18.12.07

Gotteskrieger, Golfstaaten und Geldgaben

Am vergangenen Samstag hat die Hamas ihr zwanzigjähriges Bestehen gefeiert – und zwar nachgerade standesgemäß: Mehrere hunderttausend Demonstranten versammelten sich auf dem zentralen Platz in Gaza, schwenkten grüne Fahnen und riefen Hassparolen gegen Israel; die Redner bekräftigten ihre Absicht, den jüdischen Staat niemals anzuerkennen und ihm im Gegenteil so rasch wie möglich den Garaus zu machen. Selbst die Drohung, man habe „bereits Gräber für die Juden ausgehoben“, fehlte nicht. Und gestern legte die Gotteskriegerpartei nach: Sie bezeichnete die Geberkonferenz, die in Paris stattfand, als „Kriegserklärung“; schließlich hätten die palästinensischen Vertreter in der französischen Hauptstadt versichert, die dort beschlossenen Milliardenzuschüsse nicht der Hamas zukommen zu lassen.

Der palästinensische Ministerpräsident Salam Fayyad legte in Paris unterdessen eine Berechnung vor, nach der seine Regierung in den kommenden drei Jahren 5,6 Milliarden Dollar (rund 3,8 Milliarden Euro) benötigt. Die Teilnehmer an der Konferenz mühten sich eifrig, diesen Batzen Geld zusammenzubekommen. Das deutsche Entwicklungsministerium etwa sagte 200 Millionen Euro zu. Im Gegenzug ließ es sich Außenminister Frank-Walter Steinmeier nicht nehmen, Forderungen zu stellen – allerdings nicht an die palästinensische Seite, sondern an den jüdischen Staat: „Israel muss dafür sorgen, dass in den palästinensischen Gebieten hergestellte Waren auch das Land verlassen können“, sagte er beispielsweise – als ob es einen generellen israelischen Ausfuhrboykott gäbe und nicht nur gründliche Kontrollen, die angesichts der „Waren“, die täglich auf Sderot niedergehen, existenziell sind.

Während also die Pariser Geberkonferenz die Palästinenser neuerlich reich beschenkte – und man gespannt sein darf, ob die Finanzspritzen diesmal ihrem vorgesehenen Ziel zugeführt werden –, fragt Karl Pfeifer in seinem Gastbeitrag, wo eigentlich die finanziellen Zuwendungen der so genannten arabischen Bruderstaaten bleiben. Schon mit einem Bruchteil der Einnahmen aus dem Erdölverkauf dieser Länder ließen sich die geforderten 5,6 Millarden Dollar rasch erreichen, rechnet Pfeifer vor, und er kommt zu dem Schluss: „Wenn das Schicksal der Palästinenser den Politikern und der Bevölkerung dieser Staaten wirklich eine Herzensangelegenheit sei sollte, dann ist es nicht zu verstehen, weshalb sie nicht tiefer in ihre Taschen greifen.“


Karl Pfeifer

Die Hamas setzt weiterhin auf Gewalt


Erinnern Sie sich noch an die vollmundigen Erklärungen von Hannes Swoboda und Johannes Voggenhuber, die am 3. Mai dieses Jahres in der Tageszeitung Der Standard zu lesen waren?
„Die beiden österreichischen Europaabgeordneten Johannes Voggenhuber (Grüne) und Hannes Swoboda (SP) haben einen Besuch beim palästinensischen Ministerpräsidenten Ismail Hanija und anderen Hamas-Regierungsvertretern im Rahmen einer EU-Parlamentarierdelegation verteidigt. Beide Abgeordneten forderten am Mittwoch die volle Anerkennung der palästinensischen Einheitsregierung, der neben Hamas auch Fatah und Unabhängige angehören. ‚Wir haben den internationalen Boykott durchbrochen und mit Hamas-Mitgliedern gesprochen’, sagte Voggenhuber. Dies sei ‚ein kühner Schritt’ gewesen, vor dem er selbst Bedenken gehabt habe. Die Delegation sei jedoch zu der Auffassung gelangt, dass die palästinensische Einheitsregierung ‚einen gewaltigen Schritt vorwärts’ darstelle, dass sie die von der internationalen Gemeinschaft gestellten Bedingungen erfülle und dass es keinen Grund mehr für eine Blockade gebe.“
Nun haben sich am Samstag rund 300.000 Einwohner von Gaza versammelt, um den 20. Jahrestag der Hamas-Gründung zu feiern. Dabei jubelten sie dem ehemaligen Ministerpräsidenten Ismail Hanija zu, der sagte, wer immer erkläre, er werde Israel nie anerkennen, verdiene „die Liebe des Volkes“. Die Masse skandierte daraufhin: „Wir werden Israel niemals anerkennen.“ In einer Fernsehansprache drohte Hamas-Chef Khaled Mashaal aus Damaskus: „Unser Volk ist fähig, eine dritte oder vierte Intifada zu starten.“ Außerdem erklärte er: „Wer glaubt, dass die Hamas sich in einer Sackgasse befindet, irrt.“

