Schal gewordene Demarkationen

„Einig sind sich Links- und Rechtsextremisten, wenn es darum geht, den Juden Moral und Anstand beizubringen“, resümiert Karl Pfeifer im seinem folgenden Beitrag; zum Zwecke dieser ganz speziellen Art von Erziehung berufen sich beide Lager bevorzugt auf einen jüdischen Kronzeugen, den sie verehren, weil er sich „wenig um schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts“ kümmere. Im Ergebnis wollten die Nationalbolschewisten, so Pfeifer, „das Werk der Nationalsozialisten vollendet sehen“: „Hatten die Nazis noch explizit die Juden für alles Unglück in der Welt verantwortlich gemacht, so geben die linken Kameraden dem ‚zionistischen Gebilde’ für alles Schlimme, was im Nahen Osten passiert, die Schuld.“ Und das nicht nur in Österreich.

Die gemeinsame Plattform
In der nationalbolschewistischen Berliner Tageszeitung junge Welt berichtete Harald Neuber kürzlich aus Caracas und leugnete dabei den Antisemitismus des Chávez-Regimes – schließlich gehe es doch nur um zulässige Kritik am Staat Israel. Ein Blick auf die offizielle und halboffizielle Judenhetze in Venezuela genügt allerdings, um festzustellen, wie es dort wirklich aussieht. Neuber appelliert an die prolet-arischen Ressentiments, wenn er etwa vom „reichen Ostteil Caracas’“ schreibt, „in dem sich das hebräische Zentrum befindet“, oder „einige der größten Unternehmensfamilien“ hervorhebt, die im Dachverband der jüdischen Vereine Venezuelas organisiert sein sollen. Solche Zeilen implizieren die alte, doch stets wirksame Leier von der Gegnerschaft der Juden Venezuelas zur Regierung – nicht etwa wegen des gegen sie gerichteten Antisemitismus, sondern weil sie das Hauptanliegen des Regimes, „die Umverteilung des Reichtums“, nicht teilten. Selbst der krudeste Antisemitismus, wie er von offizieller Seite in Venezuela betrieben wird, stört Kameraden wie Neuber nicht. Denn für die gute Sache des Antiimperialismus ist alles erlaubt – da nimmt man auch Holocaustleugner in Schutz.
Einig sind sich Links- und Rechtsextremisten, wenn es darum geht, den Juden Moral und Anstand beizubringen. Und da haben sie einen Juden nach ihrem Geschmack gefunden: Moishe Arye Friedman nämlich, einen US-Bürger, der vor ein paar Jahren plötzlich in Wien auftauchte, nachdem er in Belgien Konkurs gemacht hatte und nun zum Liebling der Antiimperialisten, der rechtsextremen FPÖ und der Palästinensergemeinde wurde. Der Mann hat zwar keine Gemeinde in Wien, aber er nennt sich trotzdem „Oberrabbiner“, ist der Schnittlauch auf links- und rechtsextremen sowie islamistischen Suppen und betet für „für ganz Palästina mit einem vom Zionismus befreiten Jerusalem“.
Willi Langthaler, umtriebiger Anführer der Wiener Antiimperialistischen Koordination (AIK), brachte es auf den Punkt, als er die „antizionistische Gemeinde des orthodoxen Rabbiners Friedman“ lobte, denn „dieser kümmert sich tatsächlich wenig um schal gewordene Demarkationen zwischen links und rechts, deren Denominationen aber allesamt den Zionismus und das American Empire anerkennen und aktiv verteidigen“. Die AIK warb zudem für eine von Friedman initiierte „Internationale Konferenz religiöser Führer verschiedener Religionen“ im „Austria Konvention Center (beim UNO Gebäude) (mit Buffet)“. Und auch die sattsam bekannte linkradikale Arbeiterfotografie verteidigte Friedman, nachdem dieser in Teheran den Holocaust geleugnet hatte, und versuchte, dies mit abfälligen Worten über die Wiener Aktion gegen Antisemitismus und mit einem Zitat des Muslim-Markts zu rechtfertigen. So weit die linken Kameraden.
Nun zu den rechtsextremen Kameraden. Auch in der vom österreichischen Staat hoch subventionierten Wochenzeitung Zur Zeit wird von Martin Pfeiffer ein Jude gelobt: Moishe Arye Friedman, so das in der Slowakei gedruckte „deutschnationale“ Blatt, sei schließlich nicht irgendeiner: „Er ging weiter seinen Weg und hielt Kontakt zu Exponenten des nationalfreiheitlichen Lagers, ja lud sogar deren Vertreter zu religiösen Feiern ein, wie etwa einer Bar Mizwa (Firmung). [...] Im Jahre 2004 veranstaltete er in Wien eine internationale Rabbinerkonferenz, an der so prominente Politiker wie Ex-Innen- und Außenminister Erwin Lanc (SPÖ) und der damalige CDU-Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann teilnahmen.“

