16.12.06

Mehr als nur ein Kronzeuge

Es ist ein so alter wie durchschaubarer Trick der Antisemiten, für ihre Zwecke stets antizionistische Juden als Kronzeugen zu präsentieren, die – aus welchen Gründen auch immer – dem Staat Israel wenig bis nichts Gutes abgewinnen können. Wenn sie es doch selbst sagen, können wir gar nicht antisemitisch sein, lautet die dahinter stehende Logik, die jedoch nur dann funktioniert, wenn man davon ausgeht, dass Juden per se vor Antisemitismus gefeit sind und für ihren Antizionismus daher ausschließlich edle, hilfreiche und gute Argumente vorzubringen haben, derer sich die Israelhasser dann nur noch bemächtigen müssen, um sich über jeden Verdacht zu erheben. Dementsprechend werden sie umgarnt, die Avnerys, Langers, Finkelsteins und Zuckermanns; mutige Menschen seien sie allesamt – bloß warum? Was ist daran mutig, etwas zu äußern, das in Europa und der islamischen Welt ohnehin common sense ist und das in Israel geäußert werden kann, ohne unterdrückt zu werden? Eigentlich nichts, es sei denn, man folgt dem allemal antisemitischen Fantasma einer zionistischen Allmacht, die mehr oder minder im Verborgenen Politik, Wirtschaft und Medien lenke respektive kontrolliere und dabei auch noch die Shoa für sich instrumentalisiere, sprich: selbst aus der Vernichtung der europäischen Juden durch die Nationalsozialisten noch Profit schlage.

Doch wie sich kürzlich in Teheran zeigte, gibt es sogar Juden, die den Holocaust leugnen und sich mit nichtjüdischen Gleichgesinnten zum entspannten Plausch treffen. Das stellte selbst die junge Welt kurzzeitig vor Probleme, die sich sonst noch den abseitigsten Kronzeugen gegen Israel an den Hals wirft, um einen Persilschein für ihren Antizionismus zu bekommen: Sind diese „ultra-orthodoxen Rabbiner aus Österreich und Großbritannien“, die da bei der Tagung waren, vielleicht gar besonders Mutige? Oder doch eher eine die Antiimps ärgernde „Freude für Irans Feinde“ respektive „deplatzierte Exoten“, die „die Staatsgründung Israels aus religiösen und moralischen Gründen“ ablehnen? Ihre Teilnahme „an der Teheraner Konferenz, die notorischen Holocaust-Leugnern ein Forum bot“ – was offenbar bloß ein Makel des Meetings war und nicht sein Zweck –, werde jedenfalls „auch von vielen antizionistischen Orthodoxen als Fehler angesehen“. Na denn. Viel schlimmer erschien den Nationalbolschewisten ohnehin die „weltweite Propagandaoffensive“ gegen den iranischen Präsidenten, die Benjamin Netanyahu, „der Führer der rechtsextremen israelischen Likud-Partei“, angekündigt habe. Alles wieder im Lot also.

Einer dieser „ultra-othodoxen Rabbiner“, die in den Iran reisten, war Moshe Arye Friedman aus Wien (auf dem Foto mit dem deutschen Rechtsextremisten und Shoa-Leugner Peter Töpfer). Was es mit diesem auf sich hat, was er in Teheran so alles von sich gab, wer ihn hofiert und warum es falsch ist, in ihm bloß einen besonders radikalen „Israel-Kritiker“ zu sehen, schildert Karl Pfeifer ausführlich in einem weiteren Gastbeitrag für Lizas Welt.


Karl Pfeifer

Ein revisionistischer Rabbinerdarsteller in Teheran


Vor ein paar Jahren tauchte in Wien plötzlich ein Moishe Arye Friedman auf, der von sich behauptete, Oberrabbiner einer nicht existierenden Wiener antizionistischen Gemeinde zu sein. Da der Titel Rabbiner nicht geschützt ist, kann sich jeder – und sei er noch so primitiv und unwissend – als solcher bezeichnen. Seine Teilnahme an der Konferenz der Holocaustleugner und -befürworter in Teheran hat die Aufmerksamkeit der Medien jedenfalls wieder einmal auf ihn gelenkt. Erstaunlich dabei ist, dass Friedman von der veröffentlichten Meinung ernst genommen wird, etwa vom österreichischen Staatsfernsehen ORF oder der Nachrichtenagentur AFP. Das deutet darauf hin, dass der Mainstream auf diesen Scharlatan und Rabbinerdarsteller angewiesen war, um zu zeigen, dass es auch „gute Juden“ gibt, die bereit sind, jede antiisraelische Propaganda zu bestätigen.

