Wiener Würstchen
Glaubt man den Worten des Mitbegründers der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ), Tarafa Baghajati, dann ist der „Islam in Österreich“ ein „Vorzeigemodell“: „Das Gastarbeiter-Image werden die Muslime zunehmend los. Das Ziel, endlich als selbstverständlicher Teil der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, brachte seit 1999 Aufbruchstimmung und Engagement nach dem Motto: ‚Integration durch Partizipation’.“ Gäbe es nicht „krude Allianzen gegen die positive Entwicklung“ – ein Bündnis etwa aus, na klar, „selbst ernannten linken Philozionisten“, die „auf Punkt und Komma genauso wie die rechtspopulistische FPÖ“ argumentierten, sowie, versteht sich, „christlich-fundamentalistischen Journalisten“, die „mit nachweislich falschen Übersetzungen und verdrehten Zitaten für Unruhe“ sorgten –, könnte wirklich alles zum Besten bestellt sein für die Muslime in der Alpenrepublik, findet Baghajati.
Die Islamische Föderation in Wien durfte im Oktober vergangenen Jahres sogar den SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer, inzwischen österreichischer Bundeskanzler, auf ihrem Koran-Rezitationswettbewerb in der Wiener Stadthalle begrüßen (Foto) und sich von ihm bescheinigen lassen: „Die Veranstaltung diente der Integration und dem Dialog, um sich besser kennen zu lernen.“ Deshalb zeigte sich die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) – zu deren Vorfeldorganisationen die IMÖ und die Föderation gehören – rundum zufrieden; mehr noch: Sie ist qua Selbstauskunft die europaweit einzige Institution, die alle in einem Land lebenden Muslime vertritt und hat mit Scheich Adnan Ibrahim eine Art Vorzeige-Imam in ihren Reihen, den sie als besonders liberal handelt.
Dummerweise sind vor allem in der jüngsten Vergangenheit ein paar Sachen passiert, die so gar nicht zum harmonischen und weltoffenen Bild passen wollen, das die IGGiÖ von sich selbst zeichnet. Denn ihr angeblich so umgänglicher Imam Adnan Ibrahim proklamierte in der Wiener Schura-Moschee den bewaffneten Aufruhr gegen staatliche Institutionen, bezeichnete Hamas-Terroristen als „Helden“ und äußerte sich auf seiner Internetseite rassistisch gegen islamisch-christliche Mischehen: Sie seien „ein soziales Verbrechen“, weil dadurch „fremdes Blut in unsere Nachkommen“ gelange. Zwei eigene Fatwas bildeten dafür die Grundlage.
Darüber hinaus forderte Ibrahim (Foto) die Muslime zur Beteiligung am Krieg „in Palästina und im Irak“ auf und pries Djihad und Märtyrertum: „Wie lange wollt ihr als Zuschauer warten, was im Irak und in Israel geschieht? Wollt ihr warten, bis dasselbe Erdbeben auch Euch trifft? Das geschieht, weil Ihr nicht genügend unterstützt, materiell und ideell, vor allem die Märtyrer.“ Es gebe „keinen alternativen Weg als den Dschihad“: „Vor Allah ist der rechte Djihad der Djihad im Irak, der rechte Djihad ist der Djihad in Palästina.“ Und: „Eine Stunde an einem Kriegsschauplatz im Dschihad für die Sache Allahs zählt mehr als 70 Jahre frommes, religiöses Leben.“ Mehrere hundert Tonbänder, die der Wiener Zeitung vorliegen und ausgewertet wurden, dokumentieren die Hassreden des Vorbeters.
Und das war nicht – was schon arg genug wäre – der einzige Grund, warum die IGGiÖ in die Schlagzeilen geriet. Auch ihre Entscheidung, Hassan Mousa zum ersten Leiter der Islamischen Religionspädagogischen Akademie (IRPA) zu machen, sorgte für Gesprächsstoff: Mousa war Schulerhalter der Al-Azhar-Schule in Floridsdorf, die mit nicht bezahlten Lehrergehältern, nicht gemeldeten arabischem Lehrpersonal und einem eigenen islamischen Lehrplan auf sich aufmerksam machte. Zudem werden die demokratische Legitimation und die Repräsentanzberechtigung der Islamischen Glaubensgemeinschaft inzwischen aus guten Gründen in Frage gestellt.