Auch der Hamas-Parlamentsangehörige Mushir al-Masri sprach während dieser Versammlung. Er warnte vor einem möglichen Eindringen israelischer Truppen und sagte, die Hamas habe „bereits Gräber für die Juden ausgehoben“. Hamas-Funktionär Osama al-Mzeini, der für den Fall des israelischen Gefangenen Gilad Shalit zuständig ist, erklärte, der israelische Soldat werde so lange nicht das Licht des Tages erblicken, wie es palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen gebe. Dass die Hamas entgegen den Uno-Beschlüssen und jeder Humanität Shalit nicht vom Internationalen Roten Kreuz besuchen lässt, berührte schon im Mai die österreichischen Politiker nicht.

Das sind die Herrschaften, für deren Anerkennung die Abgeordneten Swoboda und Voggenhuber eingetreten sind. Ob sie bei ihrer Haltung geblieben sind, weiß man nicht. Im Fall von Johannes Voggenhuber haben Nachfragen auch keinen Sinn, da er bereits im Frühjahr nicht auf sie geantwortet hat. Und nun erklärte die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner dem Standard:
„650 Millionen Dollar (447 Millionen Euro) wird die Kommission für die Palästinenser im Jahr 2008 bereitstellen. Etwa gleich viel wird vermutlich von den EU-Mitgliedstaaten dazukommen, womit die Hilfe unter der von heuer liegen würde. 2007 haben Kommission und Mitgliedstaaten zusammen rund eine Milliarde Euro in die diversen Hilfsprojekte investiert – die höchste Summe, die jemals den Palästinensern gewidmet wurde.“
Die EU sei damit in diesem wie auch im kommenden Jahr der größte Geber für die Palästinenser, sagte Ferrero-Waldner. Sie betonte, auch andere Geber müssten nun „substanziell in die Projekte einsteigen, vor allem die arabischen Staaten“. Diese lägen auch nach Zahlen der Uno deutlich hinter ihren finanziellen Zusagen zurück und erreichten im Schnitt nicht einmal ein Zehntel der Hilfe aus der Europäischen Union.

Nach Angaben des palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad benötigt seine Regierung für die kommenden drei Jahre 5,6 Milliarden Dollar. Bei einem Preis von fast 100 Dollar pro Fass Erdöl könnte diese Summe mit Hilfe der Erdöl produzierenden arabischen Staaten leicht erreicht werden. Wenn das Schicksal der Palästinenser den Politikern und der Bevölkerung dieser Staaten wirklich eine Herzensangelegenheit sei sollte, dann ist es nicht zu verstehen, weshalb sie nicht tiefer in ihre Taschen greifen.

Laut Weltbank beträgt die jährliche Unterstützung, die Saudi-Arabien den Palästinensischen Autoritäten gewährt, rund 84 Millionen Dollar jährlich, während andere Golfstaaten weniger oder gar nichts aufwenden. Trotz der während einer Notsitzung des Gipfels der Arabischen Liga im Jahre 2002 getroffenen gemeinsamen Verpflichtung, pro Jahr 660 Millionen Dollar zu geben, ist fast nichts geschehen. Auch ein Versprechen Saudi-Arabiens im letzten Jahr, 300 bis 500 Millionen Dollar zu spenden, wurde bis heute nicht erfüllt.

Seit 2002 sind die Ölpreise auf das Vierfache gestiegen. Die Einnahmen aus dem Erdöl der sechs Golfstaaten (Saudi-Arabien, Kuwait, Vereinigte Arabische Emirate, Katar, Oman und Bahrain) werden dieses Jahr etwa 400 Milliarden Dollar erreichen; die Hälfte davon gehört Saudi-Arabien. Das würde bedeuten, dass ihre gemeinsamen Zuwendungen an die Palästinenser nur 0,04 Prozent ihrer jährlichen Erdöleinnahmen ausmacht. Zu diesem Reichtum muss man ihren kumulativen Überschuss seit 2003 in Betracht ziehen, der in diesem Jahr 700 Milliarden Dollar erreichen wird.*

Es ist zu hoffen, dass die EU und die USA bei der Geberkonferenz darauf bestanden haben, dass diese superreichen arabischen Staaten ihre Politik ändern und nicht mehr Wohltätigkeit üben, sondern den Palästinensern ernsthaft helfen, indem sie ökonomisch investieren, damit Arbeitsplätze geschaffen werden und ein besseres Leben möglich wird. Der Wohlstand ist zwar noch keine Garantie für einen Frieden, aber mit wachsenden Wohlstand besteht immerhin die Möglichkeit, dass die Extremisten zurückgedrängt werden können.

* Aid to the Palestinians: The Role of Oil-Rich Arab States