Multi-Milliarden für die Mullahs?
Für Ende dieses Jahres plant die Österreichische Mineralölverwaltung (OMV) ein 22-Milliarden-Euro-Geschäft mit dem Iran; entsprechende Vorverträge wurden bereits im April geschlossen. Kommt der Deal tatsächlich zustande, würde er nicht nur einen massiven Ausbau bereits bestehender wirtschaftlicher Beziehungen zwischen der Alpenrepublik und den Mullahs bedeuten, sondern Österreich und Europa endgültig zu strategischen Partnern und Komplizen des Regimes in Teheran machen. Doch gegen diese Allianz regt sich Protest: Die Wiener Initiative Stop the Bomb unternimmt Aktivitäten, die auch international für Aufmerksamkeit sorgen.
Seit die 16 US-Geheimdienste kürzlich in ihrem National Intelligence Estimate (NIE) genannten Bericht zu verstehen gegeben haben, der Iran arbeite wahrscheinlich schon seit vier Jahren nicht mehr an seinem Atomwaffen-, sondern „nur“ noch an seinem Atomprogramm, klopft man sich in Europa gegenseitig anerkennend auf die Schultern: Hatte man’s nicht schon immer gewusst? Alles halb so wild, Bush übertreibt es mal wieder mit seiner Weltkriegsrhetorik, keine Gefahr im Verzug – und deshalb auch kein Grund, die wirtschaftliche Kooperation mit Teheran einzuschränken oder gar einzustellen. Zwar glauben nur Narren, dass die Mullahs die Nutzung der Kernenergie bloß zu friedlichen Zwecken ausbauen wollen und nicht, um schließlich Israel auslöschen zu können – aber der Glaube kann ja bekanntlich Berge versetzen, wenn auch keine Urananreicherungsanlagen.
Vermutlich hat sich auch die Österreichische Mineralölverwaltung (OMV) selbst gratuliert, als sie von dem NIE-Papier erfuhr. Denn ihr für Ende dieses Jahres vorgesehenes, milliardenschweres Geschäft mit dem iranischen Regime erhielt so unverhofft moralische Schützenhilfe. Bereits am 21. April dieses Jahres hatten die Vertreter der OMV und der Mullahs drei Absichtserklärungen über den größten Erdgas-Deal unterzeichnet, den je ein europäisches Unternehmen mit dem Iran abschlossen hat. Matthias Küntzel fasste die Eckdaten des Abkommens zusammen: „Der Energiekonzern will sich erstens mit einem Anteil von 20 Prozent an der Erschließung eines Erdgasfeldes beteiligen. Er will zweitens mit 10 Prozent in eine iranische Großanlage für die Produktion von Flüssiggas einsteigen und dieses Produkt en masse (2,2 Mio. to/a) nach Europa verschiffen. Er will drittens dem Mullah-Regime die Teilnahme an dem Pipeline-Projekt Nabucco ermöglichen und hierüber riesige Erdgasmengen (5 Mrd. m³/a) nach Österreich pumpen. Das Geschäftsvolumen liegt bei 30 Mrd. Dollar oder 22 Mrd. Euro.“
Die amerikanische Regierung hatte die Pläne im Frühjahr scharf kritisiert und angekündigt, im Falle eines Vertragsabschlusses Ende 2007 Sanktionen gegen die OMV zu verhängen. Das löste in Österreich die erwartbaren Reaktionen aus: „Breite Front gegen US-Einmischung“, titelte beispielsweise die Tageszeitung Der Standard, und Politiker wie Wirtschaftsfunktionäre mahnten die Regierung der Vereinigten Staaten zu „Nüchternheit und Sachlichkeit“ oder gaben Sätze wie „Grundsätzlich haben funktionierende Handelsbeziehungen einen völkerverbindenden Charakter und können zu einer Beruhigung politischer Spannungen beitragen“ zum Besten. Die grüne Außenpolitikerin Ulrike Lunacek meinte allen Ernstes, die OMV möge doch bitte einen „zivilgesellschaftlichen Beitrag“ leisten, und auch der SPÖ-Abgeordnete Caspar Einem machte ganz auf Appeasement: „Wir denken, dass eine Strategie, die das Gespräch aufrecht erhält, letztlich mehr Aussichten auf Erfolg hat als eine Sanktionspolitik. Insgesamt würden wir uns freuen, wenn es der OMV gelingt, dieses Geschäft zum Abschluss zu bringen.“
Der Wiener Politikwissenschaftler Stephan Grigat kommentierte diesen Unfug treffend: „Jeder weiß, dass der Abschluss eines Geschäfts von diesem Ausmaß sowohl einen propagandistischen als auch einen politischen und ökonomischen Erfolg für die Apokalyptiker im Iran darstellen würde. Umso unverhohlener muss diese Tatsache geleugnet werden. In der Verteidigung des ehemaligen Vorzeigebetriebs der verstaatlichten österreichischen Industrie hält man in der Alpenrepublik die Reihen fest geschlossen.“ Und in der Tageszeitung Die Presse schrieb Christian Ortner: „Auf den tief verwurzelten Antiamerikanismus ist eben Verlass – die Affäre Waldheim lässt grüßen. Im Zweifelsfall genießt eine Liaison zwischen Mullah-Diktatur und Mineralölmulti hierzulande mehr Ansehen als jene, denen wir die Befreiung von den Nazis offenkundig noch immer nicht verziehen haben.“ Solche kritischen Stimmen zum sich anbahnenden Handel zwischen der OMV – dessen größter Anteilseigner mit 31,5 Prozent die Republik Österreich ist – und den Mullahs waren und sind allerdings ausgesprochen selten.