Als am 11. Dezember Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), in Zeit im Bild 2 von Ingrid Thurnherr zur Teheraner Konferenz befragt wurde, glaubte die ORF-Moderatorin anscheinend, die Tatsache, dass aus keinem anderen Land so viele Teilnehmer zu dieser Konferenz kamen wie aus Österreich, mit einer aggressiven Frage neutralisieren zu können. Sie fragte – und man konnte den Vorwurf heraushören –, weshalb sich die IKG nicht vom Staat Israel distanziere. Muzicant gab ihr die gebührende Antwort. Dochman muss sich wundern, weshalb eine bekannte und zur linken Reichshälfte zu rechnende Journalistin eine solche Frage ausgerechnet dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde stellt. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, mit wie viel Fingerspitzengefühl sie mit den Herren aus FPÖ und BZÖ sprach, die in Österreich ausländerfeindliche Politik betreiben und honorige Partner der konservativen ÖVP waren und noch immer sind. Was man aus Thurnherrs Frage heraushören konnte, war die Erwartungshaltung an Juden, sich vom Staat Israel unbedingt zu distanzieren. Diese Haltung charakterisiert leider nicht nur diejenigen, die ihren Antisemitismus mit jüdischen Kronzeugen kaschieren zu können glauben, sondern auch einen Teil des Mainstreams.

Drei Österreicher nahmen an der Konferenz in Teheran teil: Erstens Wolfgang Fröhlich (Foto), der einen Teil seiner Strafe wegen der Leugnung von NS-Verbrechen bereits verbüßt und einen anderen Teil auf Bewährung erhalten hat. Es bleibt abzuwarten, wie die österreichische Justiz auf seine Reise reagiert; laut einer Meldung des Wiener Kurier vom 14. Dezember wird das NS-Verbotsgesetz nicht angewendet, wenn Österreicher im Ausland ein Delikt begehen. Zweitens Hans Gamlich (nächstes Foto), der sich als freier Mitarbeiter der rechtsextremistischen Wiener Wochenzeitschrift Zur Zeit einen Namen gemacht hat. Und drittens Herbert Schaller (übernächstes Foto), Strafverteidiger und bekannter Verteidiger von Neonazis und neonazistischen Organisationen. Moishe Arye Friedman wiederum ist US-Bürger, wird von den Medien jedoch mit Recht als Österreicher gesehen, hat er sich doch hier breit machen können und dabei die Unterstützung von hohen Funktionären der damaligen österreichischen Regierungspartei FPÖ erhalten. Nun hat er den Bogen überspannt und sich in Teheran von Holocaustleugnern und -befürwortern bejubeln lassen. Nicht ohne Grund, denn er wiederholt ihre Lügen und geht zum Teil sogar über sie hinaus. Hier einige Zitate seiner Rede, wie sie von deutschen rechtsextremistischen Websites publiziert wurden und dazu geführt haben, dass ihn sogar der oft antizionistische Guardian als Holocaustleugner qualifiziert. Der Rabbinerdarsteller behauptet zwar, er habe all dies nicht gesagt; Fakt ist jedoch, dass diese Zitate früheren Aussagen ähnlich sind.
„Eine Holocaust-Religion ist konstruiert worden von jenen, die selbst zu den Hauptverantwortlichen für die Verfolgung von Juden zählten: Von den Zionisten, die nicht den geringsten Glauben an Gott besitzen, sondern sich die Ausrottung der Gläubigkeit an Gott in der gesamten Menschheit als Ziel gesetzt haben. Diese Holocaust-Religion beansprucht weltweite Gültigkeit und betrachtet sich als allen internationalen Verträgen, den Verfassungen der einzelnen Staaten und den verschiedensten Glaubensbekenntnissen übergeordnet.“

