfahren wegen Volksverhetzung und Leugnung nationalsozialistischer Straftaten eingeleitet wird.

Diplomatische Beziehungen zum Iran dürfen nicht dazu führen, Äußerungen wie die von Mahmud Ahmadinedjad – einem Volksverhetzer, Geschichtsleugner und potenziellen Aggressor – ohne Sanktionen hinzunehmen. Wer den Holocaust bestreitet oder bagatellisiert, darf sich nicht auf diplomatische Immunität berufen. Auch eine mögliche Gefährdung der deutsch-iranischen Wirtschaftsbeziehungen darf kein Vorwand sein für die Duldung einer inakzeptablen Verletzung von völkerrechtlichen Prinzipien.

Auf dem Spielfeld der Diplomatie gelten Regeln. Politische wie wirtschaftliche Boykottmaßnahmen bis hin zu Einreiseverboten für Politiker sind legitime Sanktionen der internationalen Gemeinschaft gegenüber Staaten und Einzelpersonen, die elementare Prinzipien des internationalen Zusammenlebens fortgesetzt verletzen – so wird aktuell das Einreiseverbot der EU für den weißrussischen Diktator Lukaschenko betrieben. Wir fragen uns, warum die EU nichts gegen den Iran unternimmt – nach 27 Jahren der Menschenrechtsverletzungen, des offenen Terrors und der öffentlichen Hinrichtungen, nach 27 Jahren der Plünderung von Ressourcen und Reserven bei gleichzeitiger Armut der Bevölkerung in diesem Land, nach 27 Jahren fortgesetzter Drohungen gegen Israel.

Erstunterzeichnerinnen und -unterzeichner:

Nasrin Amirsedghi, Publizistin, Mainz
Seyran Ates, Rechtsanwältin, Berlin
Henryk M. Broder, Autor Der Spiegel, Berlin
Dr. Gudrun Eussner, Journalistin, Perpignan
Prof. Aramesh Dustdar, Philosoph, Köln
Morten Friese, Journalist, Köln
Dr. Ralph Giordano, Publizist, Köln
Sabine Hain-Davis, Buchhändlerin, Mainz
Wolfgang M. Nossen, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde, Erfurt
Dr. Hans-Peter Raddatz, Orientalist, München
Elke Redlich-Gilliotte, TV-Journalistin, Wiesbaden

Der Aufruf kann unter Angabe des Namens, des Beruf bzw. der Funktion und der Adresse per E-Mail unterzeichnet werden; eine Übersicht über alle Unterstützer des Appells findet sich auf der Seite der Iranian Women’s Network Association (SHABAKEH). Dort gibt es auch weitere Informationen für Unterzeichner des Aufrufs der Elf – inklusive einer Bankverbindung für dringend benötigte Spenden – sowie das Schreiben des Rechtsanwalts Manfred Kost an den Bundesinnenminister mit der Aufforderung, ein Einreiseverbot gegen Ahmadinedjad zu verfügen.


Update 18. Mai 2006: Den Aufruf gibt es nun auch auf Englisch.

Appeal of the eleven
Prohibition of entry for Mahmud Ahmadinedjad!

From 9th of June till 9th of July 2006 the Soccer World Cup takes part in Germany. For it the Iran is qualified too and even international protests will, in all probability, not lead to an exclusion, because the international football association FIFA takes the view that sports and politics have to be separated.

However, the World Cup is not only a sportive event but also a political event. Football players, trainers and functionaries are understood as delegates and representatives of their country, what not at last is conveyed through national anthems and country flags.

We, the signers – authors, journalists, intellectuals – already consider the imagination of admitting the Iran the participation in the Soccer World Cup beyond all bearing. More unbearable indeed we would find it, if the president of the Iran Mahmud Ahmadinedjad – who not only denies the Holocaust and the right to exist of Israel, but appeals explicitly to genocide and war of extermination against Israel – could implement his announcement to visit the Iranian national team in Germany. For different German politicians he would be a welcome guest. Therewith the participation of the Iranian team in the World Cup Competition a fortiori would become a political issue.

In 1936 the world came to Berlin for the Olympic Games, to the capital of Nazi Germany. Today many people ask themselves: How could that happen? Did nobody see the marks on the wall? Now the Iranian president promises a new start for the extermination of the Jews – this time in the Middle East. Seventy years from now, many will ask themselves again: How could it happen that nobody saw the marks on the wall? So the past is coped in Germany, while for the present the motto is valid: Be good hosts.

It is totally beyond the pale that a UN- member state deprives an other of his right to exist. We will not take it lying down, if the Jewish state, which foundation in 1948 preceded a majority decision of the UNO, is assaulted. Quite the opposite, we consider ourselves obliged to do everything that Auschwitz is not repeated in no way.

In 1994 the Holocaust denial was recorded in § 130 of the German Penal Code as an autonomous criminal offence: “With term of imprisonment till five years is punished, who in public or in a conference acknowledges, denies or belittles an act committed under the regimen of the National Socialism, that is suited to disturb the public peace.“ The repeated statements of the Iranian president come within these paragraphs.

Avert the entry of the Holocaust denier Ahmadinedjad!

We, the signers, call all the politicians to prevent that the president of the Islamic Republic Iran, Mahmud Ahmadinedjad, gets the permission of entry for the Federal Republic of Germany and that there is initiated a criminal procedure in consequence of incitement of the people and denial of criminal national socialistic offences.

Diplomatic relations to the Iran must not lead to accept statements as those from Mahmud Ahmadinedjad – a demagogue, history denier and potential aggressor – without sanctions. Who denies or minimize the Holocaust is not allowed to invoke to diplomatic immunity. Also a possible danger of the german-iranian economic relations may not be a pretence for the tolerance of an inacceptable injury of the principles of the law of nations.

On the playground of diplomacy common rules are valid. Political and economical sanctions of boycott culminating in prohibitions of entry for politicians are legitimate sanctions of the International community towards states and individuals, who injure continuously fundamental principles of the international cohabitation – that’s the way how currently the prohibition of entry of the EU for the white-russian dictator Lukaschenko is operated. We ask ourselves why the EU undertakes nothing against the Iran – after 27 years of violation of human rights, of outspoken terror, of public executions, after 27 years of despoilment of resources and reserves with simultaneous poverty of the population in this country, after 27 years of continued threats against Israel.

Firstsigners:

Nasrin Amirsedghi, publicist, Mainz
Seyran Ates, lawyer, Berlin
Henryk M. Broder, author „Der Spiegel“, Berlin
Dr. Gudrun Eussner, journalist, Perpignan
Prof. Aramesh Dustdar, philosopher, Köln
Morten Friese, journalist, Köln
Dr. Ralph Giordano, publicist, Köln
Sabine Hain-Davis, bookseller, Mainz
Wolfgang M. Nossen, chairman of the jewish land community, Erfurt
Dr. Hans-Peter Raddatz, specialist in Middle Eastern and oriental studies, München
Elke Redlich-Gilliotte, TV-journalist, Wiesbaden

Further signers (name, profession/function, address) via e-mail.