Auch die mit der IGGiÖ verbundene IMÖ macht immer wieder von sich reden, insbesondere ihr Vorkämpfer Tarafa Baghajati. Der wollte kürzlich beispielsweise die Lesungen des Publizisten Henryk M. Broder in Wien am liebsten verhindern – und als das nicht klappte, versuchte er kurzerhand, einen der Vorträge in eine Podiumsdiskussion umzuwandeln, mit sich selbst als Teilnehmer. Das muss es sein, was er unter „Integration durch Partizipation“ versteht. Dabei rannte er bei der zuständigen Magistratsabteilung auch noch offene Türen ein. Karl Pfeifer berichtet in seinem Beitrag für Lizas Welt, warum das Unterfangen dennoch scheiterte, wie sich die österreichische Sozialdemokratie liebevoll um eine „sachliche und unvoreingenommene Darstellung der Situation der muslimischen Minderheit“ sorgt und weshalb beleidigte Islamfunktionäre vor allem in der Hauptstadt der Alpenrepublik so populär sind.
Karl Pfeifer
Wien kapituliert
Wenn rings um Österreich alle Länder beben, alle Völker übereinanderstürzen, alle Throne wanken – doch Österreich steht fest –, dann frohlocken seine Staatsmänner: Seht! Bei uns ist Ruhe, Friede, Ordnung; was habt ihr gewonnen bei eurem rastlosem Streben?
(Ludwig Börne)
Irgendein gescheiter Kopf hat schon vor Jahren den Spruch „Wien ist anders“ geprägt, um damit Touristen anzulocken. Die Geschäfte auf den Hauptstraßen gehören – auch dank der Europäischen Union – den gleichen Firmen wie in anderen EU-Städten, so dass dem Touristen in Wien manches bekannt vorkommen muss. Was die Preise betrifft, stimmt dieser Spruch jedoch, denn Wien gehört zu den teuersten Städten Europas. Und auch der Träger des Börne-Preises Henryk M. Broder hat während seines Besuches in Wien erfahren, wie anders Wien ist. Denn die Stadt hat ihm etwas zugemutet, was in dieser Form sonst nirgendwo für möglich gehalten wird.
Als ich am ersten Abend seines Wiener Besuchs einige pessimistische Bemerkungen von Broder über ein mögliches „Eurabia“ hörte, dachte ich mir, dass er doch ein wenig übertreibt. Doch nur einen Tag später musste ich erfahren, dass wir tatsächlich auf dem besten Weg dorthin sind. Broder hielt vor einem bis zum Rand voll besetzten Saal im Wiener Jüdischen Gemeindezentrum einen vom Herausgeber der Internetzeitung Die Jüdische, Samuel Laster, moderierten Vortrag. Seine glänzende Polemik schlug dabei einen weiten Bogen von Karl Kraus bis zum heutigen Wien. Er sprach aber auch von den vielen Muslimen, die nichts mit Extremismus am Hut hätten, und wandte sich energisch gegen alle fremdenfeindlichen Tendenzen.
Der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Raimund Fastenbauer, machte darauf aufmerksam, dass es von muslimischer Seite Einwände gegen die Einladung Broders gegeben habe. Es war nicht das erste Mal, dass die von DI Tarafa Baghajati angeführte Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen (IMÖ) – die eng mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) verbunden ist – gegen eine Veranstaltung protestierte, die sich kritisch mit dem Islamismus auseinandersetzt. Fastenbauer betonte jedoch, die IKG entscheide selbst, wer in ihrem Gemeindezentrum sprechen darf. In diesem Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass die Islamischen Gemeinde schwieg, als die IKG gegen den fremdenfeindlichen, antitürkischen und antiislamischen Wahlkampf der FPÖ protestierte und entsprechende Unterstützung erwartete.