„In diesem Zusammenhang muss man auf die Tatsache hinweisen, dass die wahren Hintermänner, Finanziers und zum Teil Vollstecker der Grausamkeiten im Zweiten Weltkrieg Zionisten waren.“

„Der Begründer des Zionismus, Theodor Herzl, hat bereits in seinem ersten Tagebüchern erstaunlicherweise von einer Zahl von sechs Millionen Juden gesprochen, die angeblich in Europa bedroht sind, und dass eine Chance für den sog. Judenstaat nur gegeben sein wird, wenn es auch zu einer Katastrophe an diesen sechs Millionen europäischen Juden kommt.“

„Die Gründer des Zionismus, der eine wirklich verbrecherische Sekte ist, haben als eine ihrer ersten Aktionen eine Reise nach Deutschland unternommen, um die Judenfeindlichkeit anzuheizen.“

„Gleichzeitig haben die Zionisten alle möglichen Maßnahmen in die Welt gesetzt, um das deutsche Volk zu provozieren, zu erniedrigen und zu boykottieren, und sie haben bei allen Weltregierungen erfolgreich gegen Deutschland Lobbyarbeit betrieben, unter anderem beim bolschewistischen Russland, aber auch in England und Amerika.“

„Auch vor und während des ersten Weltkrieges wurde seitens der Bolschewisten und der Engländer die Zahl von sechs Millionen Juden benannt, die angeblich von den Deutschen mit der Vernichtung bedroht werden, um diesen Krieg zu rechtfertigen und das Deutsche Volk als absolut bösen Feind darzustellen.“

„Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten 1933 haben zionistische Organisationen in Palästina gemeinsam Hitler schriftlich gratuliert, auf die ideologischen Gemeinsamkeiten hingewiesen und eine Zusammenarbeit angekündigt. Kurz danach reisten Goebbels, Himmler und Eichmann aufgrund der zionistischen Jewish Agency nach Palästina, wo sie mit großem Triumph empfangen wurden.“
Goebbels und Himmler waren nie in Palästina; der angebliche triumphale Empfang Eichmanns entspringt der Fantasie des Rabbinerdarstellers. Und sowohl Adolf Eichmann als auch sein Vorgesetzter, der SS-Oberscharführer Herbert Hagen, haben sich nach dieser Reise explizit gegen die Errichtung eines jüdischen Staates ausgesprochen: „Zu keinem Zeitpunkt hat der SD das Projekt eines jüdischen Staates in Palästina unterstützt.“* Friedman weiter:
„Nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges erlebten die zionistischen Vereinigungen weltweit einen ungeheuren Aufschwung – erfrischt durch die angeblich sechs Millionen ermordeten Juden – und erpressten nicht nur von Deutschland, sondern von der gesamten Weltgemeinschaft einschließlich der Katholischen Kirche mit dieser Begründung politisches Wohlverhalten und riesige finanzielle Mittel zur Errichtung und Stabilisierung des Terror-Staates Israel.“

„Die Zahl von sechs Millionen Opfern war und ist eine zionistische.“

„Durch das Holocaust-Geschäft wurde sogar die katholische Kirche erpresst und durch das Zweite Vatikanische Konzil von ihren Glaubenswurzeln entfernt.“
Moishe Arye Friedmann, der ursprünglich in Antwerpen lebte, zog es nach einem Konkurs vor, Belgien zu verlassen, und so kam er vor ein paar Jahren nach Wien. Er war lediglich einige Jahre lang in einem Kollel (Institut für höhere rabbinische Lehren) Student und hat nie ein anerkanntes Rabbiner-Diplom erhalten. Vergeblich versuchte er, die Kontrolle über eine kleine Synagoge in Wien zu erlangen, die in der Folge ihren Betrieb einstellte; wertvolle Thora-Rollen sind seitdem verschwunden. Friedman wurde wegen Besitzstörung rechtskräftig verurteilt und stand zeitweise unter Sachwalterschaft. Gerichtsterminen an jüdischen Feiertagen wohnte er demonstrativ bei. Nach der Verurteilung seines Verhaltens durch den Oberrabbiner von Österreich, aber auch von allen anderen orthodoxen und ultraorthodoxen Rabbinern Wiens, versuchte er, eine eigene „orthodoxe“ Gemeinde bei den österreichischen Behörden anzumelden. Dem Antrag war eine Liste angeblicher Gemeindemitglieder beigefügt; sie enthielt außer seiner eigenen und einigen wenigen unwissentlich gegebenen Unterschriften offensichtlich auch weitere, nicht verifizierbare.

