Spaßbremsenalarm
Vom derzeitigen Trainer des Fußball-Bundesligisten Bayer Leverkusen, Michael Skibbe, stammt der kluge Satz: „Ich bin immer offen für Kritik, nur muss sie konstruktivistisch sein“, und der ehemalige Profi Bruno Labbadia hat das Ganze noch durch die Erkenntnis abgerundet: „Das wird alles von den Medien hochsterilisiert.“ Es ist kaum anzunehmen, dass diese rhetorischen Perlen irgendwann einmal von den Aktivisten des International Solidarity Movements (ISM) zur Kenntnis genommen worden sind; zumindest kommen die Angehörigen dieser Vereinigung nicht sonderlich konstruktivistisch daher, dafür sind sie allerdings im Hochsterilisieren nachgerade Meister ihres Fachs. Der neueste Einfall dieser neurotischen Plagegeister: Sie hätten gerne, dass das Qualifikationsspiel zur Fußball-Europameisterschaft zwischen Israel und England am 24. März in Tel Aviv abgesagt wird. Begründung: „Israel ist ein rassistischer Apartheidstaat.“ Woraus zu folgen habe: „Sport-Boykotte sind ein effektives Werkzeug für die Zivilgesellschaft, ihre Verurteilung der israelischen Apartheidpolitik dort zu zeigen, wo Staaten es nicht tun werden.“ Solche Aktivitäten seien zudem bereits „integraler Bestandteil der Bewegung gegen die südafrikanische Apartheid“ gewesen und genössen „bedeutende Aufmerksamkeit in den Medien Großbritanniens, Israels und Palästinas“.
Daher ruft das ISM nun gemeinsam mit der britischen Boycott Israeli Goods Campaign dazu auf, Protestschreiben an den englischen und den europäischen Fußballverband sowie an die Initiative Kick Racism out of Football zu schicken und sich dort „über Israels Einbeziehung in die Euro 2008 und Englands Qualifikationsspiel gegen Israel zu beschweren“. Als Vorbilder dienen den zornigen Palästinafans dabei eine Mahnwache anlässlich des Davis-Cup-Spiels Israels gegen Großbritannien im Tennis, das im Juli vergangenen Jahres und damit während des Libanonkrieges stattfand, und die Absage des Cricket-Spiels Israel – Schottland Anfang August 2006 infolge von Protesten. Zudem plant man beim ISM Aktionen gegen die Sponsorenvereinbarung zwischen dem Fußballklub Arsenal London und dem israelischen Tourismusministerium, die vor ziemlich genau einem Jahr getroffen wurde. Besonders gut sind die Aussichten der entschlossenen Kämpfer wider die zionistische Weltverschwörung allerdings nicht: Die Uefa hat erst Mitte September ihren Beschluss aufgehoben, keine internationalen Begegnungen in Israel zuzulassen, und seitdem dürfen israelische Klubs ihre Heimspiele zumindest wieder in Tel Aviv austragen. Es ist derzeit eher nicht anzunehmen, dass der europäische Verband deren Ausschluss ernsthaft in Erwägung zieht. Und auch die ebenfalls zum Boykott aufgerufene englische Football Association (FA) macht keine Anstalten, die Partie abzusagen.
Mal sehen, ob die ISM-Getreuen, sollte das Match also wie geplant stattfinden, sich vor dem Stadion blicken lassen. Ganz unwahrscheinlich ist das nicht: Die Organisation ist bekannt für ihre Penetranz, mit der sie sich sozusagen an die Front wirft – um beispielsweise die Beseitigung von Häusern zu verhindern, die Teil einer Tunnel-Infrastruktur sind, über die Waffenlieferungen aus Ägypten in die palästinensischen Gebiete abgewickelt werden. Die aggressiv-demonstrative Friedlichkeit, mit der ISM-Anhänger überall auftreten, flankiert dabei die kaum verhohlene Sympathie für den islamistischen Terror und seine Vernichtungspläne gegen den jüdischen Staat. Dabei nimmt man auch Tote in den eigenen Reihen durchaus in Kauf; anschließend werden sie bisweilen regelrecht zu Märtyrern für die Gerechtigkeit erhoben. Ganz so arg wird es nun beim Fußball im Zweifelsfall nicht zugehen, aber dass das Gros der versammelten Zuschauer die Ansicht teilt, dass das Spiel gar nicht stattfinden sollte, darf wohl bezweifelt werden. Wenn aber alles nichts hilft, bleibt dem ISM wenigstens noch der Weg einer ordentlichen Petition. Vorbild hierbei: Die Fighter der Palestinian Grassroots Anti-Apartheid Wall Campaign und ihre Kampagne Kick Apartheid Out of Football, die im April vergangenen Jahres ins Leben gerufen wurde. Mit einem Schreiben an den Präsidenten des Weltfußballverbands Fifa kann man seitdem gegen die Menschheitsverbrechen des Zionismus protestieren.
Dessen ungeachtet ist das Spiel Israels gegen England für viele im Land des Gastgebers etwas Besonderes: Es ist das erste Mal, dass sich diese beiden Länder in einem Fußball-Qualifikationsspiel gegenüberstehen. Bisher gab es lediglich zwei Freundschaftsspiele, das letzte davon im Februar 1988 mit einem für Israel beachtlichen torlosen Remis. Nun also geht es darum, die eigenen Chancen auf eine Teilnahme an der Euro 2008 in Österreich und der Schweiz zu verbessern, das heißt zu den in der Qualifikationsgruppe führenden Ländern Kroatien und Russland aufzuschließen. Das Stadion in Tel Aviv wird ausverkauft sein, wobei auch etwa 4.500 englische Fans erwartet werden, darunter mehrere hundert jüdische Anhänger, deren Reise nicht zuletzt von Maccabi Großbritannien organisiert wird. Der englische Fußballverband wiederum verfügt über recht freundschaftliche Beziehungen zum israelischen, der IFA; erst kürzlich hatte letzterer eine Delegation der FA, der auch der frühere englische Internationale John Barnes vom FC Liverpool angehörte, zu Gast.
Ausgezeichnete Rahmenbedingungen also für ein spannendes Spiel, und daran werden selbst die notorischen Spaßbremsen vom ISM nicht allzu viel ändern. Also sollte man deren Initiative, um es noch einmal mit Bruno Labbadia zu sagen, auch nicht hochsterilisieren, sondern hernach wie der frühere österreichische Nationalspieler Herbert Prohaska sagen können: „Heute haben wir uns gut aus der Atmosphäre gezogen.“
Hattip: Gudrun Eussner