Weil ich daran interessiert war, Henryk M. Broder einmal in einer ganz anderen Umgebung zu erleben, besuchte ich auch seinen Vortrag in der Städtischen Bibliothek Penzing (XIV. Wiener Bezirk) am folgenden Abend. Dort las er aus seinem Buch Hurra, wir kapitulieren!, in dem er Kritik an der Tendenz westlicher Gesellschaften übt, auf den Islamismus mit unangemessenem Entgegenkommen zu reagieren. Nur ein Beispiel: Nach dem bekannten Streit um die Mohammed-Karikaturen einer dänischen Zeitung und die darauf folgenden Gewaltwellen verbreitete der Großkonzern Nestlé eine öffentliche Erklärung, in der er betonte, dass er für seine Produkte keine aus Dänemark stammenden Zutaten verwende. Eine solche Art vorauseilenden Gehorsams wurde nun anscheinend auch von der Leiterin der Bücherei Penzing erwartet: Am Nachmittag vor der Veranstaltung kündigte ihr die vorgesetzte Dienststelle, die Magistratsabteilung 13, die Teilnahme eines Vertreters der Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen an. Die IMÖ hatte bereits öffentlich gegen eine weitere, einen Tag später stattfindende Buchpräsentation Broders bei WeltStadt Wien (ÖVP) protestiert.
Selbstverständlich muss man Broders Meinungen nicht zustimmen: Jedem steht es frei, Veranstaltungen zu besuchen und in der Diskussion kontroverse Standpunkte zu vertreten. Mit einer „Teilnahme“ des IMÖ-Vertreters war allerdings etwas anderes gemeint: Er sollte neben Broder auf dem Podium sitzend als Diskussionspartner den Abend bestreiten können. Nun war aber die Veranstaltung nicht als Podiumsveranstaltung, sondern als Buchpräsentation mit Lesung und anschließender Publikumsdiskussion geplant und angekündigt. Nachdem der einige Zeit vor Beginn der Veranstaltung eingetroffene Repräsentant der IMÖ, DI Tarafa Baghajati, feststellen musste, dass für ihn lediglich ein Platz in der ersten Publikumsreihe reserviert und er herzlich eingeladen war, sich von dort aus am Gespräch zu beteiligen, führte er lange Telefonate.
Daraufhin verlangte die Magistratsabteilung 13 von der Bibliotheksleiterin – ebenfalls telefonisch – nochmals mit Nachdruck, Baghajati einen Platz auf dem Podium einzuräumen. Die Veranstaltung hatte bereits in der geplanten Form begonnen und Baghajati in der ersten Reihe Platz genommen, als ein weiterer Anruf der Magistratsabteilung folgte – diesmal schon zu spät, dafür jedoch mit der interessanten Information, dass der Wunsch nach einer Änderung des Charakters und Ablaufs der Veranstaltung aus dem Büro der für die Büchereien Wiens zuständigen Stadträtin und Vizebürgermeisterin stammte und dass die Weigerung der Bibliotheksleiterin Folgen haben könne. An diesem Interventionsversuch wurde deutlich, dass selbst die einfachsten Regeln der Meinungsfreiheit für die Stadt Wien offenbar nicht bindend sind und dass sie lieber in vorauseilendem Gehorsam gegenüber selbst ernannten Vertretern des Islams handelt.
Die Aktivitäten des Tarafa Baghajati
In Österreich wird einer kleinen Gruppe in der offiziellen Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) und um sie herum gestattet, die 400.000 hier lebenden Muslime zu vertreten, obwohl sie dazu demokratisch nicht legitimiert ist. Ein Grund für diese Bevorzugung dürfte sein, dass die Gruppierung sich und dem Islam bestätigt, in Österreich ein „Vorzeigemodell“ zu sein – als ob viele Muslime nicht teils latente, teils explizite Ausländerfeindlichkeit erleben müssten und als ob Österreich eine Insel der Seligen wäre. DI Tarafa Baghajati (Foto) ist ein viel beschäftigter Mann, der Kritiker des Islamismus als „islamophob“ und „rassistisch“ verleumdet. Belege, die seine Unterstellungen stützen, liefert er nicht; stattdessen verschickt er „vertrauliche“ Briefe mit unwahren Behauptungen über ihm nicht genehme Personen – das kann er tun, weil derlei Diffamierungen nun einmal im Bereich des rechtlich Undefinierten gedeihen.