Doch kehren wir zurück zu den Nationalbolschewisten der jungen Welt, wo sich Rainer Rupp für einen ungebändigten Terror stark macht und mit Begeisterung von einer Zusammenkunft von Terrorsympathisanten in Italien berichtet. Den Organisatoren „unter der Leitung des österreichischen Antiimperialisten Willi Langthaler“ sei es „gelungen“, für führende Vertreter des „irakischen Widerstandes“ eine Einreiseerlaubnis nach Italien zu bekommen. Es handelt sich dabei unter anderem um einen Iraker, der in Deutschland unerwünscht ist. Dieser kritisiert die „europäische Linke“, weil sie mit den irakischen Halsabschneidern und Massenmördern wegen „zivilgesellschaftlicher Bedenken“ nicht solidarisch sei. Rupp nimmt jedoch an, dass „die Prodi-Regierung nicht abgeneigt ist, sich auf diese Weise eine Hintertür für eventuelle eigene Kontakte zu irakischen Widerstandsgruppen zu schaffen“.
Die AIK veröffentlichte eine Schlussresolution dieser Zusammenrottung in Italien, deren Endzeitstimmung an die nationalsozialistische Propaganda erinnert: „Es ist ein historischer Kampf, der im Nahen Osten ausgefochten wird. Von seinem Ausgang wird die Zukunft der Region und schließlich der ganzen Menschheit abhängen.“ Und es kommt noch schlimmer: „Der Kampfschrei des irakischen Widerstands hat dem heroischen palästinensischen Volk Aufwind gegeben, welches nach Jahrzehnten einer unnachgiebigen Intifada seinen Kampf noch intensiviert hat und die Zionisten aus Gaza vertrieben und für jene Kräfte, welche das historische Ziel der vollständigen Befreiung Palästinas nicht verraten haben, bei den Wahlen gestimmt hat.“ Die Nationalbolschewisten wünschen sich also ganz offen eine Zerschlagung des Staates Israel; sie sehnen sich also nach einem Völkermord an Juden – denn Illusionen kann sich niemand machen, der sieht, wie Muslime im Irak untereinander und miteinander verfahren und wie im Sudan ein Völkermord – unter den Augen der Uno! – begangen wird. Wenn Muslime nicht miteinander leben können, welche Chance hätten dann wehrlose Juden in Palästina?
Hatten die Nationalsozialisten von der „jüdischen Weltverschwörung“ fantasiert, so behaupten nun die Nationalbolschewisten: „Im Libanon, unter der Führung der allbekannten Vereinten Nationen, brachten die USA und die Zionisten Frankreich, Italien und Deutschland dazu, ihre Truppen zu schicken, darauf bauend, sie auch in ihren dauerhaften Plan den nationalen Widerstand auszulöschen und den Libanon unter ihre Vorherrschaft zu bekommen, zu integrieren.“ Das ist nichts anderes als ein Aufwärmen der alten Mär von der Weltverschwörung, nur dass jetzt das Wort „Juden“ durch „Zionisten“ ersetzt wird. Hatten die Nazis noch explizit die Juden für alles Unglück in der Welt verantwortlich gemacht, so geben die linken Kameraden dem „zionistischen Gebilde“ für alles Schlimme, was im Nahen Osten – auch zwischen Muslimen – passiert, die Schuld: „Solange die USA und ihre Verbündeten [...] das zionistische Gebilde weiter aufrechterhalten, kann es keinen Frieden in der Region geben.“
Die Forderung der Nationalbolschewisten lautet: „Zerschlagt den Zionismus – für die vollständige Befreiung Palästinas!“ Sie wollen also das Werk der Nationalsozialisten vollendet sehen und kümmern sich wenig um „schal gewordene Demarkationen“ zwischen links- und rechtsextrem. Ein mörderischer Antisemitismus ist die gemeinsame Plattform der Nationalbolschewisten, Rechtsextremisten und Islamisten.
Zum mittleren Bild: Diese Parole – „Jüdische Mörder“ – wurde an die Mauer des jüdischen Zentrums in Caracas geschmiert.
Anmerkungen:
* Querschläger: Martin Pfeiffer über Friedman und die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), Zur Zeit vom 23. März 2007, Seite 7. Pfeiffer nimmt in seinem Beitrag den Alibijuden der Rechtsextremisten und Neonazis in Schutz. Moishe Arye Friedman war aus der IKG ausgeschlossen worden. Nachdem seine Kinder aus einer von der orthodoxen Gruppe Machsike Hadas geführten Schule abgemeldet worden waren, weil die Mutter mit ihnen in die USA fuhr, wurden sie nach ihrer Rückkehr nicht mehr in die Schule aufgenommen, auch, weil die Eltern nicht den Sabbat einhalten und zudem seit Jahren kein Schulgeld bezahlen. Johannes Hübner, Anwalt der FPÖ, klagte deswegen gegen die Schule und wurde abgewiesen. Doch das Wiener Oberlandesgericht verfügte – ohne Anhörung der Schulleitung und der IKG –, dass die Kinder in diese Privatschule aufgenommen werden müssen. Die Schule soll für jeden Tag, an dem die Kinder nicht an der Schule lernen dürfen, 5.000 Euro Bußgeld bezahlen. Die IKG hat sich nun an das Oberste Gericht gewandt und überlegt, die älteste jüdische Schule, die in den 150 Jahren ihrer Existenz nur während der Nazizeit nicht geöffnet war, zu schließen.
** Nur einige Beispiele, die dies belegen:
http://www.palaestinensische-gemeinde.at/briefoberrabbiner.shtml
http://www.palaestinensische-gemeinde.at/rabbinerkonferenz.shtml
http://www.palaestinensische-gemeinde.at/friedman.shtml
http://www.filastin.at/friedman.shtml
http://www.filastin.at/friedman2.shtml