Friedmans Ansinnen wurde bis jetzt nicht entsprochen. Die „Antizionistische Orthodoxe Jüdische Gemeinde“ Wiens bleibt somit ein behördlich nicht anerkanntes Einmannunternehmen, das den Interessen rechtsextremer und islamistischer Kreise dient und enge Kontakte zu rechtsextremen Gruppen und Einzelpersonen in Österreich unterhält, etwa zu dem rechtskräftig verurteilten ehemaligen Bundesrat John Gudenus und dem früheren Volksanwalt und jetzigen FPÖ-Abgeordneten Stadler. Friedman vertritt revisionistisches Gedankengut, wie beispielsweise ein Interview in der Deutschen Nationalzeitung deutlich macht. Gemeinsam mit anderen Juden vom extremen Rand der internationalen antizionistischen Neturei Karta wurde er zum Begräbnis von Yassir Arafat und darüber hinaus mehrmals vom iranischen Präsidenten eingeladen. Wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist unbekannt.

Auf einer Rede anlässlich einer Wiener Demonstration gegen den Libanon-Krieg Ende Juli dieses Jahres sagte Friedman unter anderem:
„Sogar der Papst hatte in der Folge des 2. Vatikanischen Konzils die ursprünglichen Positionen des katholischen Glaubens verlassen und den zionistischen Staat Israel anerkannt, wohl auch, weil der moralische Druck der weltweiten zionistischen Lobby bzw. der Vorwurf des Antisemitismus nicht mehr zu ertragen war. Sogar im Libanon haben die Christen im Zuge dessen begonnen, in den letzten Jahrzehnten mit dem zionistischen Regime gemeinsame Sache zu machen. So hat abscheulicherweise diese Woche eine christlich-libanesische Ministerin in einem ausführlichen Interview mit der BBC genau die gleichen Positionen wie Israel und die USA vertreten. Diese Haltung steht aber nicht für das Christentum, bzw. den Katholizismus als solchen, im Gegenteil, es ist die Haltung viele Katholiken eine ganz andere.“
Pikanterweise hat die linksradikale Antiimperialistische Koordination (AIK) diese Rede vollständig veröffentlicht. Sie wusste natürlich vom engen Verhältnis Friedmans zu führenden Rechtsextremisten, denn bereits im Dezember 2003 hatte das Wiener Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) eine Meldung über ein Interview mit ihm publiziert, in dem er die Palästinensergebiete als „ein riesiges Konzentrationslager“ und Theodor Herzl als „geistigen Vater jener Entwicklung, die zum Holocaust führte“, bezeichnete. Friedman ging aber noch einen Schritt weiter und machte offen dem Antisemitismus der Marke Möllemann und Hohmann die Aufwartung: Diese hätten nur von ihrer „Meinungs- und Redefreiheit“ Gebrauch gemacht. Er betonte, dass ein „Großteil der Zionisten [...] nicht einmal jüdischer Abstammung“ sei, „während die Araber doch ohne Frage Semiten sind“. Friedman, der alle Juden und Jüdinnen, die nicht seine kruden Ansichten teilen, zu „Zionisten“ oder „Gottlosen“ erklärt, behauptete schließlich, diese würden „international aus Geschäfts- und Machtinteressen die Holocaust-Industrie“ betreiben. Mit Aussagen wie diesen bedient er genau wie die Rechtsextremisten antisemitische Ressentiments.