Diese Seite von Baghajatis Tätigkeit wird jedoch selten genug thematisiert. Michael Genner von Asyl in Not machte einige der Interventionen öffentlich; Baghajati protestierte beispielsweise bei der Österreichischen Liga der Menschenrechte, weil diese in ihrer Zeitschrift liga meinen Artikel über Rechtsextremismus und Antisemitismus in Ungarn publiziert hatte. Warum dies einen angeblichen Antirassisten wie Baghajati stört? Ganz einfach: In frecher Anmaßung versuchen er und sein Kreis – dem nachgesagt wird, sich im Dunstkreis der Muslimbrüder zu bewegen –, ihre Anschauungen zum Maß aller Dinge zu machen. Bereits 2003 hatte Baghajati bei der Aktion gegen den Antisemitismus gegen die Verleihung der Joseph-Bloch-Medaille an mich interveniert. Wolfgang Neugebauer, der damalige Leiter des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands (DÖW), erklärte dazu seinerzeit: „DI Tarafa Baghajati, Repräsentant der Initiative muslimischer Österreicher, dem offenbar diese heutige Ehrung missfällt, schreibt mir am 16. 11., dass Karl Pfeifer ‚als militanter Besatzer’ nach Palästina hingefahren war und ‚als solcher dort agierte’. Ein Fünfzehnjähriger, der mittel- und waffenlos vor den NS-Judenverfolgungen in Europa geflüchtet ist, wird zum Besatzer herabgewürdigt und zum Schuldigen an einer Katastrophe, die in Wirklichkeit durch den Aggressionskrieg der arabischen Nachbarn gegen Israel ausgelöst wurde.“
Ein Musterbeispiel für Baghajatis Stil und Operationsmethode stellt ein Absatz in einer E-Mail dar, die er am 4. März 2007 an mehrere Personen verschickte. Darin hieß es: „WICHTIG: Bitte dieses Mail vertraulich zu behandeln. Aus uns nicht bekannten Gründen landen Privatmails bei Samuel Laster, Karl Pfeifer und danach erscheinen sie samt Telefonnummer der Verfasser in verschiedenen hetzerischen und islamfeindlichen Seiten im Internet wie Jihadwatch, Politicaly incorrect und wie sie alle heißen.“ Warum wohl sollte dies alles vertraulich behandelt werden? Um mir keine Möglichkeit zu geben, die Angelegenheit aufzuklären. Auch der Kulturreferent der Österreichischen Hochschülerschaft, Baruch Wolski, hatte in seiner Funktion und mit voller Adresse einen diffamierenden Protest gegen Henryk M. Broders Lesung in der Penzinger Bibliothek gemailt. Ich hatte dies kritisiert und dabei auch seine gehässige Mail veröffentlicht, nämlich unter dem Titel „Ein Kulturreferent als Denunziant“.
Friedrich Freiherr von Logau charakterisierte bereits vor einigen hundert Jahren die Vorgehensweise von Leuten wie Baghajati, der ein Meister der gespaltenen Zunge ist; hinter dem Rücken spricht er aggressiv, in der Öffentlichkeit hingegen bemüht er sich, moderat zu erscheinen. „Die Mücken singen erst, bevor sie einen stechen; Verleumder lästern bald, die erst so lieblich sprechen“, schrieb von Logau. Und Niccolo Machiavelli erkannte: „Bei Verleumdungen braucht man keinen Zeugen, und es gibt überhaupt keine Möglichkeit zur Überprüfung ihrer Richtigkeit, so dass jeder von jedem verleumdet werden kann. Dagegen kann nicht jeder angeklagt werden, da bei einer Anklage vollgültige Zeugen und Tatsachen die Wahrheit der Anklage beweisen müssen.“ Wenn ich also die Methoden von DI Tarafa Baghajati hier dokumentiere, dann mache ich mir keine Illusionen, dass er nun sein Tun einstellt; vielmehr wird er mir wahrscheinlich auch in Zukunft ohne jeden Beleg weiterhin Angriffe gegen die Muslime Österreichs und sogar gegen den Islam insgesamt unterstellen. Der Dramatiker Sébastien-Roch Nicolas Chamfort, der noch die französische Revolution erlebte, brachte es dereinst auf den Punkt: „Verleumdung ist wie die Wespe, die uns lästig umschwärmt. Man darf nicht nach ihr schlagen, wenn man sie nicht sicher tötet, sonst greift sie noch wütender an als zuvor.“