Doch die Wiener Initiative Stop the Bomb organisiert nun den Protest gegen den Vertrag zwischen einem der führenden Erdöl- und Erdgasunternehmen Mitteleuropas und der iranischen Theokratie. Das überparteiliche Bündnis entstand infolge einer im vergangenen September in Wien veranstalteten Konferenz und einer Demonstration gegen wirtschaftliche Beziehungen zum Teheraner Regime; seit Anfang Dezember läuft die Unterschriftensammlung für eine Petition mit dem Titel „Keine Geschäfte mit den iranischen Mullahs!“. Zu den Erstunterzeichnern gehörten unter anderem Beate Klarsfeld, Leon de Winter und Elfriede Jelinek; inzwischen haben rund 2.000 weitere Personen den Appell unterschrieben – darunter eine ganze Reihe von weiteren namhaften Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens –, mit dem der Stopp des „kritischen Dialogs“ mit den Mullahs, der Abbruch der Verhandlungen zwischen der OMV und dem Iran, die Einstellung der Kreditstützung durch die österreichische Kontrollbank für Geschäfte mit dem Regime, die Verhängung von wirksamen und umfassenden Uno- und EU-Sanktionen sowie die Unterstützung der säkularen und demokratischen Opposition im Iran gefordert wird.
„Der Iran muss ökonomisch und politisch konsequent unter Druck gesetzt werden, um die Bedrohung der Existenz Israels abzuwehren“, heißt es in der Petition. Das bedeute, „die Gefahr zu bekämpfen, dass sich insbesondere Europa in das Vernichtungsprogramm integriert – als Zielscheibe der atomar bestückten Raketen und Partner des Djihad zugleich“. Die Verfolgungs-, Straf- und Märtyrerfantasien der Mullahs knüpften „in neuen religiösen und politischen Formen an den Vernichtungswahn des NS-Staats an, was auch die Bereitschaft einschließt, die Bevölkerung des eigenen Staates für ihre apokalyptischen Ziele zu opfern“. Deshalb helfe keine Politik der Abschreckung mehr. „Wer mit den Vertretern der Islamischen Republik Iran einen Dialog führen und Geschäfte machen möchte, betreibt ein Appeasement, das vergleichbar ist mit der duldenden und zögerlichen Haltung gegenüber der Nazi-Bedrohung, die in Europa einen Krieg förderte, der zum größten Vernichtungskrieg der Geschichte wurde“, verdeutlicht der in sieben Sprachen verfasste Aufruf die Konsequenzen, die sich aus den politischen und ökonomischen Beziehungen zu den Mullahs ergeben.
Stop the Bomb hat mit seinen Aktivitäten inzwischen für internationale Aufmerksamkeit gesorgt. So berichtete beispielsweise Benjamin Weinthal in der israelischen Tageszeitung Ha’aretz über die Initiative gegen den OMV-Deal, und auch beim Online-Portal der Jewish Telegraph Agency (JTA) findet sich ein entsprechender Beitrag. Am vergangenen Donnerstag organisierte die Green Party of Iran zudem eine Protestaktion vor dem österreichischen Konsulat in Los Angeles, bei der auch eine Grußbotschaft der Sprecherin von Stop the Bomb, Simone Dinah Hartmann, verlesen wurde.* In ihr hieß es unter anderem: „Sowohl die österreichische Regierung als auch die Opposition unterstützen ein Milliardengeschäft mit einem Regime, das immer wieder damit droht, Israel auszulöschen, während es an einer Bombe arbeitet, mit der die Absichten der Mullahs verwirklicht werden könnten. Der österreichische Kanzler Gusenbauer machte kürzlich sehr deutlich, dass Menschenrechte hinter den wirtschaftlichen Beziehungen zurückstehen müssen. Wenn eine iranische Frau gesteinigt oder ein iranischer Mann erhängt wird, sind Gusenbauer und seine Gefolgschaft für deren Tod mitverantwortlich. Und sie wären im Fall der Fälle auch – einmal mehr – verantwortlich für den Tod von Millionen Juden.“
In Bälde steht nun womöglich der Abschluss des Vertrags zwischen der OMV und dem Iran an. „Es sieht ganz so aus, als wollte Österreich sich geradezu vordrängen, um eine Drehscheibe für Handel, aber leider nicht Wandel, mit diesem antisemitischen und totalitären Regime zu werden“, sagte Elfriede Jelinek. Die Proteste gehen deshalb weiter.
* Nicht online verfügbar, liegt Lizas Welt jedoch vor