Am 1. Juli 2004 veranstaltete Friedman eine „Rabbinerkonferenz“ in einem Wiener Fünf-Sterne-Hotel und begrüßte neben dem wegen seiner antisemitischen Rede aus der CDU ausgeschlossenen Martin Hohmann auch prominente Österreicher, beispielsweise den Verfassungsrechtler Hans Klesatzky, den Bundesminister a.D. Erwin Lanc (SPÖ), den damaligen Volksanwalt Ewald Stadler (FPÖ), den seinerzeitigen Bundesrat John Gudenus sen. und Rechtsanwalt Johannes Hübner. Friedman sagte bei dieser Gelegenheit, nachzulesen auf der Homepage der Palästinensischen Gemeinde in Wien:
„Weil die Zionisten den Staat Israel herbeiführen und die jüdische Auswanderung nach Palästina fördern wollten, sind sie nicht einmal davor zurückgeschreckt, Pogrome in Russland anzuheizen und zu provozieren – so furchtbar das klingt, meine Damen und Herren, ist es doch beweisbar! Ebenso haben die Zionisten Hitler und das deutsche Volk durch Boykottaufrufe und andere politische Aktionen zu provozieren versucht, sie haben die Nürnberger Gesetze begrüßt und alles getan, den Antisemitismus weiter anzuheizen. Die Zionisten tragen daher eine wesentliche Schuld am Holocaust.“

„Bevor man ein Ende des Besatzungsstatus des Iraks oder Palästinas fordert, muss man ein Ende des Besatzungsstatutes für Deutschland fordern: Das Ende eines zum großen Teil informellen, das heißt geistig [und] medial aufrecht erhaltenen und in dieser Form auch auf Österreich erstreckten Besatzungsstatuts, das nur durch den Missbrauch unseres Namens und unseres Glaubens so etabliert werden konnte.“
Auch der sattsam bekannten rechtsextremistischen Grazer Monatszeitschrift Aula gab Friedman in der Ausgabe 9/2004 ein Interview, in dem er den Antisemitismus unter anderem so rechtfertigte:
„Dabei führt Israel einen eigenen Holocaust gegen die Palästinenser durch, der im Unterschied zu den Barbareien der Vergangenheit vor den Augen der ganzen Welt in aller Öffentlichkeit exekutiert wird, was kein Beispiel in der Weltgeschichte hat. Gleichzeitig wird der Eindruck erweckt, dass der Staat Israel und die so genannten Israelitischen Kultusgemeinden die legitimierten Vertreter des Judentums bzw. der jüdischen Religion seien, woran auch die Katholische Kirche und der Vatikan nicht unschuldig sind. In dieser Situation kommen die einfachen Bürger auch zu Recht zum Schluss, dass die Juden als Juden bzw. als Glaubensgemeinschaft ein mieses Volk, brutal und blutdurstig seien. Doch wie man die gläubigen Juden nicht für die Taten der vom Glauben abgefallenen jüdisch-stämmigen Bolschewisten, Kommunisten etc. verantwortlich machen kann, gilt dies in gleicher Weise für die Zionisten und Israel, deren Existenz dem wahren jüdischen Glauben entgegengesetzt ist.“
Der Holocaustleugner Friedman wird zudem natürlich von der Antiimperialistischen Koodination (AIK) – die auf ihrer Website eine von ihm mitorganisierte Demonstration am Stephansplatz und eine „interkonfessionelle Tagung“ inklusive Buffet ankündigte – und von der Kommunistischen Initiative beworben; er war Redner bei einer von der letztgenannten Gruppierung mitveranstalteten antiisraelischen Demonstration am 28. Juli, neben Leo Gabriel und Mustafa Abdul Hadi von der Palästinensischen Gemeinde. Die Initiative behauptete anschließend: „Besondere Beachtung fand die Rede des Oberrabbiners der orthodoxen antizionistischen jüdischen Gemeinde in Wien, Moishe Arye Friedman. Er musste während der Demonstration von Ordnern beschützt werden, da immer wieder fanatische Zionisten versuchten, ihn zu attackieren.“ Nebbich, kann man da nur sagen. Dennoch glaubte Willi Langthaler, seines Zeichens Anführer der AIK, in einer Diskussion mit dem ehemaligen Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ), Walter Baier, den jüdischen Leugner der Shoa genauso verteidigen zu müssen, wie die AIK es bereits vor Jahren mit einem arabischen getan hatte:
„Warum nennt Baier nicht den Namen der Organisation, die angeblich im Einvernehmen mit dem rechts-rechten Flügel der FPÖ steht? Vermutlich meint er die antizionistische Gemeinde des orthodoxen Rabbiners Friedman. Dieser kümmert sich tatsächlich wenig über schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts, deren Denominationen aber allesamt den Zionismus und das American Empire anerkennen und aktiv verteidigen. Auch für Araber im Allgemeinen ist es schwer den Sinn von links zu erkennen angesichts solcher Linker wie Baier. Wo Völkermord als links und antifaschistisch daherkommt, kann nichts Fortschrittliches mehr wachsen.“
Diese antiimperialistischen Linksradikalen – die gemeinsame Sache mit einem Holocaustleugner machen – kümmern „sich tatsächlich wenig über schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts“, und es ist daher kein Zufall, wenn sie Zustimmung von Neonazis und anderen Rechtsextremisten erhalten. Knut Mellenthin von der Berliner Tageszeitung junge Welt gab sich in einem Beitrag über die Teheraner Konferenz zwar peinlich berührt: „Als deplazierte Exoten wirkten in dieser Umgebung einige ultra-orthodoxe Rabbiner aus Österreich und Großbritannien, die aus ganz anderen Gründen die Existenz des Staates Israel ablehnen.“ Doch damit verharmlost er die Haltung Friedmans, der eben nicht „nur“ die Existenz des Staates Israel ablehnt, sondern auch die Shoa mal in Abrede stellt, mal verharmlost. Und an den iranischen Veranstaltern hatte der Mitarbeiter des nationalbolschewistischen Blattes ebenfalls nur eine unterwürfige Kritik: „Man fragt sich, ob es in dieser großen Nation keine Historiker gibt, die es besser wissen und sich Gehör verschaffen könnten.“ Max Liebermann beschrieb sein Verhältnis zu den Nationalsozialisten einmal mit dem Satz: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte!“ Wenn ich die Ergüsse von Moishe Arye Friedman, seiner rechts- bzw. linksextremistischen Gesinnungsgenossen sowie seiner islamistischen Protektoren lese, fühle ich ähnlich.