Die Sorgen der Sozialdemokratie
Die Wiener Vizebürgermeisterin Grete Laska (SPÖ), die als Stadträtin für die Magistratsabteilung 13 verantwortlich ist, schrieb mir nach Henryk M. Broders Lesung in der Penzinger Außenstelle der Städtischen Bücherei unter anderem: „Ich darf Ihnen versichern, dass die Büchereien ihr Veranstaltungsprogramm eigenständig planen und durchführen und dass es meinerseits keine Anweisung gegeben hat, Hrn. Baghajati als Koreferenten einzuladen. Ich habe die zuständige Abteilung daher um eine Stellungnahme gebeten, aus der hervorgeht, dass die Initiative muslimische ÖsterreicherInnen Bedenken betreffend der sachlichen und unvoreingenommenen Darstellung der Situation der muslimischen Minderheit in Europa durch eine unkommentierte Präsentation des gegenständlichen Buches hegte und die Fachabteilung MA 13 der muslimischen Community in Wien Gelegenheit zur Darstellung ihrer Haltung geben und damit eine ausgewogene Diskussion über dieses kontroverse Buch gewährleisten wollte. Daher erging seitens der MA 13 die Information an die Leiterin der Büchereizweigstelle in Penzing, dass ein Vertreter der Initiative muslimische ÖsterreicherInnen erscheinen wird, sowie das Ersuchen, diesem die Möglichkeit zur Darlegung seiner Sichtweise zu dem Buch im Rahmen dieser Veranstaltung zu geben. Ich kann mir nur vorstellen, dass seitens der Abteilung die Befürchtung bestanden hat, dass es zu einem Eklat kommen könnte oder dass man einem möglichen Konflikt ausweichen wollte, und gehe davon aus, dass alle Beteiligten von der Sache gelernt haben.“
Und weiter: Auf die Anfrage von Gemeinderat Dr. Franz Ferdinand Wolf (ÖVP), die erwähnte Lesung betreffend, „betonte Bürgermeister Dr. Michael Häupl (SPÖ, Foto), er habe sich nicht zu rechtfertigen. Es habe von ihm und auch seitens der Vizebürgermeisterin keine Weisung und keine Intervention gegeben. Es war eine normale Veranstaltung, wie viele andere auch und jeder Politiker wisse, dass kontroversielle Diskussionen etwas ganz Normales seien. Auf eine Zusatzfrage stellte Dr. Michael Häupl (SPÖ) fest, derartige Veranstaltungen fänden in der eigenen Verantwortung der jeweiligen Leiter statt. Und er sei für freie Diskussionen“.
Die IMÖ musste also gar nicht beim Bürgermeister oder bei der Vizebürgermeisterin intervenieren; für das Anliegen, eine Lesung in eine Podiumsdiskussion umzuwandeln, genügte ein einfacher Anruf bei einem Amt der Stadtverwaltung. Die Politiker gaben sich hinterher ahnungslos. Wenn sie tatsächlich nichts von der Intervention gewusst haben, dann ist das umso schlimmer; hatten sie aber Kenntnis und behaupteten bloß das Gegenteil, dann entspricht das der Haltung vieler Österreicher, die gerne jede Verantwortung für ihr Handeln von sich weisen. Bemerkenswert ist immerhin die Sorge der sozialdemokratischen Politikerin um eine „sachliche und unvoreingenommene Darstellung der Situation der muslimischen Minderheit“: Die regelmäßig erscheinenden ausländerfeindlichen Texte der meistgelesenen österreichischen Tageszeitung Neue Kronenzeitung – in der es doch eher selten zu einer solchen „sachlichen und unvoreingenommenen Darstellung der muslimischen Minderheit“ kommt – stören die SPÖ anscheinend nicht; zumindest hat, soweit ich informiert bin, noch kein amtierender SPÖ-Politiker das Wort gegen sie erhoben.
