Football’s coming home

Bei Maccabi wusste man zunächst nicht, was überwiegen soll: Die Trauer darüber, die europäische Königsklasse verpasst zu haben, oder der Stolz über zwei großartige Spiele gegen den englischen Rekordmeister und Champions League-Sieger des Jahres 2005. Nach einem knappen 1:2 im Hinspiel an der Anfield Road war der israelische Meister durchaus nicht chancenlos gewesen, hatte allerdings den gravierenden Nachteil zu verkraften, sein Rückspiel nicht im heimischen Stadion austragen zu dürfen, weil der europäische Fußballverband UEFA trotz des Waffenstillstandsabkommens nicht bereit war, die Partie in Haifa stattfinden zu lassen. So ging die Begegnung in Kiew über die Bühne, etliche tausend Kilometer entfernt. 16.000 Zuschauer wollten das Spiel sehen; damit war das Valerij-Lobanovskij-Stadion nahezu ausverkauft. Zwar nahmen nur wenige heimische Maccabi-Fans die lange Reise auf sich; dafür wurde der Klub jedoch von einigen hundert in Kiew lebenden Juden angefeuert, die von der jüdischen Gemeinde in der ukrainischen Hauptstadt Tickets bekommen hatten.
Ein 1:0 hätte Maccabi zum Weiterkommen genügt, doch das erste Tor schoss der englische Nationalspieler Peter Crouch für den FC Liverpool in der 54. Minute. Neun Minuten später glich Roberto Colautti aus. In der verbleibenden knappen halben Stunde drängte Haifa vehement auf das Führungstor, das zumindest für eine Verlängerung gesorgt hätte. Erneut Colautti hatte acht Minuten vor Schluss auch die Riesenchance dazu, doch der Liverpooler Torhüter konnte den Ball mit einer Glanzparade über die Latte lenken. Kurz vor dem Schlusspfiff forderte Maccabi einen Elfmeter, nachdem Eyal Meshumar im Strafraum zu Boden gegangen war; der Schiedsrichter hatte allerdings eine „Schwalbe“ gesehen und zeigte Meshumar daher die gelbe Karte. So blieb es beim Unentschieden, das den Reds den Einzug in die Gruppenphase der Champions League ermöglichte. „Wir haben gut gespielt und hätten es fast geschafft“, resümierte Maccabis Trainer Roni Levy nach der Rückreise, und er ärgerte sich darüber, kein echtes Heimspiel gehabt zu haben:
„Liverpool hat zu Hause erst sehr spät den Siegtreffer erzielt, nicht zuletzt wegen der Unterstützung durch seine Fans. Auch für uns wäre es besser gewesen, wenn wir auf heimischem Boden gespielt hätten. Man darf nicht vergessen, dass wir es mit einem der größten europäischen Klubs zu tun hatten und ihm ein Unentschieden abgetrotzt haben. Es ist klar, dass es anders gelaufen wäre, wenn das Spiel in Israel stattgefunden hätte. Es gibt Qualitätsunterschiede zwischen uns und Liverpool, aber die hätten wir durch den Heimvorteil überbrücken können. Jeder, der ein Teil von Haifa ist, kann stolz auf die Mannschaft sein.“Die UEFA hatte nach ihrem Entschluss, den israelischen Vereinen das Heimrecht zu entziehen und sie wegen des Krieges außerhalb des Landes spielen zu lassen, angekündigt, neu über den Austragungsort zu entscheiden, sollte sich die Lage in und um Israel beruhigen. Durch die Waffenstillstandsvereinbarung war diese Voraussetzung eigentlich gegeben, doch der Verband mochte sein Diktum nicht revidieren: „Unter Berücksichtigung der generellen Situation gibt es zum derzeitigen Zeitpunkt keinen Grund, die Entscheidung zu ändern“, sagte ihr Generaldirektor Lars-Christer Olsson einige Tage vor dem Match in Kiew. Maccabis Vorsitzender Yaakov Shachar war damit überhaupt nicht einverstanden: „Es scheint uns, dass diese Institution, die sich rühmt, die Politisierung des Sports zu vermeiden, eine Entscheidung mit politischem Unterton getroffen hat.“ Ein Sprecher des israelischen Fußballverbands IFA vermutete noch weitere Gründe: „Es war uns klar, dass Liverpool großen Einfluss auf die UEFA hat und dass der Verband auch nach dem Kriegsende keine Spiele in Israel genehmigen wird. Man sollte nicht vergessen, dass Liverpool vor einem Jahr europäischer Champion war und dass Maccabi Haifa und Israel kein Gewicht haben.“

Hoffnung auf ein wirkliches Heimspiel hat nun die israelische Nationalmannschaft, die in der Qualifikation für die Europameisterschaft am 6. September gegen Andorra antreten muss: Die UEFA kündigte an, die Partie könne wie geplant in Tel Aviv stattfinden, sofern der Waffenstillstand halte. „Bei allem gebührenden Respekt für Andorra: Es ist nicht Liverpool“, sagte ein Sprecher des israelischen Verbands. „Wir haben keinerlei Vorbereitungen für einen Ausweichort getroffen. Denn wir sind sicher, dass das Spiel in Israel ausgetragen werden wird. Das ist es, was die UEFA uns auch zu verstehen gegeben hat.“ Am kommenden Wochenende beginnt derweil die israelische Meisterschaft, deren Start auf Wunsch mehrerer Erstligavereine verschoben worden war. „Es finden am ersten Spieltag alle Begegnungen in der Landesmitte und damit auf sicherem Gebiet statt. Dennoch wollten wir den Klubs eine Woche mehr Zeit geben, da die Vorbereitung durch die Sicherheitslage stark beeinträchtigt wurde“, hieß es von Seiten der IFA. Zu den Hauptfavoriten zählen drei Klubs, die auch an den internationalen Ausscheidungsspielen beteiligt waren: Neben Titelverteidiger Maccabi Haifa und Hapoel Tel Aviv – das den erfahrenen Trainer Itzhak Shum zurückholte, der vor vier Jahren Haifa in die Champions League geführt hatte – plant auch Beitar Jerusalem Großes: Mit Osvaldo Ardiles verpflichtete der Klub sogar einen argentinischen Weltmeister von 1978 als neuen Trainer.
Das obere Foto zeigt eine Szene aus dem Hinspiel von Maccabi Haifa in Liverpool. Im grünen Trikot: Der Maccabi-Spieler Gustavo Boccoli. Auf dem unteren Bild sieht man Fans von Hapoel Tel Aviv bei einer Choreografie vor dem Lokalderby gegen Maccabi Tel Aviv in der Saison 2003/04; es entstammt der Homepage der Hapoel-Ultras.
Übersetzungen: Liza