Für die Aktion gegen den Antisemitismus in Österreich erstattete Wolfgang Neugebauer gegen Friedman nach dessen Teilnahme an der Teheraner Konferenz Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Wien wegen des Verdachts des Verstoßes gegen den § 3h Verbotsgesetz und den § 283 StGB (Verhetzung). Einen solchen Schritt behält sich die Aktion auch gegen die übrigen Teilnehmer aus Österreich vor. Die Initiative begrüßte zudem die deutlichen Worte, die die österreichische Bundesministerin für Auswärtige Angelegenheiten, Ursula Plassnik, zu dem Skandal fand: Sie verlangte gegenüber der Nachrichtenagentur APA am Montag dieser Woche, dass „jeder Versuch, der Intoleranz und dem Antisemitismus Vorschub zu leisten, von der gesamten Staatengemeinschaft mit aller Schärfe und Nachdruck zurückgewiesen werden muss“. Gleiches gilt für die Nationalrat-Präsidentin Barbara Prammer, die sich tags drauf entschieden gegen „jede Form von Antisemitismus sowie gegen die Leugnung des Holocaust“ aussprach und betonte, dass bei der Teheraner Konferenz Leugner des Holocaust im Vordergrund ständen, die versuchten, „den Antisemitismus mit vordergründig wissenschaftlichen Argumenten salonfähig zu machen“. Angesichts der jüngsten Töne aus der Hauptstadt des Iran mutet es daher mehr als befremdlich an, wenn das Österreichische Institut für Internationale Politik für den 15. Dezember gemeinsam mit der iranischen Botschaft eine Veranstaltung unter dem bezeichnenden Titel „Facts and Figures about Peaceful Nuclear Policy and Activities of the Islamic Republic of Iran“ plant.