Im Gegenteil: Als ich am 25. Oktober 2000 Bürgermeister Michael Häupl – der anlässlich einer internationalen Pressekonferenz im Alten Rathaus von Wien vor der Einweihung des Shoa-Denkmals am Judenplatz sagte: „600 Jahre Antisemitismus in Wien sind genug“ – fragte, was zu folgern sei, wenn in der Neuen Kronenzeitung fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Texte erscheinen und seine Partei ganzseitige Inserate in genau dieser Zeitung schaltet, antwortete er mir, er wolle an einem solchen Tag nicht Stellung zur österreichischen Innenpolitik nehmen und keine Medienrüge betreiben. Es war ein Novum, dass ein österreichischer Politiker sich mitten in Wien weigerte, zum Antisemitismus – dessen extremste Form ja den Anlass bot, dieses Denkmal zu errichten – Position zu beziehen. Häupl demonstrierte also zum einen Gleichgültigkeit gegenüber Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus in der meistgelesenen Zeitung Österreichs, mit deren Herausgeber und Miteigentümer er einen freundschaftliche Umgang pflegt; zum anderen leistet seine Magistratsabteilung vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Interventionen prominenter Islamfunktionäre.
Öffentliche und veröffentlichte Reaktionen
DI Tarafa Baghajati schrieb in einer weit verbreiteten Stellungnahme gegen Henryk M. Broder unter anderem: „Ironie, Polemik und Humor können zweifelsohne ein Mittel und Ausdruck gesellschaftspolitischer Kritik sein. Im Falle von Henryk M. Broder handelt es sich jedoch um eine regelrechte Hetze gegen die muslimische Minderheit in Europa. Wer Broders Aktivitäten und Texte in den letzten Jahren verfolgt hat, weiß was die ZuhörerInnen erwarten wird. Der Einladungstext lässt da auch kaum Zweifel aufkommen. Seine ‚Achse der Guten’ und seine Auftritte gemeinsam mit der als rassistisch geltenden antideutschen Organisation ‚Bahamas’ in Deutschland sprechen für sich.“ Die Geduld des so Angegriffenen war unendlich, denn er bot Baghajati sogar ein privates Treffen nach der Diskussion in der Bibliothek an.
Interessant sind die Reaktionen der österreichischen Medien auf den Versuch der Magistratsabteilung 13, die Meinungsfreiheit einzuschränken. Das Wochenmagazin profil etwa sprach von einer „Gesprächsverweigerung“ Broders und korrigierte diese Falschmeldung anschließend nicht, wie man es von seriösen Medien es in solchen Fällen erwarten kann, sondern begnügte sich mit dem Abdruck eines Leserbriefs. Überhaupt keine Erwähnung fand der Vorfall in der Tageszeitung Der Standard – vielleicht deshalb, weil Broder erwähnte, dass die außenpolitische Redakteurin Gudrun Harrer ausgerechnet dem sattsam bekannten Muslim-Markt ein Interview gewährt hatte. Über den Skandal berichtet haben jedoch Die Presse, die Salzburger Nachrichten und die Wiener Zeitung.
Der KPÖ-nahe Gewerkschaftliche Linksblock (GLB) stellte sich entschieden auf die Seite der von Disziplinarmaßnahmen bedrohten Kollegin: „Anstatt dem beleidigten Vertreter einer sich beleidigt fühlenden religiösen Organisation einen Platz auf dem Podium einzuräumen, wies sie ihm einen Sessel in der ersten Reihe zu, von dem aus er sich nach der stattgefundenen Lesung an der Diskussion beteiligen konnte. Das genügte ihm aber nicht, so intervenierte er telefonisch abermals bei der Dienststellenleitung der MA 13, welche im Gegenzug heftig auf die widerstrebende Büchereileiterin einzuwirken versuchte mit Konsequenzen für diese drohte, auch nachdem die Veranstaltung wie geplant in Gang gekommen war. Dank der Zivilcourage der Büchereileiterin wurde die Veranstaltung aber nicht zu dem gemacht, was sich die religiöse Institution vorgestellt hatte. Es bleibt aber trotzdem ein gehöriges Maß an Unbehagen darüber, dass eine säkulare Einrichtung wie eine Magistratsabteilung den Begehrlichkeiten religiöser Gruppierungen nachgibt und gegen die eigenen Bediensteten vorgeht. Natürlich halten politische Gruppierungen wie die Wiener FPÖ mit Hilfe solcher Vorgaben ihr eigenes Süppchen namens ‚daham statt Islam’ am Köcheln. Im Übrigen wurde der Umstand, dass die Leiterin der Bücherei Penzing mit Konsequenzen irgendwelcher Art bedroht worden ist, entschieden bestritten. Es hatte ja nur eine telefonische, niemals jedoch eine schriftliche Weisung gegeben. Vorsichtshalber wurde der Büchereileiterin aber untersagt, irgendwelche Informationen oder Stellungnahmen zu diesem Fall abzugeben. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Magistrats können sich also für die nähere Zukunft auf so einiges gefasst machen.“
Skurril mutet hingegen der ausführliche Artikel von Gerhard Drexler an, der in einem Gastbeitrag für die Antiimperialistische Koordination von „überwiegend aus dem Kreis der Zionisten stammenden Zuhörerinnen und Zuhörern“ schrieb, die an der Lesung in der Penzinger Bibliothek teilgenommen hätten. Übersetzt aus der nationalbolschewistischen Tarnsprache heißt das: Die meisten Anwesenden waren Juden – was nicht stimmt. Wie kommt Drexler also zu seiner Feststellung? Nun, er schreibt auch auf der stalinistischen Homepage kominform, die an die schlechten alten Zeiten erinnert, als der Staatsanwalt im Prager Slansky-Prozess den Hauptangeklagten „kosmopolitische Gesichtszüge“ bescheinigte. Allerdings gibt es da einen Unterschied: Slansky war – nach den Nürnberger Rassegesetzen – tatsächlich ein Jude und nach stalinistischer Lesart ein „Kosmopolit“, während sich unter den Zuhörern in der Penzinger Bibliothek nur wenige Juden befanden. Doch auch diese werden pauschal wie alle anderen Zuhörer vom nationalbolschewistischen Drexler zum „Kreis der Zionisten“ gezählt.
Und was macht diese ewig beleidigten Islamfunktionäre so populär im Rathaus? Wahrscheinlich nicht zuletzt ihre Vorspiegelung, für einen wirklichen Dialog zu stehen, und ihre Behauptung, gemäßigt zu sein. In Wirklichkeit ähnelt dieser „Dialog“ jedoch eher einer Einbahn und ermöglicht es den Islamfunktionären, für eine mehr oder weniger verkappte fundamentalistische Version des Islams zu werben. Ein wirklicher Meinungsaustausch wird jedoch sehr schwierig, wenn die eine Seite beansprucht, die alleinige Wahrheit zu besitzen, und die Gelegenheit wahrnimmt, für eben diese zu werben, die andere Seite aber nicht absolute Gegenseitigkeit verlangt und auf diese Bedingungen eingeht. „Toleranz“ verstehen diese islamischen Funktionäre als Toleranz gegenüber ihrer Organisation, die nicht demokratisch legitimiert ist. Die Frage hingegen nach der Toleranz gegenüber Aussteigern oder Frauen, die einen nichtmuslimischen Partner heiraten wollen, wird schlicht und ergreifend nicht gestellt. Die Islamfunktionäre und die Islamisten sind schon derartig chronisch beleidigt, dass man sie mit solchen Fragen nicht noch mehr beleidigen will. Und man will ja Toleranz und Verständnis zeigen.
Goethes Diktum „Was wir verstehen, das können wir nicht tadeln“ scheint wiederum das Motto der Wiener Sozialdemokraten zu sein. Pierre Corneille, der noch vor der Aufklärung wirkte, sah das anders: „Qui pardonne aisément invite à l’offenser.“ In freier Übersetzung: „Wer (allzu) leicht verzeiht, lädt dazu ein, ihn anzugreifen.“ Und genau das ist die Gefahr, die vom vorauseilenden Gehorsam einer Wiener Behörde gegenüber sich geschickt tarnenden Islamisten ausgeht. Weit sind wir gekommen in Wien, dessen Politiker nicht müde werden zu betonen, dass wir hier in einer Weltstadt leben.