Was die österreichische Außenministerin erklärt, ist eine Sache; eine zweite ist, was die österreichische Justiz, die notorisch lax gegen Leugner und Verharmloser der nationalsozialistischen Verbrechen vorgeht, in dieser Angelegenheit unternimmt. Österreichische Politiker rühmen sich ob der strengen NS-Verbots-Gesetze; trotzdem sollte man sich von der Verurteilung David Irvings nicht täuschen lassen, denn diese war die Ausnahme und nicht die Regel. Gesetzlich ist festgelegt, dass nur die „gröbliche“ Verharmlosung von NS-Verbrechen strafbar ist, und bislang hat man schon einige Prominente mit dieser Begründung bzw. Ausrede nicht angeklagt, so zum Beispiel Richard Nimmerrichter („Staberl“), den damaligen Kommentator der meistgelesenen österreichischen Tageszeitung Neue Kronenzeitung. Nimmerrichter hatte am 10. Mai 1992 einen Beitrag mit dem Titel „Methoden eines Massenmords“ veröffentlicht, in dem er behauptete, es seien „nur verhältnismäßig wenige der jüdischen Opfer“ tatsächlich „vergast“ worden; „die anderen sind verhungert oder erschlagen worden“. Doch er wurde nicht verurteilt, da er die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen nicht „gröblich“ verharmlost habe. Die österreichische Justiz wird sich im Falle Friedmans wahrscheinlich zudem darauf berufen, dass ein US-Bürger für Aussagen, die er außerhalb Österreichs getätigt hat, nicht zur Verantwortung gezogen werden könne. Der Staat könnte ihm gleichwohl die Aufenthaltserlaubnis entziehen – aber wer solche gute Freunde in einer ehemaligen Regierungspartei hat wie er, wird sich nicht davor fürchten müssen.

Der Bildhauer Alfred Hrdlicka hatte als antifaschistische Großtat unter anderem einen Satz der österreichischen Proklamation vom 27. April 1945 in Stein gemeißelt, nach dem „die nationalsozialistische Reichsregierung Adolf Hitlers kraft dieser völligen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Annexion des Landes das macht- und willenlos gemachte Volk Österreichs in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt hat, den kein Österreicher jemals gewollt hat, jemals vorauszusehen oder gutzuheißen instand gesetzt war, zur Bekriegung von Völkern, gegen die kein wahrer Österreicher jemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gehegt hat“. Das sollte das Ausland endlich begreifen: Wir sind die reinsten Unschuldslämmer! Wie sagte unser erster Bundespräsident, der Sozialdemokrat Karl Renner, so schön am 29. August 1945 in einer Kabinettssitzung? „Ich finde, dass wir in Bezug auf die Behandlung des Naziproblems in eine kritische Situation kommen. Ich will nicht behaupten, dass ich damit Recht habe, aber die Sache ist nach meinem Gefühl doch so, dass alle diese kleinen Beamten, diese kleinen Bürger und Geschäftsleute bei dem seinerzeitigen Anschluss an die Nazis gar nicht weit tragende Absichten gehabt haben – höchstens, dass man den Juden etwas tut –, vor allem aber nicht daran gedacht haben, einen Weltkrieg zu provozieren.“ Wahrscheinlich werden deshalb angesehene Österreicher an der bereits erwähnten Veranstaltung des Österreichischen Instituts für Internationale Politik und der iranischen Botschaft teilnehmen, denn was haben die Iraner schon vor? „Höchstens, dass man den Juden etwas tut.“

Was aber die Justiz betrifft, wird sie wahrscheinlich feststellen, dass die paar Österreicher, die nach Teheran gefahren sind, eigentlich „willenlos“ waren und als wahre Österreicher doch niemals Gefühle der Feindschaft oder des Hasses gegen andere Völker hegten – mit einer Ausnahme. Und „dass man den Juden etwas tut“, dass man hier oder andernorts antisemitische Hetze betreibt, das wird in Österreich je nachdem als Kavaliersdelikt oder als Heldentat verbucht.

* Peter Longerich, Politik der Vernichtung, Piper 1998, S. 145